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Photo: RuckSackKruemel from Flickr (CC BY 2.0)

Von Frederic C. Roeder, Unternehmer, Vice President Finance & Operations der Students for Liberty

Deutsches Recht schreibt eine Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente vor. Für den Laien erklärt heißt das, dass ein Apotheker nicht entscheiden kann, wieviel er seinem Patienten für ein Medikament in Rechnung stellen möchte. Er darf das Medikament weder günstiger noch teurer anbieten, als es der vorgeschriebene Preis diktiert. Somit kann ein besonders effizient wirtschaftender Apotheker seine Kostenvorteile zum Beispiel nicht an ständig wiederkehrende chronisch kranke Patienten weitergeben. Ferner darf er Stammkunden keine Rabatte auf verschreibungspflichtige Medikamente geben. Daher gibt es dann in natura eine Packung Taschentücher oder Süßes für die Kleinen.

In vielen europäischen Ländern sind Rabatte auf solche Medikamente jedoch erlaubt. Dies ist zum Beispiel in den Niederlanden der Fall. Im Oktober 2016 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass das Rabattverbot gegen europäisches Recht verstoße und rief die Bundesregierung auf, dieses (jedenfalls für ausländische Versandapotheken) zu kippen.

Dies klingt vorerst nach einem Gewinn für Patienten in Deutschland. Apotheken würden zum ersten Mal in einem Preiswettbewerb stehen, und dies könnte nach Jahren von Kostensteigerungen endlich zu günstigeren Medikamentenpreisen führen. Wie bei Supermarkt, Tankstelle oder Lebensversicherung könnten Patienten Preise vergleichen und das attraktivere Gesamtpaket wählen.

Wer sich zu diesem Zeitpunkt schon auf mehr Wettbewerb, Wahlfreiheit und günstigere Medikamentenpreise freute, hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Nur kurz nach Urteilsverkündung meldete sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe zu Wort. Gröhe wolle alles in seiner Macht Stehende tun, um die ‘flächendeckende Versorgung durch ortsnahe Apotheken zu sichern’. In einem generellen Verbot von Versandapotheken sähe er ein probates Mittel, diese Versorgung sicherzustellen.

In einer Umfrage, die in den nächsten Tagen veröffentlicht wird, zeigt sich, dass Menschen, die im ländlichen Raum leben, signifikant häufiger bei Versandapotheken einkaufen als die urbane Bevölkerung. Dies trifft sicherlich nicht nur für Medikamente zu, sondern für viele andere Notwendigkeiten des Alltags auch. Wer in dünn besiedelten Gegenden lebt, profitiert besonders von elektronischer Kommunikation und Onlineshopping. Vier von fünf Befragten stimmen der Aussage zu, dass Versandapotheken die Versorgung außerhalb von Ballungszentren verbessern.

Herr Gröhe gehört anscheinend den 20 Prozent der Bevölkerung an, die dieser These nicht zustimmen. In einem Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums zum Verbot des Versandhandels ist zu lesen

“Während Versandapotheken mit Sitz im EU-Ausland auf dem deutschen Endverbrauchermarkt für verschreibungspflichtige Arzneimittel nach dem Urteil des EuGH frei in ihrer Preisgestaltung sind, trifft dies auf inländische Apotheken nicht zu. Der einheitliche Apothekenabgabepreis gilt weiterhin für inländische öffentliche Apotheken. Gegenüber ausländischen Versandapotheken ist dies eine Inländerdiskriminierung.”

Der Gesundheitsminister sieht dies aber nicht als triftigen Grund, diese Inländerdiskriminierung durch eine Liberalisierung der Preisbindung einfach und patientenfreundlich zu beseitigen, sondern möchte das Problem des Wettbewerbs lieber durch ein generelles Verbot des Versandhandels lösen. In dem Entwurf ist ferner zu lesen:

“Das Ziel des Gesetzes ist es, die bestehende flächendeckende, wohnortnahe und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, insbesondere auch im akuten Krankheitsfall, weiterhin zu gewährleisten.”

Wenn Herr Gröhe sich christdemokratischer Logik bedienen würde, sollte er sich vielleicht einmal den Beschluss zur Stärkung des ländlichen Raumes des 29. Parteitags seiner Partei anschauen. In deren Beschlusslage ist zu lesen, dass gleiche Lebensverhältnisse zwischen Ballungsgebieten und ländlichem Raum nur mit Hilfe von Digitalisierung und technischem Fortschritt in allen Lebensverhältnissen beibehalten werden können.

Dieser Logik folgend sollte sich das Bundesgesundheitsministerium und die Bundesregierung nicht für ein Verbot, sondern einen Ausbau des Versandhandels aussprechen, und auch heimischen Apotheken erlauben, Patienten sowohl stationär als auch im Versand Rabatte anbieten zu dürfen. Digitalisierung bringt besonders im ländlichen Raum mehr Vielfalt und Wahlfreiheit für den Verbraucher. In unserem schönen Nachbarland, den Niederlanden haben sich sowohl der Versandhandel als auch Rabatte für Patienten durchgesetzt. Es gibt zwar weniger Apotheken pro Einwohner, dies scheint sich aber bei gleicher Lebenserwartung wie in Deutschland nicht auf die Gesundheit der Bürger negativ auszuwirken. Es wirkt sich allerdings positiv auf deren Gelbeutel aus.

Eine Preisliberalisierung bei rezeptpflichtigen Medikamenten würde Kosten im Gesundheitssystem senken und für einen dringend benötigten Digitalisierungsschwung im Gesundheitswesen sorgen.

Photo: kees torn from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Viele, die den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl anders vorhergesagt haben, bemühten sich nach der Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten um Relativierung. So schlimm werde es sicherlich nicht kommen, Senat und Repräsentantenhaus würden Trump schon einhegen. Im Wahlkampf würde viel gefordert und erzählt, nachher sei man bestimmt realistischer. Die wenigen Tage Trumps im Amt lassen ganz anderes vermuten. Er macht, was er sagt. Das ist in der Politik schon einmal viel wert. Man erinnert sich noch vage an den Bundestagswahlkampf 2005, als Kanzlerkandidatin Angela Merkel eine Mehrwertsteuererhöhung von maximal zwei Prozentpunkten ankündigte und sie anschließend drei Prozent mit dem Koalitionspartner SPD, der eigentlich gar keine Erhöhung wollte, beschloss.

Vieles wird hierzulande auch übertrieben dargestellt. So ist sein Bekenntnis zu „America first“ kein Paradigmenwechsel. Im Zuge der Finanzkrise 2007/2008 verschärfte die Obama-Administration 2009 die bereits bestehende „Buy American“-Klausel für das öffentliche Beschaffungswesen. Solange das Angebot des amerikanischen Anbieters nicht 25 Prozent teurer als ein vergleichbares Wettbewerbsangebot ist, muss der amerikanische Anbieter den Zuschlag erhalten. Dieses industriepolitische Vorgehen für die heimische Industrie ist auch nicht auf Amerika beschränkt. Frankreich verband seine Hilfe für die Automobilindustrie in dieser Zeit mit der Forderung, dass keine Werke in Frankreich geschlossen werden dürften.

Doch nur, weil man im Wahlkampf die Wahrheit gesagt hat, heißt das noch lange nicht, dass das, was gesagt wurde, zu begrüßen ist. Es zeigt nur, dass Geschichte sich zuweilen auch wiederholen kann. In der Weltwirtschaftskrise in den 1920er und -30er Jahren veranlasste die amerikanische Politik, ähnlich zu reagieren wie heute. Nach einem Konjunktureinbruch 1924 ermöglichte die amerikanische Notenbank eine massive Kreditausweitung der Banken, die zu einer Blase an den Finanzmärkten führte, die dann 1929 im Börsencrash ihren Höhepunkt fand. Anschließend senkte die Fed die Notenbankzinsen auf ein historisch niedriges Niveau von zuletzt zwei Prozent und kaufte massiv US-Staatsanleihen auf. Innerhalb eines Jahres stieg deren Bilanz um 350 Prozent. Die Regierung Hoover und das Parlament reagierten mit dem Schutz der heimischen Industrie vor ausländischen Wettbewerbern. Es war das Ende des Freihandels auf der Welt. Der Smoot-Hawley Tariff Act im Juni 1930 führt für über 20 000 Artikel Schutzzölle ein, auf die die betroffenen Staaten mit Gegenmaßnahmen reagierten. Das bereits wiedereinsetzende Wachstum brach jäh zusammen. Der Welthandel schrumpfte. 1938 lag dessen Volumen um 60 Prozent unter dem Wert von 1929.

So weit sind wir noch nicht. Aber die Gefahr besteht wieder. Nach dem letzten Börsencrash 2008 liegt der US-Notenbankzins unter ein Prozent. Die Fed-Bilanz hat sich seitdem um 350 Prozent erhöht und Donald Trump präferiert „Amerika first“. Er will als Macher dastehen wie Herbert Hoover und noch mehr Franklin D. Roosevelt. Bald täglich verkündet er, dass dieses oder jenes Unternehmen seine Standortverlagerung ins Ausland zurückgenommen hat und in den USA investieren will. Für alle anderen droht er mit Schutzzöllen. Er suggeriert damit, er könne Strukturprobleme durch politischen Druck auf die Unternehmen beseitigen. Das wird auf Dauer nicht funktionieren. Angenommen, er würde so jeden Tag ein anderes Unternehmen dazu zu bringen, dass tausend Jobs im eigenen Land erhalten bleiben, dann wären es im Jahr dennoch weniger als 400 000. Bei einer arbeitsfähigen Bevölkerung von fast 250 Millionen wären dies 0,16 Prozent und damit nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wie sollte man auf diese Politik als deutsche Regierung reagieren? Sollte man, wie 1930 weltweit geschehen, ebenfalls mit Schutzzöllen für amerikanische Waren antworten? Nein, es würde wahrscheinlich ebenso enden wie im letzten Jahrhundert. Der Handelskrieg damals trug auch zum handfesten Krieg wenige Jahre später bei. Auf Schutzzölle darf nicht mit Schutzzöllen reagiert werden, sondern mit deren einseitigem Abbau im eigenen Land. Wer für das eigene Land auf die internationale Arbeitsteilung verzichtet, schädigt sich selbst, weil er sich abkapselt. Wir sollten auf einen drohenden Handelskrieg deshalb mit einem Handelspazifismus antworten, denn Freihandel schafft nicht nur Wohlstand, sondern ist friedensstiftend.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 28. Januar 2017.

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Viele unterstellen der Marktwirtschaft, sie sei inhärent unmoralisch, ihr ginge jede Moral ab. In ihr würde es nur um Gewinnstreben zu Lasten der Umwelt, der Arbeitsplätze oder der Gesundheit gehen. Deshalb brauche es eine höhere Instanz, die (moralische) Standards für alle festlegt. Das ist eine der häufigsten Begründungen für den „Primat der Politik“ und die politische Intervention der Regierung und des Parlaments. Ihre moralischen Maßstäbe sollen von allen akzeptiert werden. Diese moralische Überlegenheit führt leicht zur Überheblichkeit über andere – über Bürger im eigenen Land, aber auch in anderen Ländern.

Die Bundeskanzlerin hat vor der Industrie- und Handelskammer Köln einen Einblick in ihr moralisches Weltbild gegeben. Zwar sprach sie sich in ihrer Rede im Allgemeinen für ein „Konzept der Offenheit“, ein „Prinzip des Sich-Auseinandersetzens mit den Wettbewerbern“ aus, doch im Konkreten sieht sie ihre Rolle und die Rolle des Staates ganz anders.

Für sie ist die Europäische Union kein offenes Konzept, sondern ein abgeschotteter Raum. Wer Waren in diesen Wirtschaftsraum liefern will, muss auch die Personenfreizügigkeit im eigenen Land akzeptieren. Es gilt das Prinzip: alles oder nichts. Ihre große Sorge ist, “wenn sich plötzlich herausstellt, dass man den vollständigen Zugang zum EU-Binnenmarkt auch bekommen kann, wenn man sich nur bestimmte Dinge aussucht, dann wird der Binnenmarkt, …, als solcher sehr schnell in Gefahr geraten, weil sich jedes Land dann seine Rosinen herauspickt.“ Warum sollte ein Markt in Gefahr geraten, weil Unternehmen ungehindert Waren dorthin liefern können? Andersherum wird ein Schuh daraus. Abgeschottete Märkte verlieren die Akzeptanz der Bürger, weil diese nicht alle Waren und Dienstleistungen erhalten oder nur zu einem erhöhten Preis.

Angela Merkel macht letztlich einen ähnlichen Fehler wie Donald Trump. Es tun sich Parallelen auf zu Trumps Verständnis von Wirtschaftspolitik: Er unterstellt den Autoherstellern in Japan und Deutschland auch Rosinenpicken. Wer einfach den US-Markt mit Produkten beliefern will, ohne dass er in den USA Arbeitsplätze schafft, soll bald Strafzölle bezahlen müssen. Mit nichts Anderem droht die EU und indirekt jetzt auch Angela Merkel den Briten. Sie sollen einen Strafzoll, die EU nennt diesen „Beitrag zur Finanzierung des Binnenmarktes“, bezahlen müssen, damit die britischen Unternehmen Zugang zum EU-Binnenmarkt bekommen. Das erinnert einen an die Willkürabgaben der niedergehenden Ostblockstaaten, die an der eigenen Grenze von jedem Einreisenden eine „Infrastrukturabgabe“ verlangten, deren Sinn schon damals als ein reines Abkassieren empfunden wurde.

Merkel beklagt in ihrer Kölner Rede auch, dass es in der Vergangenheit bei der Aushandlung von Freihandelsabkommen zu häufig nur um den Abbau von Zöllen ging. Sie habe es als Umweltministerin bedauert, dass zu wenig darauf geschaut wurde, „ob auch in anderen Ländern nachhaltige Landwirtschaft betrieben wird“. Sie spricht sich dafür aus, dass sich die Regierung mit Gewerkschaften, Unternehmern und Nicht-Regierungsorganisationen über nicht-tarifäre Handelshemmnisse im Bereich Soziales, Verbraucherschutz und Umweltschutz besser abstimmen müsse. Konkret sagte die Kanzlerin: „Wenn hochentwickelte Länder wie die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada und wir in Europa gemeinsame Standards entwickeln, wird es der Rest der Welt schwer haben, unter diesen Standards zu bleiben.“

Das ist eine sehr gefährliche Sichtweise. Wenn man diesen Gedanken Merkels zu Ende denkt, dann wird bald Bedingung für den Zugang zum EU-Binnenmarkt sein, dass die Mindestlöhne der EU auch in China bezahlt werden müssen. Und dann werden demnächst die Luftreinhaltungsstandards der EU auch in Indien oder Afrika gelten müssen, damit deren Unternehmen Waren nach Europa liefern dürfen. Entwicklungsländer würden dann dauerhaft von einem wirtschaftlichen Aufstieg abgeschnitten. Diese Handelshemmnisse würde Afrika und andere Regionen dieser Welt in ihrem Entwicklungsstand konservieren. Deren gerade beginnender Aufschwung würde abrupt beendet. Soviel zur Moral …

In der Kölner Rede Merkels kommt ein Mangel an Verständnis der Marktwirtschaft zum Ausdruck. Dabei ist die Marktwirtschaft als Ordnungsprinzip bestechend. Sie lässt es nicht zu, dass moralische Maßstäbe von anderen festgelegt werden als vom Konsumenten selbst. Der Konsument entscheidet in einer Marktwirtschaft, welche individuellen Präferenzen er wie gewichtet und welche Anforderungen er an ein Produkt oder eine Dienstleistung stellt. Für den einen ist es wichtig, dass Bekleidung in China nach bestimmten Umweltstandards und Arbeitsbedingungen hergestellt wird. Für den anderen ist es vielleicht entscheidend, dass die Ware im eigenen Land hergestellt wird. Wiederum einem anderen ist die Herkunft völlig egal, weil er sich nicht mehr leisten kann. Kaufentscheidungen und deren Gründe sind immer individuell. Ihnen mit staatlicher Zwangsgewalt einen moralischen Überbau zu geben, seien es Arbeitsplätze in den USA oder die dauerhafte Existenz der EU, ist mindestens gefährlich, wenn nicht sogar brandgefährlich, weil das zwangsläufig zu Gegenreaktionen führt, die sich immer weiter hochschaukeln. Dieser Protektionismus ist die moderne Form des Imperialismus. Der Unterschied ist lediglich, dass er im Gewand der – höheren – Moral daherkommt.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Robyn Edge from Flickr (CC BY 2.0)

Von Maximilian Wirth, Ökonom, arbeitet in Washington D.C. im Bereich Handelspolitik und internationale Entwicklung.

Die Schlagzeilen im letzten Jahr waren schockierend: Terror von Berlin bis Bangkok, der Syrienkrieg, Flüchtlinge, die im Mittelmeer ertrinken, und die weiterhin ungelöste Eurokrise. Die zunehmende gesellschaftliche Polarisierung und erstarkende Populisten auf der ganzen Welt kommen somit wenig überraschend. Viele waren dementsprechend froh, 2016 endlich hinter sich zu lassen. Und dennoch: 2016 war das beste Jahr in der Menschheitsgeschichte.

Wir sind reicher als jemals zuvor. Einkommen steigen und Waren werden zunehmend erschwinglich. Anfang des 19. Jahrhunderts musste der durchschnittliche Arbeiter noch 6 Stunden arbeiten, um das Sesamöl zu kaufen, welches er für eine Stunde Leselicht benötigte. Die Kerosinlampe senkte diese Kosten bis 1880 auf 15 Minuten Arbeit pro Stunde Licht. Heute wird weniger als eine halbe Sekunde Arbeitszeit benötigt, um eine Stunde zu lesen.

Armut sinkt auf der ganzen Welt. Der Anteil der Weltbevölkerung, die von weniger als 1,90 US$ pro Tag leben muss, ist seit 1980 von 40 auf 10 Prozent gesunken. Das Ende der absoluten Armut ist somit kein Traum mehr, sondern könnte noch zu unseren Lebzeiten Wirklichkeit werden.

Dieser Fortschritt wird möglich durch Innovation: Leute erzielen höhere Einkommen, weil Maschinen ihre Arbeit unterstützen und somit die Produktivität steigern. Wir leben länger und gesünder, weil Krankheiten, die in der Vergangenheit den sicheren Tod bedeutet hätten, heute durch Impfung verhindert oder einfach geheilt werden können. Milliarden Menschen, die einmal am Rande des Verhungerns gelebt haben, konnten sich selbst aus der Armut befreien, als vor allem asiatische Länder Teil der globalen Wirtschaft wurden.

Menschen haben die beeindruckende Fähigkeit, ihr Leben durch Innovationen zu verbessern und 2016 war da keine Ausnahme. Die Verbesserungen von Prothesen durch den Gebrauch von 3D-Druckern hätte man vor wenigen Jahren noch als Science Fiction bezeichnet. Inzwischen werden diese zunehmend zum Massenprodukt. Selbstfahrende Autos könnten unsere Gesellschaft so tiefgreifend verändern wie das Fahrzeug selbst vor hundert Jahren. Von künstlicher Intelligenz über die Sharing Economy bis zu Nano-Sensoren: die Liste der technologischen Verbesserungen letztes Jahr war so lang wie begeisternd.

Technischer Fortschritt und steigende Lebensstandards sollten allerdings nicht als selbstverständlich angesehen werden. Beides entsteht nur in einer Gesellschaft mit freiem Handel und gesicherten Eigentumsrechten. Eigentumsrechte erlauben dem Erfinder, einen Teil der Gewinne zu behalten, was ihn antreibt, ständig nach Verbesserungen zu streben. Profit und Verlust sind nötig, damit er weiß ob seine Eingebungen tatsächlich so genial sind wie er dachte. Nur wenn wir mit weit mehr Leuten als unseren direkten Nachbarn handeln können, haben wir die Möglichkeit, von den Ideen von Milliarden von Menschen anstatt nur einer Handvoll zu profitieren. Nur wenn Waren und Dienstleistungen Grenzen überqueren dürfen, können Soldaten zu Hause bleiben.

Freihandel und Kapitalismus haben unsere Welt zu einem besseren Ort gemacht. Aber sie ist weiterhin alles andere als perfekt. Bei aller Freude über die Verbesserungen sollte man die weiterhin bestehenden Probleme nicht aus den Augen verlieren. Ganze demographische Gruppen haben das Gefühl, in einer Gesellschaft zu leben, in der jeder außer ihnen seinen Lebensstandard erhöht. Vor allem wenn der Eindruck entsteht, dass einem Migranten den Job wegnehmen, oder dass der Arbeitslatz ins Ausland ausgelagert wurde, wirkt Globalisierung, der Motor unserer Wirtschaft, dann schnell wie eine Attacke auf Identität und Wohlstand. Besonders ältere Generationen wollen zudem ihre Kultur bewahren in einer Welt, die einem Wandel unterworfen ist, den sie so nie gewollt geschweige denn gewählt haben. Fast jeder ist besorgt wegen der Aggressionen innerhalb der Staaten und zwischen ihnen.  Und so steigt der Unmut über das politische „Establishment“ und die „Eliten“ aus Wirtschaft und Medien, welche unfähig scheinen, die Probleme zu adressieren.

Lösungen dafür werden dringend benötigt. Nur sollten wir uns bei der Suche danach immer die Prinzipien vor Augen halten,die unsere Gesellschaft groß gemacht haben.  Problemlösung darf nicht zur Panikmache verkommen. Globale Herausforderungen erfordern mehr internationale Kooperation, nicht weniger. Mit sinkender globaler Nachfrage sollte Handel, nicht Protektionismus auf der politischen Agenda stehen. Die Welt ist kein Nullsummenspiel. Wir können alle davon profitieren, enger zusammenzuarbeiten anstatt uns zu isolieren. Nur dann können diejenigen, die im Wandel zurückbleiben, angemessen unterstützt werden. Nur dann ist eine friedvolle Koexistenz mit unseren Mitmenschen auf Dauer möglich. Wenn diese Prinzipien bedacht werden, dann kann auch 2017 das beste Jahr in der Menschheitsgeschichte werden.

Photo: Myfuture.com from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Von Dr. Titus Gebel, Unternehmer, Mitgründer der Deutschen Rohstoff AG, Gründer der Initiative „Free Private Cities„.

Die Bürger in Deutschland sollen Elektroautos kaufen, nicht mehr rauchen, weniger Fleisch essen, sich Zuwanderern anpassen, die richtigen Parteien wählen, Heterosexualität als soziales Konstrukt begreifen, sie sollen Angst vor Klima, Atom und Fracking haben, keinesfalls aber vor Islamisierung und Masseneinwanderung, gegen Rassismus und Sexismus sein, ausgenommen dieser richtet sich gegen alte weiße Männer. Sie sollen sich pünktlich bei der örtlichen Einwohnerbehörde melden, keine Waffen besitzen, ihre Kinder zu kapitalismuskritischen, ökologisch korrekten Genderwesen erziehen lassen, energieeffizient bauen, fein säuberlich den Müll trennen und, zu guter Letzt, abweichende Meinungen ordnungsgemäß denunzieren.

Im Gegenzug erklären Regierungsmitglieder, es gäbe kein Grundrecht auf Sicherheit und man müsse das Zusammenleben täglich neu aushandeln. Orientalische Großclans beherrschen die kriminelle Szene in vielen Großstädten, selbst Intensivtäter werden nicht abgeschoben. Die Beeinflussung und Bedrohung von Zeugen, Polizisten, sogar von Richtern ist nichts Ungewöhnliches mehr. Einbruch, Diebstahl, Straßenraub, Körperverletzung, sexuelle Nötigung werden oft gar nicht mehr verfolgt bzw. die Ermittlungen gleich eingestellt oder mit Kleinstrafen auf Bewährung belegt. Der Gebrauch der Meinungsfreiheit wird als „Volksverhetzung“ dagegen immer öfter mit Haftstrafen über einem Jahr und ohne Bewährung geahndet. Selbst für das Nichtzahlen von Fernsehgebühren sollen Menschen eingesperrt werden. Und wehe, einer begleicht seine Steuern nicht.

Weitreichende Entscheidungen, wie der Ausstieg aus der Kernenergie, die Haftung für Schulden anderer EU-Staaten, die bedingungslose Öffnung der Grenzen für Zuwanderer, werden ohne Beteiligung des Parlaments und entgegen der bestehenden Rechtslage von der Regierung einfach verfügt. Dem Fiskus nachteilige Gerichtsurteile werden per „Nichtanwendungserlass“ ausgehebelt. Die vormoderne, absolutistische Lehre des Islam soll jetzt zu Deutschland gehören, daher gelten gesetzliche Verbote von Vielehen, von Kinderehen, von Körperverletzung (Beschneidung Minderjähriger) oder von Tierquälerei (betäubungsloses Schächten) faktisch nicht für die Anhänger dieser Lehre.

Dafür ist Deutschland heute weltweit in der Spitzengruppe der höchsten Steuer – und Abgabenquoten und der höchsten Stromkosten. Es hat eine Verschuldung von 2000 Milliarden Euro, aber das geringste private Haushaltsvermögen aller Euro-Länder, einen der prozentual geringsten Rentenansprüche innerhalb der EU und ist derzeit Schauplatz einer bewusst herbeigeführten Masseneinwanderung in die Sozialsysteme, deren Kosten sich nach Regierungsangaben auf 100 Milliarden EUR allein für die nächsten fünf Jahre belaufen werden.

Wie konnte es soweit kommen? Wenn wir diese Frage ernsthaft beantworten und Lösungsansätze finden möchten, müssen wir bereit sein, auch langjährige Überzeugungen infrage zu stellen. Denn ähnliche Entwicklungen sind auch in anderen westlichen Staaten zu beobachten. Bereits das spricht dagegen, dass es hier lediglich um personenbezogene Probleme geht, die mit Abwahl und Austausch der Regierung gelöst werden können.

Meine diesbezüglichen Erkenntnisse werden Ihnen vermutlich nicht gefallen. Sie könnten sogar mentale Schmerzen bereiten. Die gute Nachricht: auch wenn sie die ersten fünf Schlussfolgerungen ablehnen und nur den sechsten Schmerz annehmen, reicht das für eine Lösung.

Erster Schmerz: Es gibt kein objektives Gemeinwohl

Nun sind allenthalben im Westen politische Gegenbewegungen entstanden, die zumindest einige der genannten Fehlentwicklungen rückgängig machen wollen. Aber selbst, wenn dies tatsächlich geschieht und ein echter Politikwechsel herbeigeführt wird, stellt sich doch die Frage, ob dadurch nicht nur ein Bevormundungssystem durch das nächste ersetzt wird. Dazu ein eher banales, aber anschauliches Beispiel: vom Parteitag der AfD wurde berichtet, dass die Vorsitzende Petry sich damit durchsetzen konnte, Subventionen für die von ihr geschätzten städtischen Orchester ins Programm aufzunehmen, da diese ein bedeutendes Kulturgut darstellten. Das aber bedeutet nichts anderes, als dass 95 % der Menschen, die nie solche Konzerte besuchen, den anderen 5 % ihr Kulturvergnügen finanzieren müssen. Und zwar, weil Frau Petry das gut findet.

Damit kommen wir einem Grundproblem auf die Schliche, das auch dadurch nicht gelöst wird, dass demokratisch entschieden wird. Es beginnt mit scheinbar harmlosen Dingen wie den Kultursubventionen und endet damit, dass vorgeschrieben wird, was der Einzelne zu essen hat, welche Meinung er haben darf und wie er seine Kinder erziehen lassen muss.

Begründet wird das eine wie das andere mit Gerechtigkeits- und Gemeinwohlgedanken. Diese Begriffe suggerieren objektive Werte, die es aber so nicht gibt.

Denn die Menschen sind verschieden, haben verschiedene Wertvorstellungen und auch verschiedene Lebenssituationen. Was ist mit einem Rockmusiker, der mit seinen Kompositionen die zeitgenössische Musikkultur voran gebracht, aber den Zenit seiner Popularität überschritten hat? Warum sollten seine Konzerte nicht ebenso staatlich bezuschusst werden?

Oder: Ein staatlich verordneter Mindestlohn soll dem Wohl der Geringverdiener dienen, verursacht unter diesen aber eine höhere Arbeitslosigkeit. Entspricht dann nicht der Verzicht auf Mindestlöhne eher dem Gemeinwohl?

Oder: Die Kernenergie ist eine saubere und preiswerte Energieform. Entspricht es mithin nicht dem Gemeinwohl, die Kernenergie zuzulassen, anstelle diese aufgrund der Angst vor Unfällen zu verbieten?

Die Antwort hängt wie so oft vom Standpunkt des Betrachters ab. Allerdings ist das der Fall in sämtlichen Bereichen, in denen das sogenannte Gemeinwohl bemüht wird.

Erste schmerzhafte Erkenntnis: Ein objektivierbares Gemeinwohl oder objektive Gerechtigkeit gibt es nicht, wenn wir akzeptieren, dass wir in einer pluralistischen Gesellschaft leben und damit unterschiedliche Moralvorstellungen und Werte zulässig sind.

Zweiter Schmerz: Der Sozialstaat ist ein Irrweg

Der Sozialstaat gilt vielen als unverzichtbare Errungenschaft moderner Staaten. Er soll Lebensrisiken wie Hunger, Krankheit und Armut absichern und jedem ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen. Diese Ziele sind ehrenhaft und nicht zu beanstanden. Der Sozialstaat ist aber kein geeignetes Vehikel dazu. Er führt in den Ruin, entmündigt und verursacht unsoziales Verhalten. Im Ergebnis verschlimmert er die Zustände, die er bekämpfen will. Denn der Sozialstaat weist mehrere Konstruktionsfehler auf. Die wesentliche funktionelle Unzulänglichkeit ist dabei die systematische Setzung von Fehlanreizen. Sowohl die Politik, als auch die Verwaltung, als auch die Leistungsempfänger sehen sich massiven Anreizen ausgesetzt, das System zum eigenen Vorteil auszunutzen. Der Sozialstaat unterliegt damit ebenfalls der Tragik der Allmende.

Die im Sozialstaat allgegenwärtige Forderung gesellschaftlicher Gruppen nach Umverteilung steht darüber hinaus der Aufforderung zu einer Straftat gleich. Denn Umverteilung ist nur möglich, indem man Menschen die Früchte ihrer Arbeit wegnimmt. Die Folge sind nie endende Verteilungskämpfe, sozialer Unfriede und Missgunst. Es gibt keinen allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, der zwei Menschen erlaubt, einen Dritten zu enteignen. Auch persönliches Pech oder Unvermögen begründen nicht das Privileg, andere auszubeuten.

Verteidiger des Sozialstaats werden einwenden, dass „Solidarität“ und „soziale Gerechtigkeit“ anders nicht hergestellt werden könnten. Aber unter Androhung von Gewalt erzwungene Solidarität ist keine. „Soziale Gerechtigkeit“ ist ein undefinierbarer Kampfbegriff und hängt stets vom Standpunkt des Betrachters ab, siehe Erster Schmerz. Was qualifiziert einen Menschen, auf Kosten eines anderen zu leben und wer ist der Richter, der darüber befindet?

Zweite schmerzhafte Erkenntnis: Der Sozialstaat ist ein Irrweg. Es gibt kein Recht, auf Kosten Anderer zu leben. Ein wie auch immer legitimiertes System, welches per Gesetz Enteignungen zugunsten Dritter vorsieht, kann auf Dauer weder ein friedliches, noch ein berechenbares Miteinander schaffen.

Dritter Schmerz: Demokratie ist nicht das Ende der Geschichte

Demokratie gilt den meisten als nicht hinterfragbare, erstrebenswerte politische Ordnung. Aber bereits Aristoteles erkannte, dass Demokratien im Laufe der Zeit stets zu Despotien degenerieren. Wenn wir uns weiter entwickeln wollen, müssen wir also auch die Demokratie kritisch prüfen.

Das Grundproblem der Demokratie ist die Entkoppelung von Macht und Verantwortung. Das gilt für die parlamentarische wie die direkte Demokratie. Wer als demokratisch gewählter Amtsträger keinerlei Nachteil erleidet, wenn er verheerende Entscheidungen trifft, außer dass er – unter Beibehaltung aller Pensionsansprüche – abgewählt wird, hat keinen Anreiz, langfristig vernünftige Entscheidungen zu treffen. Er hat aber allen Anreiz, Wählerstimmen auf Kosten des Steuerzahlers zu kaufen.

Und jeder einzelne kann -ohne jegliche Haftung- per Volksabstimmung für eine dumme Idee votieren, die andere Milliarden kostet, auch die Menschen, die dagegen gestimmt haben.

Die negativen Auswirkungen dieser Entkoppelung von Macht und Verantwortung sind auch der Hauptgrund, warum es keine demokratisch geführten Unternehmen gibt. Es würde immer im Ruin enden. Warum?

Die Konditionierung des Menschen nach dem Minimalprinzip, das heißt dem Bestreben, möglichst viel zu erhalten für möglichst geringen Einsatz, ist einerseits evolutionär vernünftig. Sie hat dafür gesorgt, dass wir stets nach Hilfsmitteln und Methoden Ausschau gehalten haben, um mit weniger Anstrengung mehr Ertrag zu erhalten. Trifft diese Disposition nun auf politische Macht, ergibt sich in der Demokratie ein Problem: Die Politik kann aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols den Wählern Zuwendungen versprechen, welche diese scheinbar nichts kosten. Aus deren Sicht stellt sich dies vorteilhaft dar: keine Anstrengung, trotzdem Ertrag = gutes Geschäft. Darunter fallen nicht nur offensichtliche Wählerbestechungen wie die Gewährung von Kindergeld oder freier Heilfürsorge, demnächst das bedingungslose Grundeinkommen, sondern auch gesetzliche Regelungen, die eine Interessengruppe wünscht, z.B. das Verbot der Kündigung des Arbeitsplatzes.

Alle kurzfristigen Vorteile, Zeitgeistmoden, gegenleistungslose Versprechen und dergleichen „Gratis“- Angebote der Politik werden von der Mehrheit nachgefragt. Natürlich muss am Ende irgendjemand dafür bezahlen, aber eine der wichtigsten „Leistungen“ von Politik besteht gerade darin, solche Zusammenhänge zu verschleiern. In der Theorie kann man dieses Problem mittels Einsatzes der Vernunft und Überzeugungsarbeit bewältigen, in der Praxis ist das Minimalprinzip stärker. Politiker, die Leistungskürzungen befürworten, werden über kurz oder lang abgewählt.

Nach und nach finden immer mehr gesellschaftliche Gruppen heraus, wie man die Macht des Staates für eigene Zwecke einsetzt. Der Staat – nicht wirtschaftliche Aktivität- wird die Hauptquelle zur Erhöhung des Lebensstandards. Immer weniger Menschen sind im produktiven Sektor tätig. Verteilungskämpfe werden intensiver. Dem Staat geht schließlich das Geld aus. Die daraus resultierende Krise führt zu Radikalreformen oder gar Systemwechseln. Das Spiel beginnt von vorn.

In Deutschland sind es derzeit von 82 Millionen Einwohnern noch etwa 15 Millionen, welche echte Wertschöpfung betreiben, also nicht direkt oder indirekt vom Staat finanziert werden. Bei circa 60 Millionen Wahlberechtigten wird klar, dass diese Gruppe selbst dann, wenn sie geschlossen abstimmen würde, die Regierungsbildung nicht mehr entscheidend beeinflussen kann.

Dritte schmerzhafte Erkenntnis: Es kommt in der Demokratie immer zur Systemkrise, wenn der Staat sein Gewaltmonopol benutzt, um politische Ziele zu verfolgen, die über den Schutz von Leib, Leben und Eigentum seiner Bürger hinausgehen. Leider wird genau dieses Verhalten von der demokratischen Mehrheit nachgefragt.

Vierter Schmerz: Politik ist Teil des Problems

Das staatliche Gewaltmonopol schafft einen Ordnungsrahmen, innerhalb dessen der Mensch sozial interagieren und friedlich Leistungen und Güter tauschen kann. Das Bestehen von Sicherheit und festen Regeln macht es möglich, dass Menschen in großer Zahl mit- und nebeneinander leben können. Das funktioniert gut, soweit sich der Staat auf die Sicherung von Leib, Leben und Eigentum der Bürger beschränkt und sich im Übrigen heraushält.

Das ist keine neue Erkenntnis, sie findet sich bereits bei den Denkern John Locke, bei Wilhelm von Humboldt oder Ludwig von Mises. Oder auch bei Ludwig Erhardt, demzufolge die Probleme beginnen, wenn der Staat aufhört, Schiedsrichter zu sein und anfängt selber mitzuspielen. Freilich wird diese Erkenntnis regelmäßig missachtet, weil es so attraktiv ist, seine Probleme von der Politik lösen zu lassen.

Aber Politik bedeutet letztlich, seine Sicht der Welt allen anderen aufzuzwingen. Doch die Menschen sind verschieden. Was für den einen richtig ist kann für den anderen falsch sein. Subjektiv unterschiedliche Wertvorstellungen und objektiv andere Lebenssituationen bewirken, dass jede „politische Lösung“ von Sachverhalten Menschen zurücklässt, die gegen ihren Willen zu etwas gezwungen wurden. Politik zu treiben, heißt Partei zu ergreifen und die Wünsche einiger zum Maßstab für alle zu erheben, und zwar, das darf man nicht vergessen, notfalls mit Gewalt.

Das geht soweit, dass heutzutage Oppositionelle sogar gegen sie selbst gerichtete Propaganda in Medien, Schulen und Universitäten über Steuern und Zwangsabgaben mitfinanzieren müssen. Politik bedeutet immer, dass einige Bürger mit Hilfe des Staates Zwang auf andere Bürger ausüben. Wenn ein Staat aber anfängt, Politik zu machen, also Ziele zu verfolgen, die nicht von allen gebilligt werden, dann missbraucht er sein Gewaltmonopol, das ihm die Bürger eingeräumt haben, um in Frieden zu leben.

Vierte schmerzhafte Erkenntnis: Politik ist Teil des Problems, nicht der Lösung. Es reicht nicht, das Personal auszutauschen. Die einzige Abhilfe ist, die Politik umfassend zu entmachten.

Fünfter Schmerz: Die Soziale Marktwirtschaft ist gescheitert

Vertreter der Sozialen Marktwirtschaft gehen davon aus, dass der Staat im Grundsatz freie Märkte zulassen solle. Er solle aber in das Marktgeschehen eingreife, wann immer der Markt Ergebnisse hervorbringe, die „sozial unerwünscht“ seien. Was aber ist „sozial unerwünscht“? Das entscheidet natürlich die Regierung. Die Befürworter der Sozialen Marktwirtschaft geben also der Regierung einen Freifahrtschein, jegliche Ergebnisse des Marktes nach eigenem Gutdünken zu korrigieren. Denn wenn der Staat das Recht hat zu entscheiden, ob bestimmte wirtschaftliche Gegebenheiten einen Eingriff rechtfertigen oder nicht, dann ist über kurz oder lang kein Handlungsbereich mehr dem Marktgeschehen überlassen. Dann sind es nicht länger die Konsumenten, die bestimmen was produziert wird, in welcher Menge und welcher Qualität, von wem, wo und wie – sondern es ist der Staat. Nach einer gewissen Zeit unterscheidet sich eine „Soziale Marktwirtschaft“ kaum mehr von einer voll regulierten Planwirtschaft.

Bevor ein Produktionsbetrieb in Deutschland sich heute um die Kundenwünsche kümmern kann, muss er zunächst etwa 85.000 Einzelvorschriften in ca. 5.300 Gesetzes- und Verordnungstexten beachten. Nur was dem entspricht, darf produziert werden. Und auch wer und zu welchen Kriterien eingestellt werden darf, bestimmt zunehmend der Staat. Die Folgen sind dieselben wie in einer Planwirtschaft: Produkte werden teurer, schlechter und knapper. Denken Sie nur an das Gesundheitssystem, die Bildung oder die Strompreise.

Fünfte schmerzhafte Erkenntnis: Es gibt keinen dritten Weg zwischen Markt- und Planwirtschaft, auch nicht die Soziale Marktwirtschaft. Es gibt immer nur „Markt oder Befehl“ (Roland Baader).

Sechster Schmerz: Wir müssen Systeme zulassen, die uns nicht gefallen

Wenn es aber so unterschiedliche Wert- und Moralvorstellungen und unterschiedliche Lebenssituationen gibt, kann es dann ein für alle ideales Gemeinwesen überhaupt geben? Vermutlich nicht. Aber vielleicht ermöglichen politikfreie Gemeinwesen zumindest einer Vielzahl von Menschen, in Frieden und Freiheit nach ihren persönlichen Überzeugungen zu leben. Die anderen mögen autoritäre Systeme bevorzugen oder alles so lassen wie es ist.

Vernunft und Erfahrungswissen, wie die aufgeführten schmerzhaften Erkenntnisse, sind eine gute Basis für die Gestaltung eines Gemeinwesens. Aber am Ende zählen Versuch und Irrtum. Die Wirklichkeit ist zu komplex, um am Schreibtisch ein perfektes Produkt zu entwerfen. Doch die aktuellen Angebote sind unbefriedigend.

Was besser funktioniert können wir aber nur herausfinden, wenn wir Alternativen wie etwa Freie Privatstädte zulassen. Und zwar auf freiwilliger Basis. Denn auf eines sollten wir uns aufgrund der Erfahrungen mit den Menschenexperimenten der letzten 100 Jahre verständigen: Niemand soll in ein System gezwungen werden, das er nicht will. Aber was spricht dagegen, Versuche mit Freiwilligen zuzulassen, außer dass wir glauben, es besser zu wissen und andere bevormunden wollen?

Sechste schmerzhafte Erkenntnis: Es gibt vermutlich kein ideales Gemeinwesen, aber besser funktionierende Varianten können wir nur durch Versuch und Irrtum herausfinden. Dazu müssen wir freiwillige Alternativen zulassen, auch wenn diese dem widersprechen, was wir für gut und richtig halten.

Erstmals veröffentlicht beim Deutschen Arbeitgeber Verband.