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Von Gottfried Heller, Vermögensverwalter und Autor des Buches „Der einfache Weg zum Wohlstand„.

Angela Merkel ist sauer. Mal wieder. Hat es doch der DGB gewagt, so kurz vor der Bundestagswahl auf die Krise der Rentenversicherung aufmerksam zu machen. Das befördere, klagte die Kanzlerin, ohne Not die Angst vor Altersarmut. Und  das nutze der AfD. Mit diesem Totschlagargument kann sie aber nicht jedes Problem unter den Teppich kehren. Vor allem dann nicht, wenn es so himmelschreiend ist wie bei der Altersvorsorge.

Die Kanzlerin hätte nur ihre Sozialministerin Andrea Nahles fragen müssen. Die hatte Ende September alarmierende Ergebnisse vorgestellt: Wenn alles bleibt wie es ist, wird das gesetzliche Rentenniveau von 47,8%bis 2030 auf 44% und bis 2045 auf 41,6% fallen. 2001 waren es noch 52,6% des Durchschnittslohns. Trotzdem von drohender Altersarmut keine Spur, meint Merkel. Was nicht sein darf, kann auch nicht sein.

Dabei sind die neuen Zahlen von der Tendenz her längst bekannt. 2012 hatte die damalige Sozialministerin von der Leyen vorgerechnet, 2030 müssten Arbeitnehmer, die weniger als 2500 Euro verdienen, „mit dem Tag des Renteneintritts den Gang zum Sozialamt“ antreten. Dabei fangen die Probleme ab 2030 erst richtig an, weil dann die geburtenstärksten Jahrgänge in Rente gehen.

Aber statt überfällige Reformen –auch schmerzhafte – durchzuführen, die von Schwarz-Rot mit 80% Stimmenmehrheit leicht umsetzbar gewesen wären, hat Kanzlerin Merkel die Chance leichtfertig vertan und das Thema „Rente“ in der Schublade versenkt. Mit ihrem üblichen Aussitzen hat sie wertvolle Zeit vergeudet, Zeit, die eine Reform der Alterssicherung nicht hat. Stattdessen verteilte die „GroKo“ mit abschlagfreier Rente mit 63 und Mütterrente neue Wohltaten, die bis 2030 zusätzlich 130 Milliarden Euro kosten.

Falls Frau Nahles in ihrem für November angekündigten neuen Rentenkonzept die Forderung ihres Parteichefs Sigmar Gabriel und des DGB erfüllt, das Rentenniveau auf dem jetzigen Stand einzufrieren, wird alles noch viel teurer – 2030 entstünden Mehrkosten von jährlich 19 Milliarden Euro und 2045 von sage und schreibe 40 Milliarden Euro. Finanziert werden müsste das mit einem Sprung des Beitragssatzes von 18,7% auf 26,4%. Nahles hat die Schleusen schon geöffnet und erklärt, die Beiträge blieben „nicht bei den 22% stehen“, die als Höchstgrenze bis 2030 festgeschrieben sind.

Wie man es dreht und wendet, die Regierung hat nur drei Stellschrauben: die Rentenhöhe, den Beitragssatz und das Renteneintrittsalter. Mal ist die Lösung zu teuer, mal menschlich nicht zumutbar oder ideologisch nicht akzeptabel. Die Rechenakrobaten im Sozialministerium mühen sich vergeblich: Der frühere SPD-Arbeitsminister Franz Müntefering hat es auf den Punkt gebracht: „Weniger Kinder, später in den Beruf, früher raus, länger leben, länger Rente beziehen: Wenn man das nebeneinander legt, muss man kein Mathematiker sein, da reicht Volksschule Sauerland, um zu wissen: Das kann nicht gehen!“ Recht hat er, der Sauerländer Müntefering. Er wollte bildhaft klarmachen, dass ein späterer Rentenbeginn und Abstriche bei der Rentenhöhe unvermeidbar sind. Nahles und Merkel hätten wohl Volksschule Sauerland nicht geschafft. Aber für die Bundesregierung hat es allemal gereicht.

Um wachsende Altersarmut zu vermeiden, muss schnellstens eine Stärkung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge erfolgen. Das hat die Koalition zwar vor – aber mit den Mitteln, die schon in der Vergangenheit versagt haben, nämlich solchen, die auf Lebensversicherungen basieren. Die setzen  fast nur auf Zinsanlagen und verzichten weitgehend auf Aktien. Ausgerechnet  die langfristig ertragreichste Anlageform wird mit 4 % Anteil sträflich vernachlässigt.

Die heftig gescholtene Riester-Rente, die betrieblichen Pensionskassen und neue Lebensversicherungsverträge werfen deswegen lächerliche Renditen ab. Mit deutscher Gründlichkeit, mit Regulierungswut, teuren Garantieversprechen, Risikoscheu und Aktienfeindlichkeit ist das System der Altersvorsorge deshalb zur Zeitbombe geworden.

Schon in biblischen Zeiten gab es eine Regel, wie das Vermögen am besten aufzuteilen sei: Ein Drittel im Beutel, ein Drittel in Häusern, ein Drittel in Geschäften. Übersetzt heißt das: Ein Drittel in Festgeld und Festverzinslichen, ein Drittel in Immobilien und ein Drittel in Aktien. Die Deutschen dagegen sind in Geschäften – also Aktien mit 8 % Anteil am Gesamtvermögen – total unterinvestiert. Wollten sie bibeltreu anlegen, müssten sie den Aktienanteil vervierfachen. Das würde sich lohnen.

Aktien sind langfristig die mit Abstand ertragreichste Anlageform. Einschließlich wieder angelegten Dividenden betrugen die durchschnittlichen jährlichen Renditen in den 45 Jahren bis 2015 an den wichtigsten Börsen 10 bis 11 Prozent. Davon können die von Albträumen geplagten Zinssparer nur träumen.

Für die private und betriebliche Altersvorsorge ist deshalb ein viel höherer Aktienanteil unverzichtbar. Anstatt aber das Rad neu zu erfinden, würde ein Blick ins Ausland helfen, um bewährte Lösungen zu finden und zu übernehmen.

In der Schweiz können Einzahlungen in die „gebundene Vorsorge“ bis zu bestimmten Höchstbeträgen vom zu versteuernden Einkommen abgezogen werden, und die Kapitalzuwächse bei Aktien, Anleihen, Fonds, etc. sind in der Ansparphase steuerfrei. Der Maximalbetrag beläuft sich 2016 bei Personen ohne betriebliche Vorsorge auf 20% des Nettoeinkommens, maximal umgerechnet rund

31 000 Euro, bei Personen mit beruflicher Vorsorge – die in der Schweiz üblich ist – auf gut 6200 Euro. Nach der Auszahlung werden die Erträge  zu vergünstigten Sätzen besteuert.

In Frankreich gibt es den Aktiensparplan PEA (Plan d Épargne en Actions), in den Jeder bis zu 150 000 Euro in Aktien, Fonds und Zinsanlagen investieren kann. Voraussetzung: 75 % der Aktien sind von Unternehmen aus der EU. Die Erträge sind steuerfrei, ab fünf Jahren  Haltedauer auch die Kursgewinne. 2014hat die Regierung zusätzlich einen PEA für kleine und mittlere Unternehmen eingerichtet, in den weitere 75 000 Euro angespart werden können. Ein Ehepaar kann zusammen also bis zu 450 000 Euro in renditestarken Aktien und Fonds investieren. Im Vergleich dazu sind die Riester-Höchstbeträge ein Witz.

Die USA sind ein Musterbeispiel betrieblicher und privater Altersvorsorge. Da dort die Beitragssätze zur Rentenversicherung mit 12,4 % um 6,3 Prozentpunkte niedriger sind als in Deutschland – und seit über 30 Jahren unverändert – haben Arbeitnehmer netto mehr von ihren Löhnen übrig, und Unternehmen müssen weniger einzahlen. Dieses „eingesparte“ Geld fließt seit 1978 vielfach in die betriebliche Vorsorge, die mit dem 401(k) Plan eine rentable und flexible Lösung bietet. Viele Arbeitgeber beteiligen sich mit 50 bis 100% an den Beiträgen. Die Arbeitnehmer können bis zu 18 000 Dollar (2016) jährlich einzahlen, über 60-jährige zusätzlich 6000 Dollar. Die Beiträge fließen überwiegend in Aktien- und gemischte Fonds, bei denen die Anlagestrategie auf das erwartete Rentenalter abgestimmt wird. Sie sind für Arbeitnehmer steuerfrei, der Arbeitgeber kann seinen Anteil als Betriebsausgaben absetzen. Zusätzlich gibt es den Roth-IRA, mit dem aus versteuertem Einkommen Vorsorgevermögen bis zu jährlich 5500 Dollar gebildet werden kann. Kapitalwachstum, Dividenden und Zinsen sind nach fünf Jahren steuerfrei.

Die unkomplizierte, flexible und renditestarke Art der Altersvorsorge bewirkt, dass US-Bürger kurz vor Renteneintritt im Durchschnitt 360 000 Dollar auf ihren Vorsorge-Konten angespart haben.  Die Amerikaner besitzen laut dem Allianz Global Wealth Report über 202 000 Euro Durchschnittsvermögen, die Deutschen mit 68 000 Euro nur ein Drittel davon. Deutschland ist in der Industrie Weltklasse, bei Vermögensbildung und Altersvorsorge Provinzklasse. Das lässt sich leicht ändern.

Das Rad in der Altersvorsorge ist andernorts schon erfunden und läuft rund. Unsere überforderten Gesetzesgeber könnten es einfach kostenlos und zollfrei importieren.

 

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Als die Bürger des Städchens Hornberg im Schwarzwald 1564 ihren Landesherren, den Herzog von Württemberg, standesgemäß mit Salutschüssen empfangen wollten, stellte sich nach den ersten Salutschüssen heraus, dass die Staubwolke am Horizont nicht dem Tross des Herzogs zuzuordnen war, sondern eine einfache Postkutsche. Friedrich Schiller nahm das Ereignis in sein Schauspiel „Die Räuber“ dankbar auf. Seitdem ist das „Hornberger Schießen“ Teil des deutschen Sprachschatzes. Immer dann, wenn etwas groß angekündigt wird und ohne Ergebnis endet, nutzt man das Sprachbild und alle wissen anschließend Bescheid. In dieser Woche ist das Hornberger Schießen wieder aktuell. Es geht um den Euro – wieder einmal. Und es endet, so meine Prognose – wieder einmal – wie das Hornberger Schießen.

Erst hat der US-Ökonom Joseph Stiglitz in einem Interview mit der „Welt“ den Austritt Italiens aus der Euro-Zone für wahrscheinlich erklärt. Mit Selbstverständlichkeiten hat er seine These untermauert. Die Krise der italienischen Wirtschaft, die Probleme der dortigen Banken mit faulen Krediten und der hohe Stand der Arbeitslosigkeit würde den Glauben der Italiener an den Euro untergraben. Er erwartet nicht, dass die europäische Politik die immer noch kriselnde Euro-Zone langfristig retten kann. Der notwendige Reformwille sei gerade in Italien nicht vorhanden. Die notwendige Schaffung einer Bankenunion oder einer gemeinsamen Einlagensicherung seien nicht durchsetzbar. Um es sarkastisch auszudrücken: Ich wäre da nicht so pessimistisch.

Die Bankenunion und die gemeinsame Einlagensicherung werden kommen, wesentliche Teile der Bankenunion sind sogar bereits realisiert. Trotz aller Dementis von Wolfgang Schäuble wird Deutschland im Europäischen Rat die gemeinsame Einlagensicherung im Euro-Club nicht verhindern können. Es gibt kein Einstimmigkeitsprinzip bei dieser Entscheidung. Eine qualifizierte Mehrheit wird Deutschland letztlich überstimmen. Fast alle anderen Länder in der Eurozone haben ein großes Interesse an der gemeinsamen Ausfallversicherung für Sparguthaben. Die Folge wird sein, dass deutsche Sparer dann für die Sparguthaben in Italien, Spanien und Griechenland in Mithaftung genommen werden. Die Krise der Deutschen Bank dient vielleicht als Vorlage im Finanzministerrat, um Druck auf Deutschland auszuüben, nach dem Motto: Es könnte auch mal euch treffen.

Was Stiglitz sicherlich weiß, aber nicht sagt, ist, dass der Euro nicht durch Bankenunion oder Einlagensicherung am Leben erhalten wird, sondern alleine und ausschließlich durch die EZB. Deshalb sollte man in sich hineinlachen, wenn die Nachrichtenagentur Bloomberg aus vertraulichen Quellen der EZB zu wissen glaubt, dass dort über den Ausstieg aus dem Anleihenprogramm diskutiert wird. Auch hier muss an das Hornberger Schießen erinnert werden. Als die Bürger Hornbergs erneut eine Staubwolke am Horizont sahen, luden sie ihre Kanonen erneut und feuerten. Aber auch dieses Mal war des nicht der heranziehende Herzog, sondern nur eine Rinderherde. So ist es auch mit den Auguren in der EZB.

Die Notenbanken, also nicht nur die EZB, wird auf Dauer ihre Politik nicht verändern. Sie besteht aus drei wesentlichen Faktoren. Zum einer faktisch unbegrenzten Versorgung der Banken mit Liquidität durch Zentralbankgeld. Des Weiteren aus einer faktischen Nullzinspolitik des Notenbankzinses. Und Drittens aus einem Ankauf von Anleihen, also Schulden von Staaten, Banken und Unternehmen. Ersteres dient dazu, Banken über Wasser zu halten, damit dort keine Illiquidität entsteht. Die Nullzinspolitik und der Ankauf von Schulden dient dazu, die Zinsen am kurzen und langen Ende niedrig zu halten. Das soll zweierlei bewirken. Zum einen sollen die Krisenstaaten ihren wachsenden Schuldenberg einfacher finanzieren können und zweitens sollen Banken mehr Kredite an Unternehmen vergeben, damit diese mehr investieren.

Auf der einen Seite ist die EZB damit erfolgreich. Es gelingt den Eurostaaten tatsächlich, ihren Schuldenberg leichter zu finanzieren. Daher steigt er auch unaufhaltsam und erzeugt damit neue Probleme. Die Krisenstaaten hatten noch nie so viele Schulden. Die gesamte Eurozone ist inzwischen mit über 90 Prozent zur Wirtschaftsleistung verschuldet. Doch genau das gefährdet den Aufschwung. Der IWF hat dies in dieser Woche auch global festgestellt. Nach dessen Fiscal-Monitor-Bericht hat sich die weltweite Verschuldung seit der Jahrhundertwende verdoppelt und beträgt jetzt 225 Prozent der jährlichen Wertschöpfung auf der Welt. Der europäische Bankensektor schiebe faule Kredite von 900 Milliarden Dollar vor sich her. Die Niedrigzinspolitik würde die Solvenz von Pensionskassen und Lebensversicherern gefährden, schreibt der IWF jetzt. Über diese Einsicht muss man sich wundern. Hat doch der IWF 2010 die Pleite Griechenlands mit Milliarden Euros verhindert. Eigentlich kritisiert er seine eigene Politik.

Deshalb nochmals zurück zum Städtchen Hornberg im schönen Schwarzwald. Als der Herzog endlich eintraf und die Bürger der Stadt erneut die Kanonen laden wollten, war das Pulver bereits verschossen. Was können Joseph Stiglitz, die EZB und der IWF daraus lernen? Anders als in Hornberg kann die EZB immer neues Schießpulver produzieren. Sie kann unendlich Geld direkt und indirekt produzieren und dies Banken und Unternehmen zur Verfügung stellen. Doch dieses Geld verliert dann immer mehr an Qualität. Sie „verunreinigt“ das Geld, so wie man auch Schießpulver strecken kann. Die Gefahr ist, dass die Kanonen irgendwann nicht mehr schießen, so wie in Hornberg.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick am 06. Oktober 2016.

Photo: Consorcio Provincial Bomberos Valencia from Flickr (CC BY 2.0)

Vieles an den Finanzmärkten erinnert derzeit an das Jahr 2007. Damals kriselte es im Bankensektor. Mit der IKB und der SachsenLB strauchelten die ersten kleineren Institute und erhielten Staatshilfen. Im heutigen Maßstab sind das „Pommesbuden“. Gleichzeitig tobte eine Übernahmewelle in der Industrie. Der kleine Sportwagenhersteller Porsche, der bis dahin überwiegend nur Zweisitzer produzieren konnte, setzte an, mit VW einen der größten Automobilkonzerne der Welt zu übernehmen. Kurze Zeit später wollte der Automobilzulieferer Schaeffler den dreimal größeren Reifenhersteller Continental kaufen. Das Platzen der Finanzblase im Zuge der Lehman-Pleite brachte beide Projekte in Gefahr. Sie waren fast ausschließlich fremdfinanziert und die Sicherheiten brachen durch den Börsencrash weg. Es waren wahrlich keine normalen Zeiten. Nur durch Glück haben beide Unternehmen dies überlebt, Porsche im warmen Schoß von VW und Schaeffler durch einen späteren Börsengang.

Es waren auch deshalb ungewöhnliche Zeiten, weil Banken die Eigentümer von Industrieunternehmen „bequatschten“, zur Übernahme eines wesentlich größeren Wettbewerbers unkalkulierbare Risiken einzugehen. Banken konnten faktisch unbegrenzt Kredite für diese Übernahmen zur Verfügung stellen. So eine Situation lockte zwangsläufig Hasardeure an.

Neun Jahre später, 2016, erinnert wieder vieles an damals. Heute kriseln die Banken wieder. Die Deutsche Bank muss sich mit Milliarden-Klagen und einem wachsenden Bedeutungsverlust herumschlagen. Seit Tagen bricht ihr Börsenkurs immer stärker ein. Sollte der Staat nicht einspringen können oder wollen, dann ist es wohl nur eine Frage der Zeit bis sie von einer großen amerikanischen Bank geschluckt wird. Die zweite große Bank in Deutschland, die Commerzbank, kommt seit Jahren nicht aus dem Quark. Sie will sich jetzt erneut gesundschrumpfen, nachdem sie seit 2008 bereits über 18 Milliarden Euro Kapitalhilfen und 15 Milliarden Garantien vom Staat erhalten hat. Gebracht hat es ihr wenig. Aus der erdrückenden Umklammerung des Staates kommt sie wahrscheinlich nicht mehr heraus.

Kennzeichen für die Übertreibungen der Finanzmärkte sind auch heute wieder die wachsenden Übernahmen. Bereits im letzten Jahr nahmen die weltweiten Fusionen und Übernahmen um 43 Prozent auf einen Rekordwert von 4,5 Billionen Dollar zu. Dieser Trend setzt sich in diesem Jahr fort, insbesondere in Deutschland: Bayer übernimmt Monsanto für 66 Milliarden Dollar, 86 Prozent bankenfinanziert. Der Medizinkonzern Fresenius übernimmt für 5,8 Milliarden Euro den größten spanischen Klinikbetreiber Quirónsalud, ebenfalls überwiegend bankenfinanziert. Und der Kölner Chemieriese Lanxess übernimmt für 2,4 Milliarden Euro den amerikanischen Wettbewerber Chemtura. Auch diese Übernahme wird durch Banken zwischenfinanziert und anschließend überwiegend durch Unternehmensanleihen abgelöst.

Zwei Entwicklung prägen beide Epochen. Zum einen ist es die wachsende Schwäche des Bankensektors, der durch das Wegbrechen von klassischen Geschäftsfeldern wie dem Einlagegeschäft verstärkt in die Finanzierung von Unternehmensübernahmen und -fusionen einsteigt. Der Ertragsdruck der Banken und die auf der anderen Seite geringen Fremdfinanzierungskosten der Unternehmen führen zu einer wachsenden Übernahmebereitschaft. Sie funktioniert aber nur in normalen Zeiten. Nur wenn die Sicherheiten der Finanzierung durch Bankkredit so werthaltig sind wie angedacht, funktioniert das Geschäft. Sollten die Börsen sich auf breiter Front korrigieren, schwinden die Sicherheiten wie Eis in der Sonne und werden zu einem systemischen Problem. Genau davor stehen wir. Wenn es einen globalen Trend zur fremdfinanzierten Übernahme von Unternehmen gibt und die Werthaltigkeit der Sicherheiten am Börsenkurs festgemacht wird, kommt jede mittlere Börsenerschütterung einer Katastrophe gleich. Denn alles ist aktuell nur noch auf Kante genäht.

Die weltweite Verschuldung hat in den Industrieländern in den vergangenen 10 Jahren um 50 Prozent zugenommen. Heute sind diese Länder, ihre Banken, Unternehmen und privaten Haushalte zu fast 400 Prozent zu ihrer Wirtschaftsleistung verschuldet. Das Problem der Verschuldung und die dahinterstehenden Kredite sind zwar auch deren Höhe, aber viel mehr die verzerrende Wirkung auf die gesamte Wirtschaftsstruktur. Der Kreditboom, der durch das billige Geld der Notenbanken erzeugt wurde, führt zu Investitionen in Kapitalgüter wie Aktien und Immobilien, die es unter normalen Zinsbedingungen nie gegeben hätte. Da immer mehr Glücksritter auf wachsende Preise spekulieren und daher in Kapitalgüter investieren, steigen die Preise von Aktien und Immobilien. Es geht nur so lange gut, wie die Investoren an die Verwirklichung ihrer Projekte glauben. Um diesen Glauben aufrecht zu erhalten, müssen die Notenbanken immer stärker mit billigem Geld intervenieren, ansonsten kommt es flächendeckend zu Konkursen. Es gehört zu den Grundannahmen unseres Geld- und Bankensystems, dass sich das Hamsterrad weiter drehen muss. Sollten die Banken in Deutschland und anderswo tatsächlich in Schwierigkeiten geraten, kann kein Rettungsfonds dieser Welt sie auffangen, sondern die EZB würde wie 2008 erneut eingreifen.
Dieser Verlauf ist systembedingt und das Grundproblem unseres Kreditgeldsystems.

Investitionen finden nicht auf der Grundlage von zuvor gebildeten Sparvermögen statt, sondern beruhen auf Krediten aus dem Nichts, die Banken per Knopfdruck erzeugen. Dieses System ist inhärent instabil, weil die Notenbanken auf eine wachsende Ausweitung der Geld- und Kreditmenge setzen und diesen Prozess direkt und indirekt durch ihre Geldpolitik bestimmen. Doch weder Mario Draghi noch Janet Yellen kennen den richtigen Zins für die Zukunft. Sie haben dieses umfassende Wissen nicht. Deshalb liegen sie immer falsch und müssen sich ständig korrigieren. Beide sind also nicht die Feuerwehr, sondern die Brandstifter der Krise. Sie werfen durch ihre Interventionen sogar ständig neue Brandbeschleuniger ins Feuer in der Hoffnung, mit mehr Feuer den Brand löschen zu können.

Es ist Zeit, endlich über marktwirtschaftliche Alternativen zum derzeitigen Geldsystem zu diskutieren. Die Zinsmanipulierer, die Bankenregulierer, die Staatsintervenierer und die Rettungsfondsinstallierer hatten ihre Chance und sie sind mit ihren Lösungsversuchen keinen Schritt weiter als 2008. Das Finanzsystem ist nicht stabiler, nicht robuster und die Folgen von Bankenpleiten sind nicht geringer geworden. In Erinnerung an den heutigen 135. Geburtstag von Ludwig von Mises kann man diesen Gesellschaftsklempnern nur zurufen: „Ihr seid alle ein Haufen Sozialisten.“

Erstmals veröffentlicht auf Tichys Einblick.

Photo: TaylorHerring/Timothy Anderson from Flickr (CC BY 2.0)

Für Sparer war der Blick nach Amerika noch nie so wichtig. Immer dann, wenn der Offenmarktausschuss der amerikanischen Notenbank Fed zusammentritt, werden die Finanzmärkte nervös. Erhöht das Gremium den US-Leitzins, dann brechen die Börsen ein, belassen sie ihn bei 0,25 bis 0,5 Prozent dann jubilieren die Börsen weiter. So auch wieder in dieser Woche. Sie haben mögliche Leitzinserhöhungen verschoben, was an den Börsen zu Erleichterung führte. Sie laufen ohnehin gut in diesem Jahr. Die amerikanische Börse in New York legte bereits um rund 13 Prozent zu und die größte deutsche Börse in Frankfurt  um elf Prozent. Auch die Immobilienpreise steigen. In den letzten zehn Jahren sind die Wohnungspreise in München um 131 Prozent gestiegen und in Berlin um 116 Prozent. Investoren mag das freuen. Nicht ohne Grund steigen die Baugenehmigungen in Deutschland rasant an. Es hat zwar noch nicht das Niveau der Wiedervereinigung, doch stiegen die Baugenehmigungen allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um 26,1 Prozent.

Die Schattenseite dieser Entwicklung ist die Nullverzinsung für Staatsanleihen. In Staatsanleihen investieren zum großen Teil Lebensversicherer in Deutschland. Deren Geschäftsmodell fällt in sich zusammen. Gerade hat die Düsseldorfer Arag-Versicherung ihren Lebensversicherungsbestand an eine Abwicklungsgesellschaft verkauft. Das ist erst der Anfang. Alle Lebensversicherungen leiden unter dem Nullzins, weil sie per Vertrag Garantien versprechen, die bis zu 4,5 Prozent Verzinsung reichen. Deshalb wird es noch viele Geschäftsaufgaben oder Fusionen bei Lebensversicherungen geben. Nicht nur da. Auch die Banken werden in die Fusion gedrängt.

Die EZB bereitet dafür schon den Boden. EZB-Präsident Mario Draghi meinte diese Woche, Deutschland sei „overbanked“, was so viel bedeutet wie die Aufforderung zu einer Fusionswelle in der Branche. Die Deutsche Bank wird wohl die nächste sein. Schon vor einigen Wochen sondierte man einen Zusammenschluss mit der Commerzbank. Im deutschen Maßstab wäre es eine Megafusion geworden. Doch schon im europäischen und erst recht im Weltmaßstab wäre es ein „Fusiönchen“. Beide Banken, besonders die Commerzbank, spielen nur noch in der Regionalliga. Wahrscheinlich wird die Deutsche Bank wohl eher von einem amerikanischen Institut übernommen.

Doch auch die Genossenschaftsbanken und Sparkassen fusionieren wie noch nie. Ihr Kostenapparat ist hoch und die Erträge auf der Einlagenseite und im Kreditgeschäft brechen weg. Die Banken werden dadurch immer größer und gefährlicher für den Steuerzahler. Eigentlich ist es die Lehre aus der Finanzkrise, dass große Banken, die in Schieflage geraten,  ganze Staaten in den Abgrund reißen können und daher die Systemrelevanz von Banken eigentlich reduziert werden müßte. Doch wenn selbst der EZB-Chef Fusionen fordert, ist die Lage wahrschein schlimmer, als er zugibt. Er ist mit seinem Latein am Ende. Alle Maßnahmen, die die EZB seit 2010 eingeleitet hat, sind bislang wirkungslos geblieben. Die Reformen in den Krisenstaaten werden nicht angegangen, die Banken dort sind überschuldet, die Arbeitslosigkeit ist weiterhin erschreckend hoch und die Konjunktur springt nicht an.

Trotz des billigen Geldes, inzwischen hat die EZB für eine Billion Euro Staatsanleihen aufgekauft, läuft der Motor nicht; auch das Inflationsziel von zwei Prozent in der Eurozone wird nicht erreicht. In diesem Dilemma steckt Draghi und weiß keinen Ausweg mehr. Erhöhten die Amerikaner jetzt ihren Leitzins, brächen die Börsen in Europa ein und beeinflussten die Konjunktur negativ. Daher wird er bald die nächste Rakete zünden und nicht nur Anleihen, also Schulden, sondern bald auch Aktien, also Kapital, aufkaufen, um die Konjunktur und damit die Investitionsbereitschaft von Unternehmen anzuregen.  Es wäre ein erneuter Dammbruch. Schon heute sind die Anleihenmärkte durch die Eingriffe der Notenbanken zu Zombiemärkten geworden. Sie hängen nur noch am Tropf der Notenbanken. Über deren Rolle wird hierzulande viel zu unkritisch diskutiert. Sie sind die Täter und nicht die Opfer.

Erstmals veröffentlicht in der Fuldaer Zeitung am 24. September 2016.

Photo: Wikimedia Commons

Von Prof. Dr. Thomas Mayer, Kuratoriumsvorsitzender von “Prometheus” und Gründungsdirektor des “Flossbach von Storch Research Institute”. Dies ist ein exklusiver Auszug aus seinem Buch „Die neue Kunst, Geld anzulegen“, das am Montag im Finanzbuchverlag erschienen ist.

Wie hängt die Geldwirtschaft mit der Realwirtschaft zusammen? Zur Produktion von Konsumgütern sind Kapitalgüter notwendig. Sollen mehr Konsumgüter hergestellt werden, so braucht man dazu mehr oder bessere Kapitalgüter. Damit aber Kapitalgüter hergestellt werden können, muss man zunächst auf einen Teil der Konsumgüterproduktion verzichten. Man muss also sparen. Der ursprüngliche Zins setzt den Verzicht auf Konsumgüter in der Gegenwart in Beziehung zu der durch diesen Verzicht möglichen größeren Menge an Konsumgütern in der Zukunft. Dieser Zins muss positiv sein. Denn wäre er negativ, dann würde man ein gleiches Gut lieber morgen als heute haben wollen. Wäre er null, dann wäre es einem egal, ob man das Gut heute oder morgen erhalten würde. Beide Verhaltensweisen widersprechen aber dem Begriff des wirtschaftlichen Handelns, das darauf gerichtet ist, ein Ziel auf dem kürzesten Weg und zu den geringsten Kosten zu erreichen.

Bei der im ursprünglichen Zins gemessenen Zeitpräferenz geht man davon aus, dass der Konsument den Zeitpunkt wählen kann, zu dem er ein Gut konsumieren kann. Hat er diese Wahl und handelt er wirtschaftlich, so wird er aus den oben gegebenen Gründen immer lieber früher als später konsumieren. Nicht immer kann er aber über den Zeitpunkt des Konsums frei disponieren. Eine Weihnachtsgans möchte man eben zu Weihnachten auf dem Tisch sehen und nicht im Hochsommer. Ebenso möchte man manche Gütern während des Erwerbslebens konsumieren und andere während des Ruhestands. Verschiebt der Konsument den Konsum eines solchen zeitgebundenen Guts, bei dem er nicht über den Zeitpunkt des Konsums frei entscheiden kann, dann hat das nichts mit seiner Zeitpräferenz zu tun. Vielmehr handelt es sich um die Substitution zweier verschiedener Güter (ein Gänsebraten im Sommer ist eben nicht gleich einem Gänsebraten an Weihnachten).

Der ursprüngliche Zins kann nicht beobachtet werden. Niemand, auch nicht die Zentralbank, verfügt über die nötigen Informationen, um ihn zu bestimmen. Daher tappt die Zentralbank bei der Manipulation des Kreditzinses im Dunkeln. Hat sie Glück, entspricht der Kreditzins dem ursprünglichen Zins. Dann werden genauso viele Kredite vergeben, wie Ersparnisse vorhanden sind, um die Kapitalgüterproduktion zu finanzieren, welche die geplante Steigerung der Konsumgüterproduktion zulässt. Dies ist jedoch in etwa so wahrscheinlich, wie wenn ein Schütze mit verbundenen Augen ins Schwarze trifft. Setzt die Zentralbank den Kreditzins jedoch fälschlich unter den ursprünglichen Zins, dann werden mehr Kredite zur Kapitalgüterproduktion vergeben, als am Ende durch die Ersparnis gedeckt sind. Es kommt zunächst zum „Boom“ in der Kapitalgüterproduktion. Aber da nicht alle Kapitalgüter bis zu ihrer Fertigstellung durch entsprechende Ersparnisse finanziert werden können, kann ein Teil nicht vollendet werden. Dem Boom folgt daher der „Bust“. Im Bust entstehen die finanziellen Schieflagen, wie wir sie während der Finanzkrise von 2007–08 gesehen haben.

Die Vorstellung, dass Abweichungen des realen Kreditzinses vom ursprünglichen Zins zu Kredit- und Investitionszyklen führen können, stammt von dem schwedischen Ökonomen Knut Wicksell. Er nannte den ursprünglichen Zins den „natürlichen“ Zins, bei dem langfristig Gleichgewicht von realer Ersparnis und Investition herrschte. Ludwig von Mises und Friedrich von Hayek entwickelten Wicksells Theorie weiter, indem sie darauf hinwiesen, dass in der Boomphase des Investitionszyklus über den Kreditmarkt Kapital in die Finanzierung ineffizienter Investitionen geleitet wird. Dadurch entstehen nicht nur Über-, sondern auch Fehlkapazitäten, die im Abschwung des Investitionszyklus liquidiert werden müssen. Wird die Liquidierung der Fehlkapazitäten von der Politik verhindert, um die in diesen Bereichen engagierten Investoren und tätigen Beschäftigten zu schützen, dann kann die Wirtschaft nicht gesunden.

Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass sich die Politik in den von Finanzkrisen ausgelösten Rezessionen oder Depressionen dem öffentlichen Druck, den Abschwung zu mildern, nicht entziehen kann. Sie gab diesem Druck schon in der Großen Depression der 1930er Jahre nach, auch wenn die Möglichkeiten des Staates zur Einflussnahme auf die Wirtschaft zu dieser Zeit noch weit geringer waren als heute.

Nach dem Platzen der „Blasenökonomie“ in Japan Anfang der 1990er Jahre stemmte sich die Politik so stark gegen den wirtschaftlichen Abschwung, dass sie einen Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts verhindern konnte. Der Preis dafür war aber die Konservierung von im Boom aufgebauten Fehlkapazitäten, wodurch eine kraftvolle und nachhaltige Erholung der Wirtschaft verhindert wurde.

Auch während der jüngsten Finanzkrise nach der Pleite von Lehman Brothers im Jahr 2008 gelang es der Geld- und Fiskalpolitik, mit massiven Eingriffen den wirtschaftlichen Abschwung abzumildern. Jedoch wurde dadurch auch ein schneller Abbau der während des Kreditbooms aufgebauten Überschuldung und Fehlkapazitäten verhindert, so dass die Erholung der Wirtschaft nach der Krise ebenfalls schwach ausfiel. Außerdem wurde sie immer wieder von Rückschlägen begleitet, die dann auftraten, wenn sich neue Wellen im Abbau der Überschuldung aufbauten. So fiel die Eurozone 2012–13 zurück in die Rezession, als der Pleitegeier unter den südlichen Staaten der Zone umging. Erst das Versprechen der Europäischen Zentralbank, im Notfall die Schulden zu monetisieren, konnte den Abschwung anhalten. Im Jahr 2015 begann China zu straucheln, als nachlassendes Wirtschaftswachstum die Solvenz überschuldeter Unternehmen und Gebietskörperschaften bedrohte. Und wieder wurde die Entschuldung durch Bankrotte mit billigem, neuem Kredit verhindert.