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Sprache ist manchmal entlarvend. Manchmal kommt es sogar vor, dass diejenigen, die sie benutzen, das gar nicht merken. Seit Monaten geistert die Idee der Kulturstaatssekretärin Monika Grütters für eine Kulturgutschutznovelle durch die Feuilletons. Jetzt hat die Berliner CDU-Frau die Begründung nachgeliefert: Man wolle verhindern, dass „Artefakte aus Raubgrabungen, mit deren Verkauf zum Beispiel der IS seine Terrorherrschaft finanziert, nach Deutschland eingeführt und hier illegal gehandelt werden.“ Und ich dachte bisher immer, dass der IS wichtige Kulturgüter zerstören würde. So kann man sich irren… Da hätte man doch mal die Chance, welche zu retten! In der Pressemitteilung Nr. 319 vom 15. September 2015 der Bundesregierung schreibt die Jeanne d’Arc des deutschen Kulturgutes über die wesentlichen Inhalte des Gesetzentwurfes. Derzeit sei bereits nach EU-Recht eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich, wenn entsprechende Kulturgüter ins außereuropäische Ausland, also etwa in die wichtigen Kunsthandelsländer USA oder Schweiz (deren außereuropäische Kolonien?) ausgeführt werden solle. Soweit zum Verständnis der Kulturstaatssekretärin der Deutschen Bundesregierung zum Kulturraum Europa.

Mann oh Mann, wie soll ich meinem Sohn in Erdkunde die Hauptstädte und Länder Europas einbläuen, wenn die eigene Bundesregierung bei den Geographiekenntnissen die Schweiz in Afrika vermutet? Okay, wenn Claudia Roth Kulturstaatssekretärin wäre, dann hätte ich ja noch ein gewissen Verständnis, denn sie musste sicherlich in ihrer Schulzeit die Hauptstädte und Länder Europas tanzen. Aber dennoch ist es erschreckend, wenn die eigene Regierung in den Grundlagen der Geographie nicht versetzungsfähig ist.

Grundsätzlich muss man sich ohnehin fragen, was das Ganze soll. Mit welchem Recht greift der Staat in das Eigentum Einzelner ein? Ist es schlimm, wenn Kunstgegenstände irgendwo anders gezeigt werden oder in ausländischem Besitz sind? Der Bestand des Pergamonmuseums auf der Berliner Museumsinsel stammt sicherlich auch nicht aus dem Bayerischen Wald. Vielleicht ist es auch ganz gut, wenn diese Schätze in Berlin gezeigt und nicht vom IS zerstört werden. Am Ende eignet sich die Regierung wieder einmal etwas an, was ihr nicht gehört. Hier hilft eine gute Faustregel: Verlangt der Staat nach „Kulturgütern“, lauf um dein Leben, achte auf dein Portemonnaie und auf das Gemälde, das dir deine Großmutter vermacht hat …

Dieser Beitrag erschien zuerst im Magazin „eigentümlich frei“.

Photo: Lucas Film

Photo: Massachusetts Historical Society by WikiCommons

Gelegentlich wünschte man sich mehr revolutionären Geist in diesem Land statt dieser Mehltau-Lethargie. Man stelle sich einmal vor, der Beschluss des Parlaments, eine Steuer auf Milch und Honig (Mehrwertsteuer), auf die Rente (Finanztransaktionsteuer), auf das Eigentum (Erbschaftsteuer) oder eine Abgabe auf Brot und Spiele (Rundfunkbeitrag) einzuführen, würde eine Revolution auslösen? Die Bürger würden sich zentral versammeln, die Steuereintreiber in die Wüste schicken und es würde sich daraus eine Volksbewegung im ganzen Land entwickeln, die am Ende sogar zur Sezession und Unabhängigkeit führt.

Steuern? Revolution!

Doch es gab Zeiten, da wurde eine Revolution begonnen, als die Regierung eine Stempelsteuer beschlossen hatte. Das war damals so eine Art Mehrwertsteuer oder Finanztransaktionsteuer. Die Bürger versammelten sich an zentralen Plätzen und hängten symbolisch die Strohpuppen des Ministerpräsidenten und des örtlichen Steuereintreibers auf. Okay, das war sicherlich nicht die feine englische Art. Es ist ja auch schon lange her – 250 Jahre.

1765 versammelten sich junge Männer unter einer Ulme in Boston, in der damaligen britischen Kolonie in Massachusetts, um gegen die vom englischen Parlament beschlossene Stempelsteuer zu protestieren. Der Aufstand dieser „Sons of Liberty“ richtete sich nicht nur gegen eine Steuer, sondern gegen die damit einhergehende Zensur. Sie wollten nicht alle Dokumente, Verträge und Waren der Zentralgewalt vorlegen. Sie wollten frei handeln, ohne staatliche Willkür und sie wollten selbst über die Steuern und ihre Höhe abstimmen. Daraus entstand der Grundsatz „no taxation without representation“, der heute mehr denn je Richtigkeit hat.

Bäume als Freiheitssymbol

Das Symbol der Proteste war der Baum, die Ulme, die fortan überall in Amerika als „Tree of Liberty“ gepflanzt wurde und unter denen sich die „Söhne der Freiheit“ überall im Lande versammelten.

Schon ein Jahr nach ihrer Einführung hatten die Proteste Erfolg und die Stempelsteuer wurde vom englischen Parlament wieder aufgehoben. Wenn man heute das Schicksal des Solis, die Entwicklung des Rundfunkbeitrages oder die Regelungsmissgriffe bei der Mehrwertsteuer betrachtet, kommt einem charakterfesten Menschen mindestens die Zornesröte ins Gesicht – anderen die Tränen. Wo ist die Abschaffung des Solis, der Erbschaftsteuer, wo die des Zwangsbeitrages und wo ist die niedrige Mehrwertsteuer ohne Ausnahmen?

Lasst uns die Saat für mehr Freiheit aussäen!

Wenn ich die Augen zumache, stelle ich mir manchmal vor, dass wir Freiheitsfreunde eine dieser Ulmen pflanzen, uns dort versammeln und daraus eine Bewegung vieler Freiheitsliebenden wird. Alle pflanzen plötzlich einen Freiheitsbaum, schmücken ihn und versammeln sich dort, um gegen Fremdbestimmung, Eigentumsverletzung und willkürliches Recht zu protestieren.

Doch wenn ich die Augen wieder öffne, kommt mir in den Sinn, dass die Ulme eine gefährdete Baumart ist. Sie kommt zwar in 40 bis 50 Arten weltweit vor und ist wegen ihres wertvollen Holzes begehrt. Doch insbesondere die europäischen und amerikanischen Ulmenarten sind von einer tödlichen Krankheit bedroht, die inzwischen mehrere hundert Millionen Bäume zum Absterben gebracht hat. Erst welkt die Krone. Die Blätter werden braun und vertrocknen. Dann stirbt der Baum.

Doch es gibt unempfindliche Ulmenarten, die widerstandsfähig sind, wachsen und gedeihen. Diese Bäume sollten wir pflanzen – immer und überall. Wenn viele dies tun, dann wird aus vielen einzelnen Ulmen bald ein großer Wald. Ein Wald voller Freiheitsbäume. Nach 250 Jahren ist jetzt die richtige Pflanzzeit.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick

Photo: Crosa from Photo (CC BY 2.0)

Das Referendum zur gleichgeschlechtlichen Ehe in Irland hat hohe Wellen geschlagen: vom Bundestag bis in den Vatikan. Man könnte sich die Debatte sparen, wenn man die Ehe wieder zu dem machen würde, was sie ja nun wirklich unbestreitbar ist: Privatsache!

Die staatliche Ehe ist noch recht jung

Die Ehe ist eine kulturelle Institution, die für klare Verhältnisse sorgt. Im Idealfall begründet sie eine lebenslange Bindung. Sie garantiert sichtbar Stabilität und Verlässlichkeit für die jeweiligen Eheleute und gegebenenfalls auch für die Kinder. Alles in allem also eine recht erfreuliche Sache. Entwickelt hat sich diese Institution fast überall auf der Welt in einem religiösen oder zumindest rituellen Kontext.

Im Gefolge der Aufklärung haben sich in der westlichen Welt mancherlei religiöse Kontexte zumindest gelockert. Und so haben sich viele Lebensumstände, die bisher von der Religion geregelt wurden, säkularisiert. Eine Variante dieser Säkularisierung war, dass Menschen sich prinzipiell vom Religiösen verabschiedet haben. Die „Ehe ohne Trauschein“ steht dafür. Aber zugleich witterte ein anderer Akteur seine Chance, der gerne in die sinnstiftende Rolle geschlüpft ist, die durch das Verblassen von Religion oft unbesetzt blieb: der Staat.

Der Staat als Ersatzreligion

Eines der krassesten Beispiele dafür, wie der Staat diese Rolle eingenommen hat, ist sicher die „Jugendweihe“, die in der DDR an die Stelle von Firmung bzw. Konfirmation trat. Der junge Mensch, der sich in diesen Ritualen bewusst für das Leben als Gläubiger entscheidet, sollte sich nunmehr bewusst, mit seiner ganzen Persönlichkeit und vollem Herzen für den Staat entscheiden. Angefangen hat diese staatliche Ersatzreligion allerdings schon bevor die Idee des Kommunismus aufkam, der Religion als „Opium für das Volk“ verteufelte.

Während der Französischen Revolution wurden schon Kirchen zerstört und Altäre für die „Göttin der Vernunft“ errichtet. In diesem Umfeld entstand auch die Idee der Zivilehe. Den Kirchen wurde damit die Deutungshoheit über die Ehe entzogen. Es wäre im Sinne des emanzipatorischen Gedankens gewesen, dann komplett auf eine bindende Definition von Ehe zu verzichten und sie ganz zu einem freiwilligen Instrument zu machen. Genau das geschah nicht. Im Zusammenhang mit den napoleonischen Reformen wurde in Frankreich der Code civil eingeführt, der auf sämtliche Rechtssysteme Kontinentaleuropas bis heute prägenden Einfluss ausübt. Im Rahmen dieses Gesetzwerkes wurde dem Staat die Definitionshoheit über die Ehe zugesprochen.

Jeder sollte selber entscheiden, was ihn glücklich macht

Die Ehe wurde also mitnichten zu einer Privatsache. Lediglich die Institution, die darüber bestimmt, hatte sich geändert. Eine echte Emanzipation wäre es gewesen, wenn der Staat sich daraus zurückgezogen hätte. Die nun allenthalben aufkommende Debatte um die „Homo-Ehe“ wäre jetzt ein willkommener Anlass, um dem emanzipatorischen Grundgedanken der Aufklärung auch auf diesem Feld endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Der Staat sollte komplett darauf verzichten, zu definieren, was eine Ehe ist. Durch die Einrichtung der gleichgeschlechtlichen Ehe wird seine Definitionshoheit ja nur bestätigt.

Der freiheitliche Weg wäre es, jeden Menschen selbst entscheiden zu lassen, wen er heiratet und wie er das dokumentiert. Wer gerne eine religiöse Zeremonie haben möchte, soll sie auf jeden Fall haben. Wem es reicht, beim Notar einen Ehevertrag abzuschließen – bitte schön! Wenn zwei Männer heiraten wollen oder eine Frau lieber drei als nur einen Gatten haben möchte – wo ist das Problem? Jeder sollte selber entscheiden, was ihn glücklich macht.

Ein Rechtsstaat sollte keine Privilegien gewähren

Es kann nicht legitime Aufgabe des Staates sein, über bestimmte Wertpräferenzen zu entscheiden. Egal ob die Mehrheit der Bevölkerung die Ehe für eine Verbindung zwischen Mann und Frau hält oder ob sie die staatliche Ehe auch auf gleichgeschlechtliche Paare ausdehnen möchte: In einer freiheitlichen Demokratie darf das kein Grund für staatliche Eingriffe sein. Diese Eingriffe sind nur da gerechtfertigt, wo die Freiheit eines anderen beschnitten wird. Das ist definitiv nicht der Fall, wenn Personen entscheiden, ein Leben lang füreinander einzustehen. Es gibt ja auch keine staatlichen Vorgaben und Regulierungen für Freundschaften. Wenn Menschen freiwillig miteinander Verträge schließen, hat der Staat dort nichts verloren.

Dass die Ehe derzeit nur für heterosexuelle Paare offen ist, ist ein Privileg. Und Privilegien sind in einem Rechtsstaat eigentlich nie eine gute Idee – denn sie sind institutionalisierte Willkür. Man verbessert die Gesamtsituation nicht, indem man neue Privilegien einführt, sondern indem man bestehende abschafft. Die einzige Aufgabe, die in diesen Fragen vielleicht noch für den Staat übrig bliebe, wäre die Funktion des Standesamtes als Ort der Dokumentation – und zwar der Dokumentation jeder vertraglichen Bindung, die Menschen miteinander eingehen möchten. Mehr nicht. Und selbst das könnte mit den zunehmenden technischen Möglichkeiten wie Blockchain eines Tages auch überflüssig werden. Darum: statt die Homo-Ehe einzuführen, sollte der Staat seine Finger ganz von der Ehe lassen!

Photo: Gage Skidmore from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Deutsche halten Amerikaner gerne für oberflächlich. Nach dem Motto: Amerikaner interessieren sich nicht für den Rest der Welt. Doch ist es bei uns wesentlich anders? Wenn in Deutschland über amerikanische Politik berichtet wird, dann wird ebenfalls sehr einseitig und klischeehaft berichtet: Die Republikaner sind rechts oder zumindest konservativ, und die Demokraten sind sozialdemokratisch bis liberal.

Deshalb ist auch in den deutschen Medien klar: Der anstehende Präsidentschaftswahlkampf ist eine Auseinandersetzung zwischen der „liberalen“ Hillary Clinton auf der einen Seite und einem Gegenkandidaten aus dem konservativen bis rechten Lager der Republikaner. Weltoffenheit und Toleranz gegen außenpolitische Falken und angegraute law-and-order-Männer.

Am Mittwoch letzter Woche hat der republikanische Präsidentschaftskandidat Senator Rand Paul aus Kentucky im US-Kongress mit einer über zehnstündigen Dauerrede (Filibuster) gegen die Vorratsdatenspeicherung gekämpft. Der Konflikt im amerikanischen Parlament drehte sich nicht um das „Ob“, sondern lediglich um das „Wie“ der Überwachung. Soll die umfassende Regelung des im Zuge der 9/11-Anschläge eingeführten Patriot Act durch einen etwas milderen Freedom Act ersetzt werden? Am Sonntagabend hat er dann mit einem Verfahrenstrick eine Entscheidung des Senats über die beiden Alternativen verhindert. Die Genehmigung, massenhaft und anlasslos Telefondaten zu sammeln, lief damit am Sonntag aus. Viele seiner Kollegen bei den Republikanern tobten. Aber für ihn war es ein Riesenerfolg – denn ihm ging es um die Sache, nicht um die Beliebtheit.

Rand Paul ist ein klarer Gegner dieser Überwachungsmethoden. Sie verstoßen nach seiner Auffassung gegen die Verfassung. Ist er jetzt ein Konservativer, weil er Mitglied der Republikanischen Partei ist? Ist Hillary Clinton eine Liberale, weil sie 2001 für den Patriot Act gestimmt hat und jetzt für die weichere Form der Vorratsdatenspeicherung ist? Nein, diese Muster passen nicht. Es ist genau umgekehrt. Rand Paul ist ein Liberaler und Hillary Clinton eine Konservative. Denn was unterscheidet Konservative von Liberalen? Es sind im Wesentlichen drei Merkmale.

Erstens fürchten Konservative die Veränderung und das Neue. Liberale setzten auf Mut und Zuversicht, ohne zu wissen wohin dies führt. Konservative wollen die Staatsgewalt einsetzen, um Veränderungen zu verhindern oder aufzuhalten. Der Konservative fühlt sich nur geborgen in einem starken Staat, der mit einer höheren Weisheit ausgestattet ist und die Veränderungen beobachtet, ordnet und steuert. Dahinter steckt das tiefe Misstrauen gegenüber dem Einzelnen. Um einen Dieb, Mörder oder dessen Schergen zu erwischen, müssen für den wahren Konservativen alle anderen in ihren Freiheitsrechten eingeschränkt werden. Der Zweck heiligt jedes Mittel. Das Ergebnis zählt.

Zweitens glaubt der Konservative an starke Autoritäten. Der Konservative von rechts unterscheidet sich vom Konservativen von links nur dadurch, dass es andere Autoritäten sind, die über uns bestimmen sollen. Beide arbeiten mit Angst. Es ist die Angst vor Veränderungen. Diese Veränderungen müssen durch Grenzen aller Art verhindert werden. Der Liberale dagegen handelt nach Prinzipien und allgemeinen Grundsätzen. Er setzt auf die Kraft der Ideen, die nicht deutsch oder amerikanisch sind, sondern universell. Auch dort gibt es Fehlentwicklungen und Entscheidungen, die sich später als falsch herausstellen. Auch dort gibt es Autoritäten, die über andere bestimmen wollen. Doch es gibt dieser nicht nur wenige, sondern viele. Und diese Vielheit einer Gesellschaft führt dazu, dass schlechte Menschen am wenigsten anrichten können.

Drittens haben Konservative den unbändigen Willen zur Macht um jeden Preis. Sie schrecken nicht vor Zwang und Willkür zurück, solange es dem übergeordneten Ziel nützt, das sie formulieren. Sie tolerieren niemanden neben sich, der andere moralische Ansichten hat. Sie wollen nicht an einer politischen Ordnung arbeiten, die andere Überzeugungen nebeneinander zulässt. Für einen Liberalen ist es unerheblich, welche persönlichen Wertmaßstäbe man selbst hat. Sie rechtfertigen nicht, anderen diese Wertmaßstäbe zu oktroyieren.

Der Unterschied zwischen dem Liberalen Rand Paul und der Konservativen Hillary Clinton ist, dass Clinton dem Ideal eines Primats der Politik folgt. Sie will über andere bestimmen, sie will den starken Staat und die absolute Macht. Rand Paul ist der Vertreter eines Primats von Recht und Freiheit. Er handelt prinzipiengebunden und im Glauben an die Herrschaft des Rechts. Mit seinem mutigen Einsatz gegen den Überwachungsstaat hatte er sicherlich nicht die Hoffnung, die Mehrheit im Senat umzustimmen. Er wollte jedoch die Alternative in ihrer Klarheit und Grundsätzlichkeit darstellen. Es ist die Alternative zwischen einer freien und einer geschlossenen Gesellschaft. Oder wie es Adam Smith einst formulierte: „Er wird nur dann Erfolg haben, wenn er sich nicht auf das beschränkt, was jetzt politisch möglich ist, sondern konsequent die allgemeinen Prinzipien verteidigt, die immer die selben sind.“

Aktualisierte Version eines Beitrags auf Tichys Einblick.

Das Hambacher Fest gilt als Wiege der deutschen Demokratie. Am 27. Mai 1832 versammelten sich unweit des kleinen Städtchens Neustadt an der Weinstraße 20.000 bis 30.000 Bürger aus der Pfalz und den deutschen Ländern, um für Einigkeit, Recht und Freiheit einzutreten. Es war wohl der erste Flashmob in der deutschen Geschichte. Die Veranstalter rechneten mit 1.000 Teilnehmern, tatsächlich kam ein Vielfaches davon.

In der Geschichte Deutschlands sind solche Freiheitsmomente selten. Die Paulskirchenversammlung 1848/49 und die Deutsche Einheit 1989/90 gehören sicherlich dazu, aber darüber hinaus muss man lange suchen.

Wie gelang es in einer Zeit ohne Facebook und Internet, mit zahlreichen Grenzkontrollen und staatlicher Repressalien, wie Pressezensur und in Teilen sogar noch Leibeigenschaft, dennoch so viele Bürger zu bewegen, teils tagelange Anfahrtswege in Kauf zu nehmen, um mit Gleichgesinnten für die eigenen Ideale zu streiten? Was bewegte Menschen wie Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth dazu, die Lasten und Gefahren auf sich zu nehmen, sich mit den Mächtigen anzulegen und ihre eigene Existenz aufs Spiel zu setzen? Die offizielle Geschichtsschreibung nennt den Wunsch nach nationaler Einheit, bürgerlichen Freiheiten, staatsbürgerlicher Mitwirkung und die Verständigung der europäischen Völker als Hauptmotiv. Doch reichen diese abstrakten Ziele wirklich aus, um den Mythos Hambach zu erklären?

Wohl nicht! Für dieses historische Ereignis bedurfte es mehr. Es benötigte einen Moment in der Geschichte, der ein Zusammenkommen von Personen, die ihre Ideale konsequent vertreten, mit einem gesellschaftlichen Klima wie im Vormärz des 19. Jahrhunderts verbindet. In der Pfalz war dieses Klima des Aufbruchs und der Veränderung besonders vorhanden. Zum einen lernte die Pfalz mit der französischen Besatzung bis 1814 auch die bürgerlichen Rechte und Freiheiten eines „Code Civil“ kennen und zum anderen war die als Fremdherrschaft empfundene Zugehörigkeit der Pfalz zum Königreich Bayern mit weitgehenden Diskriminierungen verbunden. Eine hohe Steuerbelastung und verschärfte Zollbestimmungen für die Pfalz führten zu Armut und Frust in der Bevölkerung. Allein der so genannte „Holzfrevel“, also der Holzdiebstahl aus den Wäldern der Pfalz, brachte ein Fünftel der Bevölkerung vor Gericht.

Dennoch reichte die Not der Bevölkerung alleine nicht aus, damit diese Großdemonstration sich tatsächlich Bahn brechen konnte. Es bedurfte auch Personen, die ihre Ideale konsequent vertreten und umsetzen. Es gelang Wirth, Siebenpfeiffer und weiteren Mitstreitern schon Jahre vorher publizistisch über die Pfalz hinaus, ein Netzwerk von Gleichgesinnten aufzubauen. Mit der Gründung des „Preßvereins“ schufen sie einen organisatorischen Rahmen für eine Freiheitsbewegung, die in ihrer Spitze 5000 Mitglieder umfasste.

Für ungeduldige Freiheitsfreunde ist der Vormärz sehr lehrreich. Nicht alles geht von heute auf morgen. Vieles braucht seine Zeit und seinen Moment. Zwischen Hambacher Fest 1832 und der Paulskirchenversammlung mit der Verabschiedung der ersten deutschen Verfassung lagen immerhin 17 Jahre. Und vielleicht hätte es dieses Ereignis so nie gegeben, hätten Freiheitsfreunde wie Siebenpfeiffer und Wirth nicht die Courage besessen, mit Klugheit und Mut gegen die Macht der Herrschenden vorzugehen.

Siebenpfeiffer und Wirth schufen einen Freiheitsmoment in der deutschen Geschichte, der nicht durch seine Rationalität über Jahrhunderte zum Mythos wurde, sondern durch seine Emotionalität. Es war ein Fest der Freiheit, bei der zwar 25 politische Reden gehalten wurden, die von Wirth später auch publiziert und verbreitet wurden, aber im gesellschaftlichen Gedächtnis blieben die Bilder feiernder Menschen und das friedliche Zusammenkommen aus Nah und Fern auf dem Hambacher Schloss. Siebenpfeiffer hat den emotionalen Moment der Freiheit in einem Lied zum Hambacher Fest zusammengefasst. In der Schlussstrophe heißt es: „Frisch auf, Patrioten, den Berg hinauf! Wir pflanzen die Freiheit, das Vaterland auf!“

Photo: Wikimedia Commons