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Photo: Mirko Walterman from Flickr (CC BY 2.0)

Der Arbeitsmarkt verändert sich. Auf vielfältige Weise. Auf der einen Seite erlebt Deutschland ein Beschäftigungswunder. Seit der Deutschen Einheit gab es noch nie so viele Beschäftigungsverhältnisse. Aktuell sind es 44,5 Millionen. Inzwischen sind nur noch durchschnittlich 2,53 Millionen als arbeitslos registriert. Die Bundesagentur für Arbeit meldet nur noch eine Quote von 5,7 Prozent. All diejenigen, die bislang meinen, es würde die Arbeit in Deutschland ausgehen, sind eines Besseren belehrt. Natürlich sind das nicht alle, die Arbeit suchen. In vielen Bereichen wird die Statistik geschönt. Der Bereich der ALG II-Empfänger gehört nicht dazu, auch diejenigen, die ein Asylverfahren durchlaufen, fallen raus und viele andere mehr. Dennoch ist die Entwicklung positiv. Denn vor 15 Jahren, als Gerhard Schröder die Reformen am deutschen Arbeitsmarkt eingeleitet hatte, lag die Arbeitslosenzahl bei rund 5 Millionen, bei nahezu ebenso vielen Menschen, die aus der Statistik herausgeschönt wurden.

Überall werden Facharbeiter und Handwerker gesucht. Nicht nur Elektriker und Fliesenleger fehlen, sondern auch LKW- und Gabelstaplerfahrer. Gerade hier liegt eine große Herausforderung für die Weiterbildung. Doch man muss sich fragen, ob dazu die Bundesagentur für Arbeit die richtige Adresse ist. Sie hat nur noch die Hälfte der „Kunden“ gegenüber Anfang des Jahrtausends, aber beschäftigt immer noch fast die gleiche Anzahl an Mitarbeitern. Ende 2016 waren es 96.800 Vollzeitkräfte und sie verwaltete einen Etat von über 35 Milliarden Euro. Wer über die Effizienz des Staates nachdenkt, muss hier ansetzen. Denn bereits vor 15 Jahren war die Nürnberger Behörde ein fast unmanövrierbarer Tanker. Unter dem langjährigen BA-Chef Frank-Jürgen Weise, der bis Ende 2017 Vorstandsvorsitzender der Behörde war, hat sich die ehemalige Bundesanstalt für Arbeit unbestritten weiterentwickelt. Dennoch herrscht Reformbedarf. Die Qualifizierung und Weiterbildung ist keine staatliche Aufgabe, sondern eine privatwirtschaftliche. Dazu bedarf es Freiräume für Unternehmen und Marktteilnehmer.

Denn neben dem Beschäftigungswunder gibt es eine gravierende Veränderung des Arbeitsmarktes. Insbesondere der Drang zur Selbstständigkeit hält an. Neue Beschäftigungsformen, wie die der Clickworker, die über Portale Aufträge akquirieren, kommen zunehmend in Mode. In Deutschland, so berichtet die FAZ, arbeiten inzwischen eine halbe Million in diesem Sektor. DGB-Bundesvorstand Annelie Buntenbach, die auch Vorsitzende des BA-Verwaltungsrates ist, hat jetzt verlangt, dass Portale wie Myhammer Sozialabgaben für diejenigen bezahlen sollen, die auf ihrer Plattform Aufträge entgegennehmen. Sie gehörten in den „Schutz der Sozialversicherungen“. Ob die Selbstständigen dies wollen, mag man bezweifeln. Die allermeisten habe ihre Selbstständigkeit ja freiwillig gewählt.

Die Nachfrage von Handwerksunternehmen nach ausgebildeten Gesellen ist besonders hoch. Daher haben die Selbstständigen, die Portale nutzen, um Aufträge zu gewinnen, ihr Geschäftsfeld selbst gesucht und gewählt. Der Gesetzgeber hat gutgetan, bislang die Einbeziehung von Selbständigen in die Sozialversicherungen nur sehr behutsam zu veranlassen. Die Freiheit der Selbständigkeit beinhaltete historisch auch die Freiheit, seinen Krankenversicherungsschutz frei zu wählen oder auch seine Altersvorsorge. Wer diese Freiheit einschränken will, schafft Markteintrittshürden für Existenzgründer und verhindert so die Flexibilität in einer Marktwirtschaft. Das schadet allen. Nicht nur den Existenzgründern selbst, sondern auch den Kunden. Sie müssen in einem engeren Markt mehr für die angeforderte Dienstleistung bezahlen. Dem Millionär mag das egal sein, dem Arbeiter jedoch nicht. Er muss für eine eingekaufte Dienstleistung einen höheren Anteil seines Nettogehalts aufwenden. Er bezahlt also die Regulierungswut des Staates. Dabei profitiert der klassische Arbeitnehmer mit geringen oder durchschnittlichen Einkünften besonders von innovativen Konzepten wie Myhammer und anderen.

Erstmalig kann er ohne aufwändige Ausschreibung Aufträge vergeben und so qualitative oder preisliche Bewertungen vornehmen. Der Dienstleistungsmarkt wird so für viele Privatkunden transparenter und erschwinglich. Mehr Marktwirtschaft hilft daher dem kleinen Mann, er ist dann wirklich als Kunde König.

Photo: StefanRohrbach from Flickr (CC BY 2.0)

Von Claus Vogt, Börsenbrief „Krisensicher investieren“.

Der Bundesrechnungshof hat vor einigen Monaten einen Bericht veröffentlicht, in dem er sich intensiv mit der finanziellen Dimension der Energiewende auseinandersetzt. In dem Bericht kritisieren die Finanzkontrolleure insbesondere, dass die Bundesregierung keinen Überblick über die finanziellen Auswirkungen der Energiewende habe. Auch würden bei der Umsetzung der Energiewende die Ziele Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit nicht gleichrangig mit den klimapolitischen Zielen behandelt.

Fragen der Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit spielen auch in den derzeitigen Verhandlungen zur Regierungsbildung nach der Bundestagswahl vom September 2017 keine Rolle. Da fragt man sich als interessierter Zeitgenosse schon, auf welcher Faktenbasis die zukünftigen Koalitionäre über weitere Verschärfungen der Energiewende verhandeln und dadurch der Gesellschaft zusätzliche Belastungen auferlegen wollen.

Als Energiewende bezeichnet die Bundesregierung den Übergang von der Nutzung fossiler Energieträger wie Erdöl, Kohle und Erdgas sowie der Kernenergie zu einer nachhaltigen Energieversorgung durch erneuerbare Energien. Die Energiewende soll dazu beitragen, die angestrebten Klimaschutzziele zu erreichen. Der Begriff „erneuerbare Energien“ ist streng genommen nicht korrekt, denn Energie lässt sich nach dem Energieerhaltungssatz der Physik weder vernichten noch erschaffen, sondern lediglich in verschiedene Formen überführen. Die Bezeichnung hat sich jedoch allgemein durchgesetzt und auch Eingang in die Gesetzessprache gefunden.

Eine Gesamtkoordinierung findet nicht statt

Innerhalb der Bundesregierung ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) für die Gesamtkoordinierung der Energiewende zuständig. Das BMWi versteht die Energiewende als gesamtstaatliche Aufgabe und spricht in diesem Zusammenhang davon, dass durch seine Koordinierung Reibungsverluste verhindert und eine „Energiepolitik aus einer Hand“ ermöglicht werde. Die Feststellungen des Rechnungshofs zeigen allerdings, dass das BMWi bislang seine Rolle als Gesamtkoordinator nicht ausfüllt. Vielfach fanden weder innerhalb des BMWi noch mit anderen Bundesministerien koordinierende Absprachen statt. Beispielsweise wurden Fördermittel von verschiedenen Ressorts für ähnlich Programme zur Verfügung gestellt. Weiterhin hat der Bundesrechnungshof die mangelhafte Abstimmung zwischen Bund und Ländern bei der Umsetzung der Energiewende bemängelt.

Der Bund hat keinen Überblick über die Kosten der Energiewende

Angesichts der mangelnden Koordination verwundert es nicht, dass das BMWi keine belastbaren Zahlen über die finanzielle Dimension der Energiewende vorlegen konnte. Elementare Fragen wie zum Beispiel, was die Energiewende den Staat kostet bzw. kosten sollte, konnten nicht beantwortet werden. Für den Bundesbereich musste der Rechnungshof die entsprechenden Informationen bei den in Frage kommenden Bundesministerien erfragen. Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende finanziert der Bund aus dem Bundeshaushalt und aus dem Energie- und Klimafonds. Die entsprechenden Ausgaben lagen im Jahr 2011 bei 2 Milliarden Euro, im Jahr 2016 waren es bereits 4 Milliarden Euro. Der Rechnungshof hat gefordert, dass der Bund sich an zentraler Stelle einen umfassenden Überblick über die finanziellen Auswirkungen der Energiewende verschaffen müsse. Nur dann könne eine fundierte Entscheidung über Ausbau und Grenzen der Energiewende getroffen werden.

Bürger und Unternehmen werden mit hohen Milliardenbeträgen belastet

Viel gewichtiger als die Ausgaben der öffentlichen Haushalte für die Energiewende sind die Lasten, welche auf die Bürger und Unternehmen in diesem Zusammenhang zukommen. Insbesondere die von den Stromverbrauchern zu tragenden Aufschläge und Umlagen erreichen eine gewaltige finanzielle Dimension. Die von den Stromverbrauchern zu zahlenden Gesamtausgaben für die verschiedenen Aufschläge und Umlagen beliefen sich im Jahr 2016 auf schätzungsweise 24 Milliarden Euro. Darüber hinaus müssen die Bürger und Unternehmen die Energiewende aufgrund von gesetzlichen oder sonstigen Regelungen mitfinanzieren. Ein Beispiel hierfür ist die Energieeinsparverordnung, welche die Investitionsausgaben bei Gebäuden deutlich erhöht. Die energetisch relevanten Kosten bei Investitionen in den Gebäudebestand wurden vor einigen Jahren auf über 50 Milliarden Euro geschätzt.

Der Rechnungshof fordert Transparenz über die Kosten der Energiewende

Der Rechnungshof hat zu diesem Thema ausgeführt, dass der Bund Transparenz über die Auswirkungen der Energiewende auf Bürger und Unternehmen durch staatliche Maßnahmen wie Steuern, Abgaben, Umlagen usw. schaffen müsse. Das gleiche gelte für Regelungen wie beispielsweise das Gesetz über den Ausbau erneuerbarer Energien oder die Energieeinsparverordnung. Nur aufgrund einer ausreichend datenbasierten und umfassenden Grundlage sei eine Diskussion über die Weiterentwicklung der Energiewende möglich. Eine Entscheidung über Ausbau und Grenzen der Energiewende könne nur getroffen werden, wenn der Staat wisse, wie viel die Energiewende den Staat und die Verbraucher von Energie koste.

Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit müssten stärker berücksichtigt werden

Weiterhin geht der Rechnungshof auch auf die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung ein. Die Ziele Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit (sogenanntes „energiepolitisches Dreieck“) stehen für die Bundesregierung gleichrangig nebeneinander. Der Bundesrechnungshof führt dazu aus, dass bei der Energiewende die Ziele Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit nicht gleichrangig mit den umweltpolitischen Zielsetzungen berücksichtigt würden. Es bestehe eine Dominanz der Umweltverträglichkeit. Der Rechnungshof fordert, dass die Ziele Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit genauso konkretisiert und quantifiziert werden müssten wie die bereits ausreichend quantifizierten umweltpolitischen Ziele. Dabei sollten Obergrenzen für die Kosten der Energiewende aufgezeigt werden. Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit müssten als begrenzende Faktoren für die Weiterentwicklung der Energiewende wahrgenommen werden.

Neue Lasten werden auf die Bürger zukommen

Goldene Worte, die der zur Objektivität verpflichtete Rechnungshof der Politik da ins Stammbuch geschrieben hat. Die äußerst vernünftigen Forderungen der Finanzkontrolleure werden aber vermutlich bei der Politik kein Gehör finden. Hierfür spricht, dass klimapolitische Ziele in den bisherigen Verhandlungsrunden zur Bildung einer tragfähigen Regierungskoalition nach der Bundestagswahl einen hohen Stellenwert hatten, während Aspekte der Versorgungssicherheit bzw. Bezahlbarkeit nicht im Vordergrund standen. An diesem Vorrang für den Klimaschutz dürfte sich auch bei weiteren Koalitionsverhandlungen nichts ändern. Vor diesem Hintergrund steht zu befürchten, dass die Politik uns Bürgern weitere finanzielle Lasten zur Durchsetzung ihrer klimapolitischen Ziele auferlegen wird.

Photo: mike goehler from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Von Frederik C. Roeder, Ökonom und Direktor des Consumer Choice Centers.

In der Vergangenheit war der Berufsstand Apotheker in der Bundesrepublik so gut geschützt wie der Adler auf dem Bundeswappen. Doch in letzter Zeit scheint die Apothekerlobby den Bogen überspannt zu haben. Im vergangenen Jahr zeigten die Liberalen, dass sich auch der Apothekerstand Wettbewerb und Wandel stellen müssen. Nun sorgen Signale aus einem Bundesministerium für weiteren Zündstoff.

Ein bisher unveröffentlichtes Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums kommt zum Schluss, dass die staatlich festgesetzten Honorare für deutsche Apotheker zu hoch sind. Die Gutachter schreiben von einer Überfinanzierung, die sich auf circa 20% des jährlichen Apothekerhonorars oder 1,1 Milliarden Euro beläuft.

Die Studie geht auch auf wirtschaftliche Probleme von Apotheken im ländlichen Raum ein und stellt fest, dass diesen nicht durch ein Verbot des Versandhandels von verschreibungspflichtigen Medikamenten geholfen ist. Das Argument der Apothekervereinigung ABDA, der Versandhandel schade der Versorgung im ländlichen Raum ist damit unhaltbar.

Das Festhalten an einem sehr limitierten Versandhandel hat auch negative Auswirkungen für Verbraucher. Die gut-organisierte Apothekerschaft ruht sich auf Kosten der Allgemeinheit aus.

Für Patienten stellt der Status Quo des deutschen Apothekenwesens große Probleme beim Zugang zu Medikamenten dar. Während in anderen Bereichen mit Knopfdruck Lebensmittel und andere Waren bestellt werden können, erfordert der anachronistisch regulierte Medikamentenversand die Einsendung eines Papierrezepts im Voraus. Es ist also fast umständlicher als direkt zur Apotheke zu gehen. Für chronisch Kranke ist dies eine Zumutung: Informationstechnologien erlauben schon lange elektronische Rezepte, in fortschrittlichen Staaten wie Estland ist das Papierrezept 25 Jahre nach Unabhängigkeit von der Sowjetunion Geschichte, Verschlüsselung auf der Blockchain macht das elektronische Rezept sicherer als Papier.

Innovationshemmnis Apotheke: Eine alternde und multimorbide Bevölkerung stellt die Gesundheitsversorgung in Deutschland auf ganz neue Herausforderungen. Technologietrends wie Internet of Things können bei der Erhebung von Medikamentenvorräten und Einnahmecompliance helfen. Vorbehalte gegenüber der Datensicherheit und Manipulationsanfaelligkeit des elektronischen Rezepts können durch kluge Anwendungen von Kryptographie auf der Blockchain entkräftet werden.

Nichtsdestotrotz werden solche Innovationen von unserer Apothekerlobby mit allen Mitteln aufgehalten. Zu groß ist die Angst, dass sich Patienten zunehmend für Versandapotheken entscheiden würden und man sich die angenehmen Vergütungsbudgets mit neuen Wettbewerbern teilen müsse.

Doch selbst erfolgreiche „stationäre“ Apotheker werden in ihrem Erfolg dadurch gebremst, dass antiquierte Vorschriften existieren, wie das Verbot mehr als maximal vier Apotheken zu betreiben oder das Fremdbesitzverbot das Investitionen durch berufsfremde Kapitalgeber verhindert.

Eine Liberalisierung der Abgabe von vielen verschreibungsfreien Medikamentenwürde Verbrauchern erlauben Kopfschmerztabletten und ähnliche Präparate im Supermarkt zu erwerben. Viele westliche Staaten erlauben dies schon seit Jahrzehnten. Die Preise für solche Medikamente in liberalisierten Märkten sind deutlich niedriger, der Zugang für Patienten komfortabler und die Patientensicherheit ist weiter gegeben. Meldungen von Falschdosierungen oder erhöhtem Konsum aus den Niederlanden oder Dänemark blieben aus.

Die aktuelle Studie des Bundeswirtschaftsministeriums ist ein weiterer Beweis dafür, dass Patienten bei der aktuellen Apothekenpolitik den Kürzeren ziehen. Die Nutzung von neuen Technologien, das Aufbrechen mittelalterlicher Gildenstrukturen und ein Ende der Sonderbehandlung von Apothekern würden ungeahnte Potenziale in der Patientenversorgung und Wahlfreiheit von Verbrauchern erlauben. Die Zeichen der Zeit stehen gut, dass Verbraucher endlich aus der Geiselhaft der Apothekerlobby gelassen werden und dringend notwendiger Wandel in der Medikamentenversorgung passieren kann. Der Ball ist bei der nächsten Bundesregierung diese Chance zu nutzen.

Photo: Free-Photos from Pixabay (CC0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Die gesetzliche Mietpreisbremse funktioniert nicht. Das liegt nicht an den Vermietern. Tatsächlich sind es die Mieter, die auf die gesetzlich festgelegte Deckelung der Mietsteigerung freiwillig verzichten. Dafür haben sie gute Gründe.

Am 1. Juni 2015 beschloss die Bundesregierung das „Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten“, kurz: die Mietpreisbremse. Die Preisregulierung besagt, dass die Miete für eine Wohnung bei Abschluss eines neuen Mietvertrags um maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen kann. Erklärtes Ziel der Mietpreisbremse ist es, den Mietanstieg in Ballungsräumen abzumildern. Ein Jahr nach Einführung mehren sich die Hinweise darauf, dass die Mietpreisbremse ihre erklärten Ziele verfehlt und den Mietanstieg in den Ballungsräumen nicht abmildert.

Mieter sind kaum bereit, niedrigere Mieten einzuklagen – aus gutem Grund: Angesichts starker Konkurrenz um knappe Mietwohnungen ist die Mietzahlungsbereitschaft ihr wichtigstes Verhandlungsinstrument. Verbraucherschutzminister Heiko Maas fordert nun eine strengere Anwendung des Gesetzes. Sinnvoller wäre es, die Mietpreisbremse wieder abzuschaffen und den Neubau von Wohnungen zu erleichtern.

Steigende Mieten in Ballungsräumen

In vielen deutschen Großstädten steigen die Mieten seit Jahren überdurchschnittlich, was vor allem auf den verstärkten Zuzug in Ballungsräume zurückzuführen ist. Berlin (Anstieg der Durchschnittsmiete von 2014 bis 2016 um 12%), München (27%) und Stuttgart (62%) gehören zu den Wohnungsmärkten Deutschlands, auf denen die Mieten in letzter Zeit deutlich gestiegen sind.

 

Die Mietpreisbremse ermöglicht es den Bundesländern nun auf Basis von Indikatoren wie vergangener Mietsteigerungen und der Bevölkerungsentwicklung einzelne Postleitzahl-Bezirke zu „angespannten Wohnungsmärkten“ zu erklären. In diesen Gebieten darf die Miete einer Wohnung, die bereits vor dem 1. Oktober 2014 bewohnt und vermietet wurde, bei Abschluss eines neuen Mietvertrags maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Bisher haben elf Länder von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Für Neubauten, Renovierungen und Modernisierungen gelten Ausnahmen.

Anfängliche Euphorie verflogen

Mietervereine meldeten kurz nach Einführung der Mietpreisbremse Erfolge in Form von geringeren Mietsteigerungen. Die regierende SPD sprach von einem „Volltreffer“. Das IW Köln und Interessengruppen aus der Bauwirtschaft warnten zwar vor möglichen negativen Folgen in Form von geringerer Bautätigkeit und sinkendem Wohnungsangebot, vermuteten aber ebenfalls eine starke Wirkung des Gesetzes auf dem Mietmarkt. Rund ein Jahr nach Einführung ist die anfängliche Euphorie der einen Seite jedoch verflogen und die Befürchtungen der anderen Seite bleiben unbestätigt, denn neuere Studien bewerten die Mietpreisbremse als weitgehend wirkungslos.

Untersuchungen der Mietangebote in Großstädten legen nahe, dass der durch die Mietpreisbremse vorgegeben Korridor in vielen Großstädten weiterhin übertreten wird. Exemplarisch zeigen drei durch den Berliner Mieterverein in Auftrag gegebene Studien, dass die Angebotsmieten in der Hauptstadt ein Jahr nach Einführung die durch die Mietpreisbremse vorgegeben Kappung um 21 Prozentpunkte übertreffen, die Angebote also nicht durchschnittlich 10 % über der ortsüblichen Vergleichmiete liegen, sondern 31 %. Auch in anderen Großstädten wird der vorgegebene Mietkorridor überschritten. Die erwünschte Preisanstiegsdämpfung wurde offensichtlich in vielen Großstädten nicht erreicht.

Gesetz bleibt wirkungslos

Auch angesichts dieser Ergebnisse wäre es jedoch vorstellbar, dass die Mieten ohne die Preisbremse noch stärker gestiegen wären – was aus Sicht der Regulierer zumindest einem Teilerfolg des Gesetzes gleichkommen würde. Um den kausalen Effekt der Preisbremse auf die Mietentwicklung zu ermitteln, ist es daher nötig, zu schätzen, wie sich die Mieten in betroffenen Gebieten entwickelt hätten, wenn die Preisbremse nicht eingeführt worden wäre. Zu diesem Zwecke bietet es sich beispielsweise an, die Mietentwicklung in regulierten Bezirken mit der Mietentwicklung in benachbarten unregulierten Bezirken zu vergleichen.

Eine entsprechende Studie des DIW legt nahe, dass die Preisbremse zwar kurz vor Einführung zusätzliche Mieterhöhungen bewirkte– offenbar haben Vermieter in Antizipation der Gesetzeseinführung ohnehin angestrebte Mieterhöhung vorgezogen. Langfristig hat die Preisregulierung jedoch keine Auswirkungen auf die Mietentwicklung. Auch die Preise für bereits bestehendes Wohneigentum, in denen sich die erwarteten Erträge zukünftiger Vermietung widerspiegeln, sind kaum betroffen. Die Bautätigkeit wurde durch das Gesetz nicht wesentlich beeinflusst.

Marktakteure umgehen Regulierung

Die Wirkungslosigkeit der Mietpreisbremse ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass viele Mieter und Vermieter die Preisregulierung ignorieren. Vermieter müssen so beim Verstoß gegen die Mietkappung in der Regel keine Sanktionen befürchten. Die Einhaltung des zehnprozentigen Korridors wird derzeit nicht durch Behörden kontrolliert, sondern muss durch betroffene Mieter eingeklagt werden. Zu solchen Klagen sind offensichtlich nur wenige Mieter bereit, vermutlich auch, weil es wenig attraktiv erscheint, einen gerade erst gewonnen Vertragspartner zu verklagen.

Verbraucherschutzminister Heiko Maas sieht daher den Staat in der Pflicht. Zukünftig sollen Vermieter verpflichtet werden, die Entwicklung des Mietpreises eines Objekts in Annoncen anzugeben. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Information Rückschlüsse auf die Vereinbarkeit eines Mietangebots mit der Mietpreisbremse erlauben soll – um dies zu beurteilen, müsste beispielsweise ein örtlicher Mietspiegel herangezogen werden. Doch hinter dem Vorschlag steckt die Vorstellung, dass Mieter schlecht informiert wären und ihre Rechte aus Unwissen nicht wahrnähmen.

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die meisten Mieter in Ballungsräumen angesichts der Konkurrenz um knappe Mietwohnungen nicht bereit sind, auf ihren wichtigsten Verhandlungshebel, die Miethöhe, zu verzichten. Denn anders als Maas behauptet, bestimmen die Vermieter auf dem Mietmarkt nicht alleine über die Miethöhe. Sie ergibt sich selbstverständlich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Die hohen Mietsprünge verdeutlichen, dass viele Mieter bereit sind, für eine Wohnung in aus ihrer Sicht attraktiven Vierteln höhere Mieten zu zahlen.

Mietangebot ausweiten

Eine tatsächlich wirkende Mietkappung würde diesen Mietern nicht nur ihren wichtigsten Verhandlungshebel nehmen und bewirken, dass tendenziell weniger Wohnungen an die Mieter mit der höchsten Zahlungsbereitschaft vermietet werden. Langfristig würden sinkende Renditeerwartungen der Investoren zu geringerer Bau- und Renovierungstätigkeit und verstärkter Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen führen, für die keine Kappung des Verkaufspreises besteht. Die Verhandlungsposition der Mieter gegenüber den Vermietern würde so nur weiter geschwächt.

Will der Verbraucherschutzminister die Position der Mieter tatsächlich stärken, so sollte er sich für die Deregulierung der Bauvorschriften einsetzen, die beispielsweise im Zuge der Energieverordnung zuletzt gar verschärft wurden. Auch die verstärkte Ausweisung von Bauland – wo möglich – könnte die Bautätigkeit anregen und Mietern mehr Optionen geben.

Erstmals veröffentlicht bei IREF.

Photo: Alice12 from Pixabay (CC0)

Wenn die SPD jetzt bei der Koalitionsbildung in Berlin von ihrem kategorischen „Nein“ zu einem „Ja, aber“ übergeht, dann ist das im Wesentlichen machtpolitisch begründet. Das ist legitim. Legitim ist es auch, die Latte möglichst hoch zu legen. Schon einmal, 2013 hat sie dies getan. Der damalige Parteivorsitzende Sigmar Gabriel drohte während der Koalitionsverhandlungen andauernd mit der Renitenz seiner Basis, die am Ende dem Koalitionsvertrag ihren Segen geben musste. So konnte die SPD nicht nur den gesetzlichen Mindestlohn, sondern auch die Rente mit 63 und das Tarifeinheitsgesetz durchsetzen. Für sozialdemokratisches Klientel war das schon eine Menge. Gedankt hat es der Wähler der Sozialdemokratie am Ende dennoch nicht.

Jetzt gehen die Sozialdemokraten unter Martin Schulz oder vielleicht auch seinem Nachfolger den gleichen Weg, wahrscheinlich nur energischer. Dieses Mal steht die Bürgerversicherung im Zentrum sozialdemokratischer Verhandlungskunst. Rein machttaktisch stehen die Aktien für die SPD nicht so schlecht. Angela Merkel ist nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen noch stärker unter Druck. Sie muss zeitnah eine Regierungsbildung zustande bekommen, sonst läuft sie Gefahr, Teil des Generationswechsel in der Union zu werden.

Doch Taktik ist nicht alles. Es kommt auch darauf an, ob die Themen sich eignen, das Land und, in den Augen des sozialdemokratischen Parteivorsitzenden, auch die Sozialdemokratie nach vorne zu bringen.

Der Chefstratege der SPD, Karl Lauterbach, bringt als Knackpunkt möglicher Verhandlungen die Durchsetzung der Bürgerversicherung ein. Die SPD will das duale System von privater und gesetzlicher Krankenversicherung durch eine gesetzliche Einheitsversicherung ersetzen. Das deutsche Krankenversicherungswesen ist international ein Unikum. Erlaubt es doch nur bestimmten Personengruppen einen Eintritt in das private Krankenversicherungsystems. Der Gesetzgeber eröffnet lediglich Selbstständigen, Beamten und Gutverdienern gewisse Freiheiten, alle anderen sind zwangsversichert. Die, die die Freiheiten haben, können sich freiwillig gesetzlich versichern oder einen Tarif bei einer privaten Krankenversicherung wählen. Bis vor einigen Jahren war es sogar möglich, sich gar nicht zu versichern. Das hatte durchaus seine Berechtigung. Warum sollte ein Millionär sich auch privat krankenversichern müssen? Die Kosten, die er möglicherweise bei einem Krankenhausaufenthalt verursacht, werden ihn nicht in seiner finanziellen Existenz gefährden. Doch gerade dafür ist ja eine Versicherung in ihrem Ursprung da. Sie soll existentielle Risiken absichern, die man selbst nicht absehen kann. In diesem Fall soll die Versichertengemeinschaft einspringen.

Die Sozialdemokratie argumentiert, dass es ungerecht sei, dass Gutverdiener die Solidargemeinschaft verlassen können, und damit nicht zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung beitragen. Wären alle gezwungen, Mitglied der AOK zu werden, dann könnten die Beiträge gesenkt und vielleicht sogar die Leistungen verbessert werden. Wahrscheinlich würde beides langfristig nicht eintreten. Wenn die Beitragseinnahmen und der Beitragssatz, wie in der gesetzlichen Krankenversicherung, ausschließlich am Faktor Arbeit hängen, dann ist dieses Umlagesystem in erster Linie sehr konjunkturabhängig und prozyklisch, das heißt, die Beiträge steigen bei schlechter Konjunktur und hoher Arbeitslosigkeit. Das Umlagesystem der gesetzlichen Krankenversicherung verschärft die mangelnde Wettbewerbssituation in der Rezession. Aber nicht nur das: die Demographie schlägt unerbittlich zu. Nicht heute, aber morgen und erst recht übermorgen. Wenn die gesetzliche Krankenversicherung immer mehr Rentner immer länger versichern muss und immer weniger Erwerbstätige mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil zum gesamten Beitragsaufkommen beitragen, dann kommt das System insgesamt schnell in eine Schieflage. Da nützt es nicht, wenn man in den Trichter oben mehr potentielle Versicherte hineinschmeißt, denn auch diese werden älter.

Doch auch die privaten Krankenversicherungen haben ein Problem. Ihr Anwartschaftsdeckungsverfahren, legt einen Teil der Beiträge in jungen Jahren zurück und legt es verzinslich an, um die Beiträge der Altersgruppe und der Versicherung insgesamt stabil zu halten. Schon heute gelingt das den privaten Krankenversicherungen nur sehr bedingt. Das Leistungsversprechen bis zum Lebensende, die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen und die Niedrigzinsen an den Kapitalmärkten machen ihnen das Leben schwer. Auf alle drei Faktoren haben die privaten Krankenversicherungen faktisch keinen Einfluss. Sie können es nur über mehr Effizienz im Unternehmen und über steigende Beiträge auffangen. Die Niedrigzinsen, die wesentlich durch die Geldpolitik der EZB verursacht sind, sind das eigentliche Damoklesschwert für die Privaten. Zwei Drittel ihrer Kapitalanlagen sind in Zinspapieren angelegt. Ändert sich an der Zinspolitik der EZB mittelbar nichts, dann werden nicht nur viele Lebensversicherungen in Deutschland das nicht überleben, sondern auch viele Krankenversicherer.

Kommt in dieser Phase noch die SPD mit ihren Vorschlägen, dann darf man nicht erwarten, dass die privaten Krankenversicherung einfach in die gesetzlichen Versicherungen überführt werden, sondern sie werden ausgehungert. Denn die SPD weiß auch, dass die Kapitalanlagen der privaten Krankenversicherungen von 250 Milliarden Euro dem Eigentumsschutz des Grundgesetzes unterliegen. Stattdessen wird sie subtiler vorgehen. Sie kann die Jahresarbeitsentgeltgrenze raufsetzen. Sie bestimmt, ab wann ein Angestellter sich privat versichern darf. Derzeit liegt sie bei 57.600 Euro im Jahr. Je höher sie ist, desto länger dauert es für einen Angestellten, das System zu wechseln. Sie ist eine Markteintrittsbarriere für Millionen Arbeitnehmer in Deutschland. Private Krankenversicherer sind darauf angewiesen, neue Mitglieder zu gewinnen, um ihren Verwaltungsapparat dauerhaft zu finanzieren. Wird dieser Pfad gekappt, leiden die übrigen Versicherten, da die Verwaltungskosten auf die immer kleiner werdende Versichertengruppe verteilt werden muss.

Die SPD wird argumentieren, das beträfe eh nur die Reichen. Von den 8,77 Millionen Vollversicherten in der PKV sind jedoch alleine 2,1 Millionen Beamte mit ihren Familien in einem Beihilfetarif versichert. Würde man die Beihilfe für Beamte abschaffen und sie ebenfalls nur für bestehende Versicherte aufrechterhalten, würden diese Tarife ebenfalls austrocknen. Massive Beitragssteigerungen für die Restversicherten wären die Folge. Ebenso sieht es bei den 1,4 Millionen Selbstständigen und ihren Familien aus. Beide Gruppen, Beamte und Selbstständige, gehören nicht zwingend zu den Gutverdienern. Sie gehören aber zur Mitte der Gesellschaft, die ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und dem Sozialstaat nicht zur Last fallen. Sie kommen teilweise auch aus „kleinen“ Verhältnissen und haben einen bescheidenen Wohlstand erreicht. Früher war das auch die Zielgruppe der Sozialdemokratie.

Die SPD unter Gerhard Schröder war deshalb erfolgreich, weil es ihr gelungen ist, in diese Mitte des Wählerspektrums vorzustoßen. Gerhard Schröder verkörperte höchstselbst den gesellschaftlichen Aufstieg vom armen Jungen aus Lippe zum Bundeskanzler. Er nahm Anfang der 2000er Jahre Anleihe bei New Labour in Großbritannien, die unter Tony Blair eine moderne Sozialdemokratie verkörperten, die den gesellschaftlichen Aufstieg zugelassen und gefördert hat.

Martin Schulz war 2017 deshalb nicht erfolgreich, weil er nur von sozialer Gerechtigkeit sprach, ohne die Mitte anzusprechen. Ihm ging es nur um Mindestlöhne, Renten und soziale Umverteilung. Das gehört sicherlich zum Repertoire eines Sozialdemokraten. Doch für eine Verbreiterung des Wählerspektrums reicht das nicht. Sollte die SPD mit der Durchsetzung der Bürgerversicherung Erfolg haben, dann wäre ihr der Weg in die Mitte weiter versperrt und die mögliche neue Koalition aus Union und SPD würde so enden wie die alte aufgehört hat – als Desaster für die Sozialdemokratie.

Erstmals erschienen in Tichys Einblick.