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Photo: dedljiv from Flickr (CC BY 2.0)

Die OECD hat mit einem internationalen Vergleich der Steuer- und Abgabenbelastung aufhorchen lassen. Deutschland nimmt hinter Belgien einen Spitzenplatz im negativen Sinne ein. Ein alleinverdienender Durchschnittsverdiener musste 2016 eine Abgabenbelastung von 49,4 Prozentpunkten stemmen. Richtigerweise bezieht die OECD die Arbeitgeberbeiträge für die Sozialversicherungen in ihre Berechnungen mit ein. Sie sind letztlich dem Arbeitnehmer zuzurechnen und sind auch Lohnbestandteil. Die OECD-Studie wird hoffentlich eine überfällige Diskussion über die Entlastung der Bürger in Deutschland befördern.

An erster Stelle ist die Lohnabhängigkeit der Sozialversicherungensbeiträgen zu nennen. Bleibt man im System der Lohngebundenheit der Sozialversicherungsbeiträge, dann müssen die Potentiale in den Sozialversicherungssystemen selbst stärker genutzt werden. Dies geschieht leider nicht. Trotz Sonderkonjunktur durch die Niedrigzinspolitik der EZB betragen die Gesamtbeitragssätze der gesetzlichen Sozialversicherungen (Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung) 39,75 Prozentpunkte – das ist der höchsten Wert seit 2013. Rechnet man die gesetzliche Unfallversicherung hinzu, liegen die Sozialversicherungsbeiträge inzwischen bei deutlich mehr als 40 Prozentpunkte des Arbeitslohnes.

Dies alles vor dem Hintergrund, dass inzwischen fast 40 Millionen Menschen in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind – der höchste Wert seit der Deutschen Einheit. Die Einnahmen sprudeln wie noch nie und dennoch steigen die Beitragssätze. Hinzu kommt, dass die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt auch im nächsten Jahr wahrscheinlich so weitergehen wird. Die Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen 2018 mit einem weiteren Absinken der Arbeitslosenquote auf nur noch 5,4 Prozentpunkte. 2005 lag sie fast doppelt so hoch.

Inzwischen hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) über 11 Milliarden Euro Überschüsse in ihrer Kasse gehortet und dennoch wird der Beitragssatz von 3 Prozentpunkten nicht reduziert. Dabei wäre das Potential groß. Die Beschäftigtenzahl der BA beträgt fast 100.000 Vollzeitstellen und ist im Vergleich zur Hochzeit 2005 nur marginal gesunken. Jetzt will Andrea Nahles die BA noch stärker für den Weiterbildungsmarkt öffnen, damit zumindest das Beschäftigungsniveau der BA gehalten werden kann. Bezahlen müssen dies alle Arbeitnehmer im Lande. Auch für die Aufblähung der Rentenversicherung durch Mütterrenten und Rente mit 63 müssen alle Arbeitnehmer aufkommen.

In den anderen Sozialversicherungssystemen sieht es nicht viel besser aus. In der gesetzlichen Krankenversicherung gelingt es nicht, den Beitragssatz zu reduzieren, stattdessen steigen vielfach die Zusatzbeiträge. Der Grund ist im Wesentlichen die überbordende Planwirtschaft im Gesundheitswesen mit ihren Ineffizienzen. Selbst die gesetzliche Pflegeversicherung, die eigentlich als Teilkaskoversicherung ausgelegt war, wird zunehmend zu einem Vollkaskosystem ausgebaut. Die Folge dieser Entwicklung ist, dass der Beitragssatz inzwischen auf 2,35 Prozentpunkte angestiegen ist. Im deutschen Sozialversicherungssystem geht es immer nur um mehr Geld und mehr Leistungen im und für das System, das wie ein Schwarzes Loch alles ansaugt. Es gibt gar keine Diskussion darüber, ob bei Leistungsausweitungen auf der einen Seite auch Leistungseinschränkungen auf der anderen Seite notwendig sind.

Es wäre eigentlich höchste Zeit, eine Diskussion darüber zu führen, ob die Lohnabhängigkeit der gesetzlichen Sozialversicherungen nicht durch ein echtes Versicherungsprinzip abgelöst werden könnte. Warum soll die gesetzliche Unfallversicherung nicht durch ein privatwirtschaftliches Angebot sukzessive ersetzt werden? Warum soll die Private Krankenversicherung und die Private Pflegepflichtversicherung nicht für alle Arbeitnehmer geöffnet werden, statt nur für Selbstständige, Beamte und Gutverdiener? Warum kann der gesetzliche Rentenversicherungsbeitrag nicht um die derzeitigen Überschüsse reduziert und anschließend der Beitragssatz eingefroren werden? Verbunden mit der Abschaffung des Solidaritätszuschlags und einer Steuerreform, die ihren Namen verdient, hätten die Arbeitnehmer selbst die Möglichkeit, für das Alter vorzusorgen. Eine solche Steuerreform müsste Sparvorgänge für die Altersvorsorge, die Kinderausbildung und die eigengenutzte Immobilie viel flexibler und in viel größerem Umfang als bisher fördern, indem diese Sparvorgänge nachgelagert besteuern werden. Sie können also aus dem Brutto bespart werden und unterliegen erst im Entnahmezeitpunkt der Besteuerung.

Der Wohlstand eines Landes ist nicht in Stein gemeißelt, sondern die Basis für morgen wird heute gelegt. Wir können von den ersten wichtigen Reformen 2005 und ihrem durchschlagenden Erfolg lernen. Gerade in der jetzigen Situation können neue Wege eingeschlagen werden, ohne dass sie zu schmerzhaft werden. Echte, mutige und nachhaltige Reformen würden nicht nur jetzt zur Entlastung der Arbeitnehmer beitragen, sondern auch der Grund legen dafür, dass es den Arbeitnehmern hierzulande morgen und übermorgen besser geht.

 Photo: Vicky Hill from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Die weltweite Schuldenlast steigt und steigt. Das Institute of International Finance, ein Zusammenschluss internationaler Großbanken, hat für 2016 einen weltweiten Schuldenberg von 215 Billionen Dollar errechnet. Vor der jüngsten Finanzkrise 2006 betrug die Schuldenlast noch 144 Billionen Dollar. Weitere zehn Jahre zuvor lediglich 63 Billionen Dollar. Innerhalb von 20 Jahren haben sich die Schulden von Staaten, Banken, Unternehmen und privaten Haushalten um 152 Billionen Dollar erhöht. Eine gigantische Steigerung. Die Welt ist mit 325 Prozent zur Wirtschaftsleistung verschuldet. Betrachtet man nur die Staatsverschuldung, so liegen die Länder mit 89 Prozent zur Wirtschaftsleistung weit oberhalb des Maastricht-Kriteriums von 60 Prozent, das sich die EU-Staaten selbst auferlegt haben, aber natürlich auch nicht einhalten. Spitzenreiter unter den Industriestaaten ist Japan, das eine Staatsverschuldung von 227 Prozent vor sich herschleppt. Da ist Deutschland mit 68 Prozent fast schon ein Musterknabe.

Die Weltwirtschaft wächst zwar seit vielen Jahren über drei Prozent pro Jahr. Dennoch kann das Wirtschaftswachstum mit dem Wachstum der Schulden nicht mithalten. Immer mehr Kredite und damit Schulden müssen eingesetzt werden, um Wachstum zu generieren.

Um die steigende Schuldenlast finanzieren zu können, sind niedrige Zinsen zwingend notwendig. Würden die Zinsen wieder auf ein Niveau steigen, das nur zwei oder drei Prozentpunkte höher als derzeit läge, wären Insolvenzen von Unternehmen, Banken und auch Staaten die zwingende Folge. Sie könnten die Zinsbelastung der hohen Schuldenlast nicht mehr tragen. Daher werden alle wichtigen Notenbanken auf der Welt den Kreditfluss weiter lockern, indem sie die Zinssätze nach unten manipulieren. Den kurzfristigen Zins beeinflussen die Notenbanken über ihren Leitzins, zu dem Banken bei der Notenbank Kredit erhalten. Den langfristigen Zins beeinflussen die Notenbanken durch den Ankauf von Wertpapieren.

Die US-Notenbank und die EZB machen dies durch den Ankauf von Schuldpapieren, wie Staatsanleihen und Pfandbriefen. Die Japanische Notenbank geht diesen Weg schon länger und ist inzwischen sogar dazu übergegangen auch Aktien zu kaufen, um die Investitionsmöglichkeiten der Unternehmen zu verbessern.

Daher wird die vielbeschworene Zinswende in Amerika erst mal ausfallen. Sicher wird die US-Notenbank Fed ihren Leitzins etwas anheben, aber niemals in einem Umfang, den wir vor der Finanzkrise 2007/2008 kannten, als der Leitzins bei über fünf Prozent lag. Wir sitzen also alle in einem Boot, das erst ein kleines Loch hatte, das aber inzwischen zu einem beachtlichen Leck wurde. Immer mehr Wasser dringt in das Boot und alle Insassen versuchen mit ihren Händen das Wasser aus dem Boot zu schöpfen. Doch das Wasser im Boot steigt und steigt.

Solange das Vertrauen in die jeweilige Währung nicht erschüttert ist, kann der Schuldenberg auch noch eine gewisse Zeit weiter wachsen. Denn nicht alle finden die Entwicklung schlecht. Finanzminister Schäuble freut sich, weil er durch die Scheinkonjunktur historisch hohe Steuereinnahmen hat, seine Zinslast sich marginalisiert und er dennoch Wohltaten verteilen kann. Auch der Häuslebauer freut sich über die niedrigen Hypothekenzinsen. Und auch der Unternehmer, der kreditfinanziert investieren will, profitiert. Doch die andere Seite der Medaille ist, dass die Vernichtung des Zinses zu steigenden Vermögenspreisen für Aktien und Immobilien führt. Deren Eigentümer, also eher die Vermögenden, haben den Nutzen. Die Mieter oder auch diejenigen, die nicht in Vermögensgüter investieren können und wollen, sind die Verlierer. Sie bezahlen dies mit höheren Mieten und einer niedrigeren Verzinsung ihrer Lebensversicherungen.

Die Manipulation des Zinses durch die Notenbank, die letztlich eine staatliche Erfindung und Einrichtung ist, führt also zu wachsender Vermögensungleichheit. Sie ist also nicht eine Entwicklung der Marktwirtschaft, sondern der Staatswirtschaft. Das wäre an sich schon schlimm genug. Doch die Inflation der Vermögenspreise macht nicht dort halt. Auf absehbarer Zeit wird sie über die Mieten und die Lohnsteigerungen auch die Konsumgüterpreise erreichen. Dann ist die Inflation auf breiter Front da und Otto Normalbürger muss die Zeche auch hier bezahlen. Das ist das Szenario, das EZB-Präsident Mario Draghi unverblümt anstrebt, um den Schuldenberg über die Inflation zu reduzieren. Darauf sollten man sich einstellen.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 8. April 2017.

Photo: Dean Hochman from flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus.

Die Europäische Zentralbank hat das Ziel, in der Eurozone eine Inflationsrate von jährlich 2 % herbeizuführen. Obwohl sie dieses Ziel in den letzten Jahren deutlich nach unten verfehlte, überrascht es nicht, dass die nominellen Preise von Konsumgütern über die Zeit steigen. Allerdings misst die Inflationsrate den Preisanstieg eines repräsentativen Warenkorbs und die Preise der darin enthaltenen Güter und Dienstleistungen entwickelten sich über die vergangenen 25 Jahre sehr unterschiedlich.

So fiel beispielsweise der Preis der Nachrichtenübermittlung relativ zu den Preisen der übrigen Güter um etwa 60 %, während der relative Preis von Bildungsdienstleistungen um etwa 45 % stieg. Diese beiden Beispiele passen ins Muster. Tendenziell stiegen die relativen Preise in Branchen, die der Staat durch seine eigenständige Bereitstellung von Leistungen oder spezifische Regulierungen dominierte. Die relativen Preise fielen hingegen tendenziell in Branchen, in denen der Staat eher wenig Einfluss nahm oder seine Aktivitäten zurückbaute.

Ein Index, viele Preise und unterschiedliche Preisentwicklungen

Das Statistische Bundesamt berechnet regelmäßig, wie sich die Preise in Deutschland verändert haben. Der sogenannte Verbraucherpreisindex misst, wie sich die Preise für einen Warenkorb einer Vielzahl von Gütern und Dienstleistungen, die ein repräsentativer Verbraucher konsumiert, entwickeln.

Von 1992 bis 2016 stiegen in Deutschland die Preise für den vom Statistischen Bundesamt als repräsentativ identifizierten Warenkorb um ca. 45 %. Das entspricht einer durchschnittlichen Inflationsrate von etwa 1,6 %.

Allerdings entwickelten sich die Preise der in den Warenkorb aufgenommen Güter und Dienstleistungen bisweilen sehr unterschiedlich. Das Statistische Bundesamt gliedert den Warenkorb in zwölf Abteilungen und stellt Preisdaten für jede dieser Warengruppen bereit.

Verbraucherpreisindex_Preisentwicklung_verschiedene Güter__relative preise

Hier dargestellt sind die Preise für die zwölf Warengruppen relativ zur Entwicklung des Verbraucherpreisindex. Daraus wird ersichtlich, um wie viel teurer oder günstiger Warengruppen relativ zum gesamten Warenkorb über die Zeit wurden. So sind die Preise im Bildungswesen um etwa 45 % stärker gestiegen als die Preise im Durchschnitt über alle Warengruppen hinweg. Der relative Preis für alkoholische Getränke und Tabakwaren nahm um etwa 30 % zu.

Die Preise für die Nachrichtenübermittlung gingen hingegen relativ zum Preis für den repräsentativen Warenkorb um etwa 60 % zurück. Ebenfalls deutlich − um etwa 20 % − sank der relative Preis für „Freizeit, Unterhaltung und Kultur“. Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke sind im Zeitverlauf ebenfalls etwas günstiger geworden – um etwa 5 %.

 Weniger Staat, niedrigere relative Preise

Es zeichnet sich ein Muster ab: Relativ günstiger sind vor allem die Güter und Dienstleistungen geworden, deren Anbieter miteinander in intensivem Wettbewerb um die Gunst von Kunden stehen. Wettbewerb sorgt für fallende Preise und Qualitätssteigerungen. Relativ teurer geworden sind dagegen vorwiegend jene Güter und Dienstleistungen, deren Märkte durch staatliche Eingriffe geprägt sind – durch wettbewerbshemmende Regulierung, hohe Besteuerung oder die Bereitstellung der Leistungen durch den Staat selbst.

Beispiel Kommunikation

Nach dem relativen Preisrückgang für Nachrichtenübermittlungen seit 1992 um ca. 60 % ist es heute sogar nominell günstiger als je zuvor, mit anderen Menschen zu kommunizieren − auch auf sehr weite Entfernungen. Im Mobilfunksektor gibt es seit Jahrzehnten einen starken Wettbewerb um Kunden und durch ihn induzierte fallende Preise. Bahnbrechende Innovationen und stetige Qualitätsverbesserungen haben die Kommunikation mit anderen Menschen zudem deutlich vereinfacht. Das gute alte Fax wurde von der E-Mail abgelöst. Grüße aus dem Auslandssemester werden nicht mehr von der Bundespost zugestellt. Via Internet kann heute ein jeder mit seinen Nächsten skypen.

Beispiel Bildung

Anders als in der Telekommunikation ist der Einfluss des Staates auf die Bereitstellung der relativ deutlich teurer gewordenen Bildungsdienstleistungen allgegenwärtig. Bildungsangebote werden in Deutschland entweder staatlich bereitgestellt oder im hohen Maße vom Staat reguliert.

Insbesondere der relative Preis für Leistungen im tertiären Bildungsbereich (Universitäten, Fachhochschulen, Berufsakademien) stieg über die vergangenen 25 Jahre. Hier lag die Preissteigerung relativ zum Konsumentenpreisindex bei über 100%.

Politiker aller Parteien schreiben sich regelmäßig das Ziel besserer Bildung auf die Fahnen. Die Ausgaben für Bildung und Forschung im Verhältnis zu den Gesamtausgaben des Staates sind in den letzten Jahren jedoch relativ konstant geblieben. Hauptproblem scheinen nicht fehlende Investitionen in Bildung zu sein, sondern eine niedrige Qualität der Leistungen relativ zu den Kosten der bereitgestellten Bildung.

Die vermehrte Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen durch private Anbieter könnte dazu beitragen, die relativen Preise von Bildungsleistungen zu senken und die Qualität zu steigern. Eine Möglichkeit, privaten Anbietern den Marktzutritt zu erleichtern und damit für Schüler, Eltern und Studenten mehr Wahlmöglichkeiten auf den verschiedenen Bildungsmärkten zu schaffen, wäre die Einführung von Bildungsgutscheinen. Sie würden die Finanzierung von der Bereitstellung von Bildungsleistungen trennen. Finanziert würde der Konsum von Bildungsleistungen weiterhin aus Steuermitteln, aber der Staat würde die Leistungen nicht mehr notwendigerweise bereitstellen.

Auch Steuern beeinflussen Preise für Endverbraucher

Mangelnder Wettbewerb ist nicht der einzige Grund für steigende Preise. Steuern und Abgaben verteuern Kraftstoffe, obwohl es Hinweise darauf gibt, dass es auf den Märkten für Öl und Benzin der Wettbewerb intensiv ist.  Vom Preis  jeder morgendlichen Tasse Kaffee gehen rund 28% direkt an den Fiskus. So trägt der schwarze Kaffee zur schwarzen Null bei. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Strompreis. Maßgeblicher Preistreiber sind die steigenden Abgaben für Ökoenergie.

Auch bei Alkohol und Tabakwaren, deren relativer Preis seit 1992 um ca. 30 % stieg, fällt auf, dass es sich um Produkte handelt, die nicht nur stark reguliert, sondern auch hoch besteuert werden.

Wettbewerb zwischen Unternehmen schützt Konsumenten

Die in den letzten 25 Jahren bei jährlich durchschnittlich 1,6 % liegende Inflationsrate ist moderat, doch sie verdeckt, dass die Preise für einige Güter und Dienstleistungen im gleichen Zeitraum weitaus stärker gestiegen sind. Es ist kein Zufall, dass es sich dabei um Wirtschaftsbereiche handelt, in denen staatliche Eingriffe besonders stark ausgeprägt sind. Geringer fielen die Preisanstiege dagegen tendenziell für jene Güter und Dienstleistungen aus, die seit langem durch private Unternehmen bereitgestellt werden können oder – wie im Fall der Kommunikationsdienstleistungen – in jüngster Zeit dereguliert und privatisiert wurden.

Wettbewerbshemmende Regulierungen, Staatsbeteiligungen und Steuern mögen ausgewählten Interessengruppen nützen und bei Zeiten politischen Zielen dienen. Doch gesamtgesellschaftlich sind sie kostspielig. Werden neue Anbieter vom Markteintritt abgehalten, werden Ressourcen vergeudet, weil überlegene Produktionsmethoden nicht zum Einsatz kommen und die Einführung neuer Produkte verhindert wird. „Wettbewerb belebt das Geschäft“ – ein Blick auf die Verbraucherpreisdaten zeigt, dass der Volksmund dieses Mal Recht behält.

Erstmals erschienen bei IREF.

Photo: Marco Verch from Flickr (CC BY 2.0)

Werden das Roboter- und Computer-Zeitalter einen erheblichen Teil der Menschheit arbeitslos machen? Wohl kaum. Vielmehr können wir eine zunehmende Humanisierung der Arbeitswelt erwarten. Die Dienstleistungsgesellschaft kommt unserem Drang zu Austausch und Kooperation entgegen.

Innovation und Technik sind nicht die Ursachen der Rückschläge für die Menschheit

In regelmäßigen Abständen skandalisieren und dramatisieren Zeitungen, Magazine und Fernsehdokumentationen den Untergang der gewohnten Arbeitswelt, weil die Digitalisierung immer mehr Arbeitsplätze vernichte. Der österreichische Kanzler und der Präsidentschaftskandidat der Sozialisten in Frankreich forderten kürzlich eine Maschinensteuer. Diese Ausbrüche der Zukunftsangst sind nichts Neues. Es fällt einem nicht wirklich schwer, sich vorzustellen, wie vor Zehntausenden von Jahren die Lastenträger und Eseltreiber panisch auf die Einführung des Lastkarrens reagiert haben müssen. Schon der römische Kaiser Vespasian verbot den Gebrauch technischer Innovation, um den Arbeitern zu garantieren, dass sie auch weiterhin in ihren alten Berufen ihr Brot verdienen können. Durch die Menschheitsgeschichte haben Politiker immer wieder eingegriffen, um Innovation zu behindern oder zumindest zu verlangsamen: aus Angst vor Massenarbeitslosigkeit und vielleicht mitunter auch aus echter Sorge um die Arbeiter. Oft nahmen die Arbeiter, die sich durch Maschinen und Technologie bedroht fühlten, die Sache in die eigenen Hände. Insbesondere in der Zeit der Industriellen Revolution gab es regelmäßige Aufstände sogenannter Maschinenstürmer.

Auch wenn die herbei beschworenen apokalyptischen Szenarien wieder und wieder ausgeblieben sind, finden sich doch zu jeder Zeit Politiker und Wissenschaftler, die argumentieren, nun sei aber wirklich der Zeitpunkt erreicht, wo Maschine, Roboter oder Computer den Menschen ersetzen. Und natürlich finden diese Theorien auch immer dankbare Abnehmer bei den Amateur- und Profi-Pessimisten dieser Welt. Angst ist eben immer ein gutes Geschäftsmodell. Und Katastrophenszenarien geben einem auch noch das erhebende Gefühl, in einer ganz besonderen Zeit zu leben, die anders sei als alles, was die Menschheit bisher erlebt habe. Die enttäuschende Realität: so besonders ist man dann doch nicht und auch die Katastrophen bleiben aus. Die wirklichen Rückschläge für die Menschheit kommen nicht aus Innovation und Technik, sondern aus politischen Entscheidungen, die sich von Ressentiments und Angst ernähren.

Es gibt immer mehr entlohnte Arbeit

Auch die Zahlen sprechen deutlich gegen die Theorie, dass Arbeit durch technischen Fortschritt verschwindet. Trotz des zunehmenden Grades an Automatisierung und des Niedergangs vieler Produktionszweige steigt die Zahl der Menschen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen, in Deutschland und anderen vergleichbaren Ländern kontinuierlich an. Und das obwohl in den vergangenen Jahrzehnten auch noch immer mehr Frauen in den Arbeitsmarkt eingestiegen sind. 1882 hatte Deutschland 45,2 Millionen Einwohner und knapp 19 Millionen gingen einer Erwerbsarbeit nach (42,0 %). 25 Jahre später waren bei einer Bevölkerung von 62 Millionen bereits 28,1 Millionen in Lohn und Brot (45,5 %). Im Jahr 1991 gab es 38,7 Millionen Erwerbstätige bei einer Gesamtbevölkerung von 80,3 Millionen (48,2 %) und 25 Jahre später waren es 43,4 von 82,2 Millionen (52,8 %).

Der Anteil der Bevölkerung, der einer Arbeit nachgegangen ist, die zum eigenen Lebensunterhalt beigetragen hat, ist kontinuierlich gestiegen. Zwar gibt es heute weniger junge Menschen als vor 135 Jahren, aber auch das durchschnittliche Einstiegsalter in den Beruf ist konstant gestiegen, die Zahl der Über-65jährigen geradezu explodiert und der Anteil von berufstätigen Frauen an der weiblichen Gesamtbevölkerung in dieser Zeit von 24,4 auf 47,3 Prozent hochgegangen. Besonders spannend ist die Entwicklung der einzelnen Wirtschaftssektoren: Der primäre Sektor (also Landwirtschaft und Rohstoffproduktion) ist als Arbeitsplatz-Lieferant schlichtweg atomisiert worden. Der sekundäre Sektor (Industrie, Handwerk u. ä.) ist nach einem zwischenzeitlichen Aufstieg in der Hochphase der Industrialisierung auch im raschen Niedergang begriffen während der tertiäre Sektor (Dienstleistungen) beständig wächst – wohlgemerkt bei steigender Erwerbstätigenquote.

Erwerbstätige in den verschiedenen Wirtschaftssektoren

Erwerbstätige in den verschiedenen Wirtschaftssektoren

Es geht immer menschlicher zu am Arbeitsplatz

Welche Jobs gingen denn verloren durch die Industrialisierung und die Digitalisierung? Diejenigen, in denen man hart und lange arbeiten musste. Die Berufe, in denen man sich den Rücken krumm und die Lunge staubig geschuftet hat. Jene monotonen Aufgaben, bei denen menschliche Interaktion auf kurze Zurufe beschränkt war. Das Wachstum des tertiären Sektors hingegen bedeutet letztlich eine zunehmende Humanisierung der Arbeitswelt. Denn in der Dienstleistung sind Kooperation und Kommunikation gefragt. Es sind Berufe, in denen das Wichtigste ist, sich auf andere Menschen einzulassen: Verkäufer, Fahrerinnen, Pfleger, Beraterinnen oder Lehrer – all diese Menschen stehen in dauernden sozialen Kontakten. Wenn wir Menschen, wie es etwa die Philosophen der Schottischen Aufklärung häufig dargestellt haben, uns tatsächlich dadurch auszeichnen, dass wir auf Gemeinschaft ausgelegt sind, ist diese Form der Arbeit uns sehr viel angemessener als wenn wir alleine auf der Scholle oder am Fließband vor uns hin ackern.

Oft wird auch argumentiert, dass mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft Jobsicherheiten und gute, beständig ansteigende Bezahlung verschwinden würden. Tatsächlich ist der lebenslange Arbeitsplatz inzwischen wohl hauptsächlich ein Privileg von Beamten. Doch schon heute begreifen viele junge Menschen diese erhöhte Flexibilität als Chance. Sobald wir uns an die veränderten Umstände angepasst haben, bieten sich eben auch sehr viel mehr Möglichkeiten, unser Potential zu entfalten, als wenn wir unser Leben lang in einer Firma und in einem Bereich verharren. Und wenn über stagnierende oder sinkende Reallöhne geseufzt wird, kann man nicht oft genug daran erinnern, dass immer mehr und immer bessere Produkte zu immer günstigeren Preisen verfügbar sind. Während der Stahlarbeiter früher zwei Jahre auf die Urlaubswoche in Rimini sparen musste, kann heute die Kassiererin für den Lohn von fünf Arbeitstagen eine Woche Urlaub bestreiten.

Arbeiten, wo das häufigste Wort lautet: „Danke!“

Sicherlich wird der Transformationsprozess in der Arbeitswelt nicht ohne Verlierer vonstattengehen. Und natürlich hängt eine positive Entwicklung auch von anderen Faktoren ab – etwa davon, wie sehr die Politik im Stil von Kaiser Vespasian versucht, die Entwicklung der neuen Arbeitswelt durch Regulierungen, Verbote und Abgaben zu drosseln. Aber am Ende des Tages werden höchstwahrscheinlich alle besser dastehen. Die Entwicklung aufzuhalten, um die Privilegien von einigen zu schützen, geh jedoch fast immer zu Lasten von allen anderen. Wer den Verlierern helfen will, muss andere Wege finden als Interventionen durch eine Schutz- und Verbotspolitik, um zu vermeiden, dass dann andere Verlierer produziert werden.

Die Welt ist noch nie besser geworden durch die, welche die Vergangenheit schönreden und die Zukunft in düsteren Farben malen. Sie ist besser geworden durch diejenigen, die sich angepasst haben und nach Lösungen gesucht haben. Denjenigen, die von der guten alten Zeit träumen, muss man deutlich entgegenhalten: Wenn der Enkel des Kohlekumpels und der Näherin morgen sein Geld mit einer Halbtagsstelle bei einer Massage-Praxis, einigen Uber-Fahrten und einem Trödelmarkt-Stand verdient während seine Freundin in einem Catering-Unternehmen und als Stadtführerin arbeitet, dann ist das ein gewaltiger Fortschritt. Lebensqualität steigt nicht parallel zu Reallöhnen und ist auch nicht abhängig von der völligen Planbarkeit des eigenen Lebens. Lebensqualität hat auch viel zu tun mit sinkenden Preisen, höherer Produktvielfalt – und insbesondere mit einer Arbeitswelt, die uns Menschen nicht an den Rand der Erschöpfung bringt, sondern in jenes Umfeld, in dem das häufigste Wort lautet: „Danke!“

Am 20. März ist in der „Edition Prometheus“ beim FinanzBuch Verlag München das Buch „Wie wir wurden, was wir sind. Einführung in den Klassischen Liberalismus“ von Eamonn Butler erschienen.

Die Übersetzung des Buches „Classical Liberalism“ von Eamonn Butler erscheint unter dem deutschen Titel „Wie wir wurden, was wir sind“ und zur rechten Zeit. Denn der Klassische Liberalismus in Deutschland kann eine Selbstvergewisserung gut gebrauchen, ist er doch eine der Quellen dessen, wer wir sind. Eamonn Butler ist Gründer und Leiter des Londoner Adam Smith Institute, Englands führender Denkfabrik für Marktfreiheit und Klassischen Liberalismus. Sein Buch ist aus allgemeiner, doch angelsächsisch gefärbter Sicht verfasst, und das ist kein Nachteil.

Die Ursprünge des Klassischen Liberalismus liegen nämlich im Schottland des 18. Jahrhunderts. Die schottische Aufklärung brachte Persönlichkeiten wie Adam Smith, David Hume und Adam Ferguson hervor, deren Strahlkraft bis heute reicht. Ihre Schriften erreichten im 18. und 19. Jahrhundert auch Kontinentaleuropa und die deutschen Länder. Zur damaligen Zeit galten die klassisch Liberalen als politisch links, weil sie sich gegen die etablierten Autoritäten auflehnten. Sie kämpften für die Herrschaft des Rechts und gegen die Willkür der Obrigkeit.

Ihr entschiedenes Eintreten für den Freihandel sollte nicht den Reichen und Vermögenden zugutekommen, sondern Armut bekämpfen und Frieden stiften. Die Liberalen waren allesamt Marktwirtschaftler und kämpften für die Meinungsfreiheit. Der deutsche Sprachraum wurde ein Hort des Klassischen Liberalismus: Im 18. Jahrhundert waren seine bekanntesten Vertreter Immanuel Kant und Wilhelm von Humboldt, im 19. Jahrhundert John Prince-Smith, Eugen Richter und Hermann Schulze-Delitzsch. Jeder von ihnen stand für etwas, das heute noch Grundlage für eine liberale Gesellschaft ist.

John Prince-Smith machte die Freihandelsidee in Preußen populär. Er gründete Freihandelsvereine und saß im Preußischen Abgeordnetenhaus, später auch im Reichstag. Eugen Richter war der kompromisslose Kämpfer für die klassisch liberale Deutsche Fortschrittspartei im Kaiserreich. Als politischer Gegenspieler des Reichskanzlers Otto von Bismarck, ging er gleichzeitig mit den aufkommenden Sozialdemokraten hart ins Gericht. Er wandte sich vehement gegen die Sozialistengesetze Bismarcks auf der einen Seite, aber auch gegen die Einführung der gesetzlichen Sozialversicherung auf der anderen Seite. Hermann Schulze-Delitzsch war der entscheidende Begründer und Antreiber des Genossenschaftswesens in Deutschland – Hilfe zur Selbsthilfe für Gewerbetreibende, Handwerker und Landwirte, die keinen Zugang zu Krediten hatten. Dieser Grundgedanke des Genossenschaftswesens ist bis heute im Bankwesen, im Gesundheitswesen und im Einzelhandel verankert.

Der Klassische Liberalismus damals wie heute hatte und hat viele Gegner. Sie kommen aus der konservativen wie auch aus der sozialistischen Ecke – die beide dazu neigen, das Althergebrachte zu konservieren und im Neuen nicht die Chance, sondern die Gefahr zu vermuten. Selbstverständlich gilt das nicht überall und im gleichen Maße. Die Konservativen sind häufig ökonomisch aufgeschlossener als die Sozialdemokraten, aber gesellschaftlich rückwärtsgewandt. Die Sozialdemokraten sind oft gesellschaftlich offener für Veränderungen als die Konservativen, aber ökonomisch wollen sie die alte Welt möglichst lange behalten. Letztlich vereint sie aber derselbe Irrtum: Sie trauen dem Einzelnen wenig zu. Sie glauben, dass der Staat die Dinge regeln muss, weil der Einzelne ökonomisch, geistig oder körperlich dazu nicht in der Lage ist.

Wie sieht also die Situation des Klassischen Liberalismus heute in Deutschland aus? Haben die Marktwirtschaft, der Freihandel, der Rechtsstaat und das Individuum noch eine Lobby? Aber ja! Ähnlich wie schon einmal im 19. Jahrhundert weht seit einiger Zeit, inspiriert aus dem angelsächsischen Raum, ein neuer klassisch-liberaler Wind nach Deutschland hinein. Diese Szene ist bunt, jung – und sie wächst. Dem Netzwerk „Students for Liberty“ etwa, 2008 in den USA gegründet, gehören derzeit weltweit über 2000 und in Deutschland über 20 Studentengruppen an, die dem Liberalismus verpflichtet sind.

Sogar Ludwig von Mises’ „Nationalökonomie“ und Friedrich August von Hayeks „Verfassung der Freiheit“ werden wieder neu aufgelegt und von jungen Lesern entdeckt. Die Kenntnisse dieser Klassiker tun gut; denn der deutsche Liberalismus ist in seiner Geschichte bisher niemals an seiner Prinzipientreue und Standfestigkeit gescheitert, sondern immer an seiner Beliebigkeit. Deshalb ist ein festes theoretisches Fundament so notwendig. Und als ein verlässlicher und informativer Stein in diesem Fundament dient das Buch von Eamonn Butler.

Erstmals erschienen in Der Hauptstadtbrief.