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 Photo: hans-johnson from Flickr (CC BY-ND 2.0)

China ist kein Musterknabe der freien Marktwirtschaft. Aber die verantwortlichen Parteikader haben schon lange verstanden, dass man mit Mao, Lenin und Marx die Wirtschaft nicht zum prosperieren bringt. Darum ist China zwar kein vorbildlicher, aber doch ein wichtiger Verbündeter auf dem Weg zum Freihandel.

Ein fundamentaler Wandel – aber noch viel Raum nach oben

In vielen Kulturen stehen Händler am unteren Ende der Hierarchie in einer Gesellschaft. Die Art und Weise, wie die Kaufleute im konfuzianischen Gesellschaftsverständnis beschrieben werden, erinnert an die Verachtung, die ihnen früher und heute auch in unseren Breitengraden entgegenschlägt in Form von Intellektuellendünkel, Antikapitalismus und nicht selten auch in antisemitischen Klischees. Der Klasse der „Shang“ wird unterstellt, selber nichts zu erschaffen und zu leisten, und wie Parasiten von den Bemühungen und dem Einsatz anderer zu leben. Ihnen wird unterstellt, gierig zu sein und keinerlei moralische Überzeugung zu pflegen. Sie sind die Ausbeuter, die von anderer Leute Arbeit leben. Auf diese Grundüberzeugung gründete Mao auch seine kommunistische Terrorherrschaft. Das heutige China ist von beiden Traditionen inzwischen weit entfernt: Seit bald einem Jahrzehnt liefern sich Deutschland und China ein Wettrennen um den Titel des Exportweltmeisters.

Trotz alledem ist China natürlich noch keine Marktwirtschaft im Sinne westlicher Staaten, geschweige denn im Sinn der großen freiheitlichen Theoretiker. In vielerlei Hinsicht handelt es sich bei dem Wirtschaftssystem noch um astreinen Staatskapitalismus und Korporatismus. Die Hürden für Investoren und Anbieter aus dem Ausland sind immer noch verhältnismäßig hoch. Und chinesische Unternehmen selbst treten im Ausland durchaus nicht als fairer Partner auf, sondern nutzen die Rückendeckung ihrer Regierung, um sich, insbesondere in den weniger entwickelten, aber rohstoffreichen Ländern der Welt, Vorteile gegenüber Wettbewerbern zu verschaffen und die Länder rücksichtslos auszubeuten. In Abwandlung eines Wortes von Helmut Kohl kann man sagen: China will offenbar nicht den Ludwig-Erhard-Preis gewinnen.

Ein ungewöhnlicher Verbündeter

Die chinesische Politik weiß, dass politische und wirtschaftliche Stabilität für das Land nur erreicht werden können, wenn es weiterhin ein halbwegs stabiles Wachstum gibt. Und dazu gehört natürlich der Außenhandel als ganz wesentlicher Faktor. Während es in manchen westlichen Staaten derzeit zunehmend Abschottungstendenzen gibt, entwickelt sich China zu einem immer wichtigeren Vorkämpfer der Globalisierung. Der chinesische Präsident Xi Jinping warf sich vor wenigen Monaten beim Weltwirtschaftsforum in Davos für Freihandel in die Bresche: „Wir müssen uns weiterhin engagieren, um weltweit Freihandel und Investitionsfreiheit weiterzuentwickeln, … indem wir uns öffnen und dem Protektionismus eine Absage erteilen. … China steht dafür, dass offene und transparente Freihandelsabkommen geschlossen werden, die für alle beteiligten von Nutzen sind. Und wir lehnen es ab, exklusive Gruppen zu bilden, die auf eine Fragmentierung hinauslaufen.“

Am vergangenen Wochenende trafen sich in Peking 31 Staats- und Regierungschefs von Indonesien bis Kenia, von Argentinien bis zur Schweiz zum Auftakttreffen der von Jinping seit längerem schon vorbereiteten „Belt and Road Initiative“ („Neue Seidenstraße“). Im Abschlussdokument der Konferenz einigten sich die Teilnehmer auf die Formulierung: „Wir streben danach, ein universelles, regelbasiertes, offenes, nicht-diskriminierendes und faires multilaterales Handelssystem voranzubringen auf Basis der WTO-Regeln.“

Falsche Freunde, aber richtige Ideen

Zurecht haben viele Kommentatoren darauf hingewiesen, dass die chinesische Politik noch einen sehr langen Weg vor sich hat, wenn sie ihr Reden und Handeln in Einklang bringen wollen. Manche befürchten gar, dass diese Sonntagsreden den wahren Charakter chinesischer Handelspolitik übertünchen sollen, deren Ziel die Marginalisierung der westlichen Demokratien sei. Nun ist es allerdings keine besonders große Überraschung, dass im Bereich der Politik die wohlklingenden Worte oft nur in einem marginalen Zusammenhang mit der Realität stehen. Sich darüber aufzuregen, lohnt der Mühe fast nicht. Man sollte allerdings nicht übersehen, welche Rolle auch die Rhetorik und Symbolik in der Politik spielt. Politiker wie Willy Brandt oder Ronald Reagan können durch ihre Kommunikationsfähigkeiten mitunter viel mehr politische Veränderung bewirken als ein anderer mit Heerscharen von Gesetzen und Steuern.

Wenn die chinesische Politik sich nun anschickt, zu einem glühenden Befürworter des Freihandels zu werden, hat das viele positive Effekte. Auch unabhängig davon, wie glaubwürdig das Eintreten tatsächlich erscheint für diejenigen, die die Hintergründe etwas besser kennen. Eines Tages werden die Verantwortlichen vermutlich tatsächlich auch an ihrer eigenen Rhetorik gemessen. Und unter dem Strich ist es immer noch besser, wenn die richtigen Ideen von falschen Freunden in die Welt gesetzt werden, als wenn keiner dazu beiträgt, sie zu verbreiten. Vor kurzem veröffentlichte die offizielle Nachrichtenagentur Chinas ein drolliges Video, in dem eine Gruppe von Kindern aus den Ländern, die an der Seidenstraße liegen, die segensreichen Wirkungen des Freihandels besingt. Ganz ehrlich: Man würde sich wünschen, dass die richtigen und wichtigen Botschaften, die diese Kinder dort transportieren, in der ganzen Welt Gehör finden – ganz egal, von wem sie kommen. Ja, Chinas Politik genügt diesen Idealen oft nicht. Aber das hat auch die Politik anderer Staaten nicht, die früher wichtige Motoren des Freihandels waren – wie Großbritannien, die Niederlande, Deutschland und die USA. Freuen wir uns dennoch darüber, dass diese Ideen ein weiteres einflussreiches Sprachrohr gefunden haben. Wenn statt der Mao-Bibel Werbung für den Freihandel in alle Welt gesendet wird, kann das nur von Vorteil sein!

Für geneigte Leser hier noch das Video und die deutsche Übersetzung des Textes:

Der Gürtel verbindet das Land,
Die Straße bewegt sich auf dem Meer.
Ihr Versprechen
Ist gemeinsamer Wohlstand.

Wir zerbrechen Grenzen,
Wir schreiben Geschichte.
Die Welt, von der wir träumen,
Beginnt mit Dir und mir.

Jetzt kommt die Zukunft,
Und zwar durch Gürtel und Straße.
Wir teilen jetzt all das Gute,
Und zwar durch Gürtel und Straße.

Wenn Handelswege sich auftun,
Dann beginnt das Teilen:
Ressourcen werden ausgetauscht
Und Autoteile verschifft.

Ideen fangen an, zu fließen,
Und Freundschaften werden geschlossen.
Dann werden Dinge, die man für unmöglich gehalten hatte,
Der Normalzustand.

Produkte und Güter sind nur ein Teil,
Von Äpfeln bis zu Kränen (und alles hochmodern!).
Wir bauen neue Straßen, errichten mehr Häfen,
Finde neue Möglichkeiten (mit allen möglichen Freunden!).

Es ist ein Austausch der Kulturen und wir vermehren unseren Wohlstand.
Wir verbinden uns im Herzen (und das macht uns gesünder!).
Mit unseren Trassen und Kabeln, unserem diplomatischen Austausch
Werden wir eine Welt des Wohlstands teilen!

Photo: Guian Bolisay from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Der Insolvenzantrag des größten Solarmodulherstellers in Deutschland, der Solarworld AG aus Bonn, mit seinen rund 3.000 Mitarbeiter ist für die betroffenen Mitarbeiter und ihre Familien, und auch für die Aktionäre und Gläubiger, ein schwerer Schlag. Er ermöglich aber auch einen tiefen Blick auf die Wirkung staatlicher Einmischung in die Marktwirtschaft.

Diese Einmischung erfolgte in mehreren Stufen und mit unterschiedlichen Begründungen. Am Anfang stand 1991 das Stromeinspeisegesetz und später das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Mindestpreise und Abnahmegarantien für Wind- und Solarstrom verbindlich regelte. Die Folge von Mindestpreisen sind aus der Ökonomie bekannt. Werden Produkte durch staatliche Mindestpreise und Abnahmegarantien gefördert, die oberhalb des Marktpreise liegen, entsteht ein Überangebot. Milchseen in der Landwirtschaft der damaligen Europäischen Gemeinschaft und der Erhalt des unrentablen Steinkohlebergbaus in Deutschland sind historische Beispiele dafür. Die dadurch früh in den Markt tretenden heimischen Unternehmen verhalten sich in einem solchen Umfeld meist innovationshemmend und träge. Sie glauben, ihnen könnte nichts passieren. In einem globalen Markt drängen dann aber neue Marktteilnehmer in den staatlich gelenkten Markt, weil auch sie von den Mindestpreisen und Abnahmegarantien profitieren wollen.

In diesem Umfeld rufen die heimischen Unternehmen nach Schutzzöllen. Die Importeure von preiswerteren Solarmodulen, hieß es etwa, würden vom dortigen Staat subventioniert und könnten mit Dumpingangeboten agieren. Die Argumentation ist dann meist von Erfolg gekrönt. So auch bei Solarworld, das zwar auch staatliche Fördergelder und Subventionen des Landes Thüringen in dreistelliger Millionenhöhe erhalten hat – aber dabei sei es ja um den Erhalt der Arbeitsplätze in meist strukturschwachen Regionen gegangen. Eine breite Allianz von europäischen Herstellern intervenierte bei der EU wegen der vermeintlichen Wettbewerbsverzerrung durch Konkurrenten außerhalb der EU. Daraufhin verhängte die EU Strafzölle von fast 48 Prozent auf chinesische Solarmodule, die bis heute gelten. Geholfen hat das alles nichts. Heute behauptet Solarworld, chinesische Hersteller hätten zur Umgehung dieser Zölle ihre Produktion teilweise in chinesische Nachbarländer verlagert. Sei es drum. Auch das zeigt den Irrsinn dieser Politik. Das EuGH hat die Klage chinesischer und europäischer Unternehmen gegen die Schutzzölle vor wenigen Tagen zurückgewiesen. Schon die Tatsache, dass nicht nur chinesische, sondern auch europäische Unternehmen gegen die Schutzzölle klagten, zeigt den Irrsinn dieser Abschottung. Diese verhindert letztlich, dass Häuslebauer in Deutschland und Europa preiswertere Solarmodule montieren können. Sie werden faktisch gezwungen mehr zu bezahlen, nur um die Arbeitsplätze bei heimischen Solarmodulhersteller zu fördern.

Diese Firmen mögen argumentieren, dass dies doch für den Erhalt heimischer Arbeitsplätze, wodurch hier Steuern und Sozialabgaben bezahlt werden, sinnvoll und richtig sei. Doch das ist zu kurz gesprungen. Es unterstellt nämlich, dass der Häuslebauer nur eine Verwendung für sein Geld hätte. Aber so ist es nicht. Zahlt er weniger für seine Solaranlage, dann kann er mit dem eingesparten Geld in andere Dinge investieren. Vielleicht in ein neues Bad, das Handwerkern in seiner Region einen Auftrag bringt. Oder ein anderes Auto, das ihm vom Händler aus seinem Ort verkauft wird.  Oder es ermöglicht ihm, seinen Kindern eine bessere Ausbildung zu ermöglichen.

Am Ende zeigt das Beispiel von Solarworld sehr anschaulich: Weder der Umwelt und dem Klima wurde durch diese Markteingriffe nennenswert geholfen. Denn dazu sind die Entsorgungsprobleme von alten Solarmodulen viel zu groß und der Anteil Deutschlands am weltweiten CO2-Austoss viel zu gering. Noch wurde dadurch dauerhaft eine Wertschöpfung erzielt. Friedrich August von Hayek bezeichnete dieses Phänomen als die Folge der Anmaßung von Wissen, über das kein zentraler Wirtschaftslenker, keine Regierung und kein Parlament verfügen können. Sein Freund und Lehrer Ludwig von Mises sagte dazu: “Die Obrigkeit kann nicht erschaffen, sie kann aber durch ihren Befehl Vorhandenes zwar nicht aus der Welt des Seins, doch aber aus der Welt des Erlaubten tilgen. Sie kann nicht reicher, aber sie kann ärmer machen.“

Photo: MEAACT Kenya from Flickr (CC 0)

Der Freihandel hat es schwer. So schwer wie schon lange nicht mehr. Man kann so schön gegen ihn polemisieren. US-Präsident Donald Trump hat mit seiner Kritik an den „Billigimporten“ aus China sogar die Präsidentschaftswahl gewonnen. Jetzt schimpft er auf Deutschland mit den gleichen Argumenten. Die Kritik kommt aber vielfach auch aus der linken Ecke. Unsere Standards würden in den Entwicklungs- und Schwellenländern nicht eingehalten, daher könnten sie so billig produzieren. Arbeitsplätze gingen dann bei uns verloren. An diesem Argument ist durchaus etwas dran.

Auch der Appell, Kinderarbeit, schlechte Arbeitsbedingungen und eine Umwelt, an der Raubbau betrieben wird, dürfe die westliche Welt nicht akzeptieren, hat seine Berechtigung. Das sind Argumente, die vordergründig stichhaltig sind. Wer will schon Kinderarbeit? Wer will schon, dass die Umwelt zerstört wird? Doch was ist in den Entwicklungsländern die Alternative? Ist es nicht anmaßend, aus unserer Brille heraus anderen Regionen auf dieser Welt vorzuschreiben, wie sie leben sollen oder ihnen Entwicklungschancen zu verbauen? Unsere Verhältnisse sind auch nicht über Nacht entstanden. Kinderarbeit war bis Anfang des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland erlaubt, in der Schweiz bis weit in die 1950er Jahre hinein. Die Industrialisierung in Europa war auch ein Raubbau an der Natur. Erst der technische Fortschritt brachte Wohlstand für breite Schichten der Bevölkerung. Erst die auf Wettbewerb basierende Marktwirtschaft hat die Arbeitsbedingungen und auch die Umweltstandards mit der Zeit verbessert.

Deshalb ist der erhobene Zeigefinger vieler Freihandelsgegner arrogant und zynisch, weil sie billigend in Kauf nehmen, dass sich die Lebenssituation in den Entwicklungsländern mit unseren Standards niemals verbessern wird. Viel lieber wollen sie Entwicklungshilfe leisten, die nicht hoch genug sein kann, um dem eigenen Seelenheil zu dienen. Lieber korrupten Regierungen in Afrika den Haushalt finanzieren, anstatt die Märkte in der EU für afrikanische Produkte zu öffnen. Es ist wie ein neuzeitlicher Ablasshandel, der vielleicht ein gutes Gewissen macht, aber die Probleme nicht löst.

Wenn Entwicklungshilfeminister Gerd Müller jetzt einen Marshall-Plan für Afrika fordert, dann potenziert er diesen Ablasshandel. Er will die Entwicklungshilfe dadurch verbessern, dass sie auf die Länder konzentriert wird, die „sichtbare Fortschritte“ bei „guter Regierungsführung, Rechtssicherheit, Korruptionsbekämpfung“ machen. Das Scheitern dieser Form der Entwicklungshilfe ist längst belegt. Das Modell „Zuckerbrot und Peitsche“ funktioniert meist nicht, weil ein kultureller Wandel nicht Zwang, sondern eine innere Einsicht bei den Menschen voraussetzt. Anstatt Afrika immer mehr an den Tropf der Industrieländer zu hängen, wäre es besser, wenn sich Deutschland innerhalb der EU noch stärker für den Abbau von Zöllen gegenüber den Ländern Afrikas einsetzten und gleichzeitig seine eigenen Agrarsubventionen zurückfahren würde. Immerhin nimmt die EU jedes Jahr rund 18 Milliarden Euro an Zöllen von Unternehmen aus Staaten außerhalb der EU ein – auch aus Afrika und ein großer Teil des EU-Haushaltes wird für die Subvention der europäischen Landwirtschaft ausgegeben.

Es wäre auch der beste Weg, um die Flüchtlingsströme aus Afrika zu stoppen. Menschen können bei freiem Handeln in ihrer angestammten Heimat bleiben und dort ihre Talente entfalten. Mit einem freien Warenverkehr verliert auch die Größe des Landes an Bedeutung. Auch größenwahnsinnige Nationalisten und Despoten wird damit der Boden entzogen. Wer Handel treibt, der führt keine Kriege, Freihandel ist also friedensstiftend. Freihandel ist darüber hinaus eine Machtbegrenzung von Staaten und Regierungen. Ihr Einfluss sinkt zugunsten des Konsumenten.

Der europäische Binnenmarkt ist ein epochaler Fortschritt im 20. und 21. Jahrhundert und findet Nachahmer überall auf der Welt. So frei er im Inneren ist, desto verschlossener ist er gegenüber Schwellen- und Entwicklungsländern. Mit dem ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan müsste man in Richtung Europäische Union rufen: „Tear down this wall“ – reißt diese Mauer nieder!

Photo: Oliver Hallmann from flickr (CC BY 2.0)

Wenn in dieser Woche Theresa May offiziell den Antrag auf Austritt Großbritanniens aus der EU stellt, dann beginnt das Tauziehen. Erstmal mit Großbritannien selbst. Denn jede Scheidung ist teuer. Das ist im Privaten so wie auch zwischenstaatlichen Bereich. Die gemeinsamen Verpflichtungen und Zusagen müssen zum möglichen Scheidungszeitpunkt in zwei Jahren auseinandergerechnet werden. Dagegen rechnen muss man vielleicht die eine oder andere Vermögensposition, die auch mit britischem Geld angeschafft wurde. Doch unter dem Strich wird Großbritannien wahrscheinlich erheblich zur Kasse gebeten. Die Financial Times geht von Scheidungskosten von bis zu 60 Milliarden Euro aus, die auf London zukommen werden.

Über die Lücke, die anschließend im EU-Haushalt klafft, wird jetzt schon heftig gerungen. Immerhin hat Großbritannien 2015 11,5 Milliarden Euro mehr eingezahlt, als es über Programme und Transferzahlungen aus dem EU-Haushalt zurückbekommen hat. Großzügig hat der neue Außenminister Sigmar Gabriel angeboten, dass Deutschland mehr zahlen könne, da es besonders von der EU und dem gemeinsamen Markt profitiere. Das ist sehr großherzig von ihm. Der neue EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger springt ihm erfreut zur Seite. Der EU-Haushalt bringe einen echten „Mehrwert, wo man auf europäischer Ebene Projekte effizienter, kostengünstiger und erfolgreicher als auf nationaler oder regionaler Ebene finanzieren“ könne, so Oettinger in der FAZ.

Eigentlich müsste spätestens hier „Wahrheitsminister“ Heiko Maas einschreiten. Denn im Jahr 2000 formulierten die Staats- und Regierungschefs der EU die Lissabon-Strategie. Sie wollten innerhalb von 10 Jahren die EU zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt machen. Das ist nachweislich in die Hose gegangen. Den Grund dafür haben Milton Friedmans Ausführungen über das Geldausgeben des Staates geliefert:

„Es gibt nur vier Wege, Geld auszugeben: Man kann sein eigenes Geld für sich selbst ausgeben. Wenn man das tut, passt man wirklich auf, was man tut, und man versucht, das Maximum aus seinem Geld herauszuholen. Man kann sein eigenes Geld für jemand anderen ausgeben, zum Beispiel, wenn ich ein Geburtstagsgeschenk für jemanden kaufe. Dann achte ich weniger auf das Geschenk selbst, aber sehr auf die Kosten. Ich kann das Geld anderer Leute für mich selbst ausgeben. Und wenn ich das tue, werde ich mit Sicherheit gut zu Mittag essen! Und zu guter Letzt kann ich das Geld anderer Leute für andere Leute ausgeben. Und wenn ich das tue, dann interessiert mich nicht, wie viel ich ausgebe, und mich interessiert nicht, was ich für das Geld bekomme. Und so funktioniert der Staat.“

Die Europäische Union verliert 64 Millionen Einwohner (fast 13 Prozent) durch den Austritt Großbritanniens und 17 Prozent der Wirtschaftskraft, aber die Ausgaben sollen unverändert bleiben. Nur völlige Realitätsverweigerer können annehmen, dass dieser Verlust an Bevölkerung und Wirtschaftskraft keinen Einfluss auf die Höhe des EU-Haushalts haben wird. Der Brexit sollte als Chance genutzt werden, um grundsätzliche Veränderung der Ausgabenpolitik der EU zu diskutieren. Deutschland trägt offiziell mit 24,28 Milliarden Euro (2015) zum EU-Haushalt von 162 Milliarden Euro (2015) bei. Oft wird jedoch dieser Betrag kleingerechnet, indem Rückflüsse nach Deutschland für Struktur- und Kohäsionsfonds und die Agrarwirtschaft abgezogen werden. Wenn man dies tut, verbleiben für Deutschland „nur noch“ 14,3 Milliarden Euro (2015).

Was macht es für einen Sinn, dass Deutschland erst Milliarden an die EU überweist, um anschließend einen Teil dieses Geldes – vermindert um die Kosten von viel Bürokratie und Leerlauf – wieder zurück ins eigene Land zu bekommen. Schlauer wäre es doch, würde die EU nur dort tätig, wo tatsächlich Gemeinschaftsaufgaben notwendig sind. Hierzu zählen sicherlich die Außenpolitik, die Grenzsicherung im Süden Europas oder die Aufrechterhaltung des gemeinsamen Marktes in Europa. Die irrige Annahme, die Finanzierung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, von öffentlichen Investitionen oder die Subventionierung der Landwirtschaft würde Wohlstand schaffen, ist der Grundfehler europäischer Wirtschaftspolitik. Was haben denn diese Subventionen gebracht?

Griechenland hat seit seinem Beitritt 1981 bis zum Ausbruch der Krise 2010 über 133 Milliarden Transferzahlungen erhalten. Allein Deutschland steuerte bis dahin 69 Milliarden Euro bei. Spanien erhielt bis zum Ausbruch der Krise 157 Milliarden Euro, Portugal 72 Milliarden. 362 Milliarden Euro wurden allein für diese drei Länder aufgewandt. Heute sind Griechenland und Portugal pleite und Spaniens Schuldenstand war noch nie so hoch. Nur eine Abkehr von dieser falschen Politik kann Wachstum und Wohlstand in Europa schaffen. Den Irrweg, durch mehr Subventionen und Umverteilung in der EU Wachstum zu fördern, muss endlich beendet werden. Wer nicht in kleinlichen Aggregaten denkt, weiß: der Binnenmarkt nützt nicht nur den Bürgern in Deutschland, sondern allen in Europa. Würde die Europäische Union nicht dauerhaft durch ihre Markteingriffe falsche Anreize setzen, sondern Risiko und Haftung in der Hand der Menschen und Unternehmen belassen, würden viel schneller Anpassungen an die wirtschaftlichen Notwendigkeiten stattfinden, ohne dass es zu Dauersubventionen und Verschwendung von Steuergeldern kommt. Das wäre die notwendige Strategie, um die EU innerhalb von 10 Jahren tatsächlich zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt zu machen.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Donald Lee Pardue from Flickr (CC BY 2.0)

In der eigenen Partei regt sich kaum Widerstand, die Demokraten antworten auf den neuen Präsidenten mit einem Linksschwenk. Man könnte meinen, die USA wären auf dem Weg in die komplette Irrationalität. Doch wie repräsentativ sind diese Extrem-Entwicklungen wirklich?

Zu erwarten: Unversöhnlichkeit und Angst

Beginnen wir mit einigen weniger überraschenden Erkenntnissen der Demoskopen. Seitdem die Frage nach der Zufriedenheit mit dem neuen Amtsinhaber gestellt wurde, hatte niemals ein Präsident in den ersten Amtswochen eine so niedrige Zustimmungsrate wie Trump (Gallup: 42 %, Pew: 39 %). Wenig überraschend ist die deutliche Polarisierung – auch dies ein historisches Novum: Von den Unzufriedenen sind 77 % äußerst unzufrieden und von den Zufriedenen sind 64 % äußerst zufrieden. Noch nie hatte ein Präsident zu Beginn seiner Amtszeit einen so geringen Anfangsbonus von Anhängern der anderen Partei bekommen wie der neue Amtsinhaber: nur 8 % der Demokraten-Wähler sind der Ansicht, dass er seine Aufgabe ordentlich erfüllt.

Die Zahlen belegen eindeutig, was nun schon seit etwa anderthalb Jahrzehnten deutlich wird: das Land ist zutiefst gespalten. Mit Trump an der Spitze freilich mehr denn je. Eine Untersuchung von Pew Research zeigt, dass die Anhänger der Demokraten prinzipiell die Bedeutung der Gesellschaft und nichtstaatlicher Spieler für erheblich wichtiger für den Erhalt der Demokratie halten als die der Republikaner. Dass zum Erhalt der Demokratie das Recht auf gewaltfreien Protest unverzichtbar ist, glauben 88 % der Demokraten und nur 68 % der Republikaner. Den Schutz, den Menschen mit abweichenden Meinungen genießen sollen, halten 80 % der Demokraten und 66 % der Republikaner für ein Kernelement einer funktionierenden Demokratie. Am eklatantesten ist allerdings der Unterschied, wenn es um die Freiheit der Presse geht, Politiker zu kritisieren: Halten das erschreckenderweise schon nur noch 76 % der Demokraten für ein wesentliches Element für die Stärke der Demokratie, so sind unter den Republikanern lediglich 49 % dieser Ansicht.

In einer sehr breit angelegten Untersuchung über das Wohlbefinden der US-Bürger hat Gallup einen Anstieg an „täglicher Sorge“ um 4,1 % seit letztem Oktober gemessen. Einen solchen Anstieg gab es zuletzt im Jahr 2008, als die Bankenkrise auf die Realwirtschaft durchschlug. Mit Sorge verfolgen viele nicht nur die Situation im eigenen Land, sondern auch das Image der USA im Ausland. Seit der Spätzeit der Bush-Regierung und deren fatalem außenpolitischen Handeln haben nie so viele Amerikaner angenommen, dass ihr Land einen schlechten Ruf hat (derzeit 57 %). Noch krasser sind die Zahlen, wenn es um die Frage geht, ob die Staats- und Regierungschefs anderer Staaten den US-Präsidenten respektieren: nur 29 % glauben, dass Jinping oder Merkel, Trudeau oder Modi dem „mächtigsten Mann der Welt“ gegenüber Respekt empfinden.

Überraschungen: Mexiko, China und – Russland

Mexiko – man müsste meinen, dass die andauernde Krise beim südlichen Nachbarn in Verbindung mit der lautstarken und massiven Kritik des Präsidenten an dem Land sich auch in der generellen Haltung der US-Bevölkerung widerspiegelt. Das Gegenteil ist der Fall: Seit 2006 haben nie so viele Amerikaner geäußert, dass sie Mexiko gegenüber wohlwollende Gefühle empfinden. 64 % empfinden so, 5 % mehr als im letzten Jahr. Und obwohl das Land wohl aus naheliegenden Gründen vor allem unter Demokraten immer mehr Sympathiepunkte sammelt, steigt dessen Ansehen auch bei Republikanern seit ein paar Jahren in ein- bis zwei-Prozent-Schritten.

China steht schon lange weit oben auf der Liste der Länder, die Trump regelmäßig mit Vorwürfen bombardiert. Doch auch Obama hatte bereits sehr aktiv versucht, den Giganten auf der anderen Seite des Pazifik ökonomisch und militärisch einzuhegen. Das Billiglohnland, die Kommunisten und dann auch noch die im Schnitt äußerst erfolgreichen jungen Zuwanderer aus dem Reich der Mitte – es gibt viele Gründe für US-Amerikaner aus allen Lagern, dem Land skeptisch bis feindselig zu begegnen. Weit gefehlt: Seit dem Tian’anmen-Massaker von 1989 haben niemals so viele US-Bürger China gegenüber Wohlwollen empfunden – allein im letzten Jahr ist deren Anteil von 44 auf 50 % der Bevölkerung gestiegen. Und das nicht zuletzt, weil Chinas Beliebtheit unter Republikanern im letzten Jahr um satte 10 % auf 38 % angewachsen ist.

Ein großes Thema rund um die Wahl herum war die Frage, wie die USA mit der russischen Regierung umgehen sollte – und wie die russische Regierung mit den USA umgeht. Unter den Demokraten ist der Anteil derer, die Putin in einem freundlichen Licht sehen, in den letzten zwei Jahren um 5 % auf nur noch 10 % gefallen, während er unter den Unabhängigen um 11 % gestiegen ist auf nunmehr 23 % und unter den Republikanern sogar von 12 % auf 32 % hochgeschnellt ist.

Die wirklichen Überraschungen: Internationale Kooperation und Freihandel

Dass Donald Trump nicht viel von der NATO hält und insgesamt eine eher abschätzige Haltung gegenüber den traditionellen Verbündeten der USA pflegt, hat offenbar bisher wenig Einfluss auf die öffentliche Meinung gehabt. In den letzten drei Jahren ist der Anteil derer, die glauben, dass es zu den wichtigsten außenpolitischen Zielen der USA gehöre, ihre Verbündeten zu verteidigen, von 60 auf 66 % gestiegen – das ist der höchste Wert seitdem diese Frage gestellt wurde. Und selbst die in den Staaten chronisch schlecht beleumundete Kooperation innerhalb der UNO ist von 58 auf 63 % hochgerückt. Es passt, dass Außenpolitik das Feld ist, auf dem Trump mit 38 % am wenigsten Zustimmung zu seiner bisherigen Arbeit bekommt, obwohl unter den Republikanern die Zustimmung mit 82 % noch sehr hoch ist.

Ein weiterer Lieblingsgegner des Dauer-Wahlkämpfers im Weißen Haus ist das NAFTA-Abkommen, das die nordamerikanische Freihandelszone konstituiert. Dabei steigt die Unterstützung der Bevölkerung für das Abkommen seit 13 Jahren kontinuierlich an und liegt mit 48 gegenüber 46 % seit kurzem über der Ablehnung. Besonders interessant ist zu sehen, wie sich seit 2004 – also lange vor Trump – die Haltungen dazu bei Anhängern der beiden Parteien immer stärker auseinander entwickeln: Während im Jahr 2004 40 % der Republikaner und 39 % der Demokraten das Abkommen positiv bewerteten, sind heute nur noch 22 % der Republikaner dafür, aber 67 % der Demokraten wie auch die Mehrheit der Unabhängigen. Besonders bemerkenswert (und ermutigend) ist die enorme Unterstützung, die das NAFTA unter jungen US-Amerikanern genießt: 73 % der 18- bis 29jährigen halten es für einen Gewinn für ihr Land.

Geradezu sensationell ist angesichts von Trumps Rhetorik das Ergebnis einer Umfrage zur Beurteilung von Außenhandel. Seitdem Gallup danach fragt, haben nie so viele Menschen geäußert, dass sie Handel für eine Wachstumschance halten. Während sich in den letzten beiden Jahrzehnten diejenigen, die Handel für eine Gefahr halten und diejenigen, die darin eine Chance sehen, immer irgendwo im Bereich zwischen 36 und 58 % aufgehalten und bei der Führung abgewechselt haben, ist der Anteil der Handels-Optimisten innerhalb des vergangenen Jahres von 58 auf 72 % hinauf geprescht. Und das trotz der handelspessimistischen Äußerungen von Trump und Bernie Sanders. Interessant ist, dass die Republikaner bis zum Jahr 2011 beständig mit einem moderaten Abstand gegenüber den Demokraten optimistischer waren, seitdem aber stets mehr Skepsis geäußert haben. Derzeit halten 80 % der Demokraten Außenhandel für eine ökonomische Chance (17 % mehr als im Vorjahr), 71 % der Unabhängigen (6 % mehr als im Vorjahr) und 66 % der Republikaner (16 % mehr als im Vorjahr).

Der letzte Paukenschlag: Diversität und Flüchtlinge

Eine der häufigsten Theorien zur Erklärung von Trumps Wahlsieg lautete, dies sei auf eine Übertreibung der Political Correctness, der Multikulturalität und der progressiven Hegemonie zurückzuführen. Die Zahlen, die Pew Research in einer seiner jüngsten Umfragen liefert, sprechen relativ deutlich dagegen: Auf die Frage, welche Auswirkungen eine größere Zahl an Menschen aus unterschiedlichen Rassen und Ethnien auf die USA hätten, antworteten 64 %, dass die USA zu einem besseren Land würden (8 % mehr als vor einem halben Jahr); 29 %, dass sich nichts ändern würde; und nur 5 % glauben, dass es schlimmer würde. Auch in der Gruppe der Menschen mit der geringsten Bildung glauben nur 8 %, dass mehr Diversität dem Land schaden würde. Selbst unter den Republikanern, die sich selbst als konservativ bezeichnen, ist der Anteil der Pessimisten bei dieser Frage im letzten halben Jahr von 15 auf 10 % gesunken.

Dem entspricht auch die Einschätzung verschiedener Religionsgruppen. In den vergangenen zweieinhalb Jahren haben bei der Frage, ob man einer bestimmten Religionsgruppe gegenüber „warme Gefühle“ empfindet, alle Gruppen außer evangelikalen Christen substantiell zugelegt. Und obwohl die Muslime immer noch – knapp hinter den Atheisten – den letzten Platz einnehmen, ist der Anteil der Menschen, der ihnen mit Sympathie begegnet von 40 auf 48 % angestiegen, was wohl unter anderem auch auf die positive Haltung der 18- bis 29-jährigen zurückzuführen ist.

Die Executive Order, mit der Präsident Trump Staatsangehörige etlicher Staaten aus dem arabisch-nordafrikanischen Raum sowie Kriegsflüchtlinge an der Einreise hindern wollte, hat medial hohe Wellen geschlagen. Dabei ist nicht nur die Stimmung gegenüber Muslimen besser geworden, sondern auch die Haltung gegenüber Flüchtlingen hat sich zu einer höheren Aufnahmebereitschaft hin entwickelt: 59 % der Befragten lehnen Trumps Anordnung ab, nur 38 % unterstützen sie. In fast allen demographischen Gruppen war eine Mehrheit gegen die Maßnahme – nur unter den über 65jährigen gab es eine geringe Mehrheit dafür. Auch quer durch die Bildungsschichten hindurch stößt sie auf Ablehnung. Ähnlich verhält es sich bei der Flüchtlingsfrage: 56 % sind der Ansicht, dass die USA in der Pflicht sei, Flüchtlinge aufzunehmen. Die Zahl derer, die eine Verpflichtung insbesondere gegenüber syrischen Flüchtlingen sehen, ist seit Oktober von 40 auf 47 % gestiegen.

Zusammenfassung

Es ist noch viel zu früh, um eine umfassende Einschätzung abgeben zu können, welchen Einfluss die außergewöhnliche Präsidentschaft Donald Trumps auf die USA haben wird. Dennoch liefern die hier vorgestellten Zahlen mancherlei interessante Einsicht. (Auch wenn die Demoskopie insgesamt nach dem Brexit-Votum und der Wahl Trumps etwas in Misskredit geraten ist.) Besonders bemerkenswert ist die ideologische Verschiebung, die sich zwischen den Wählern der beiden großen Parteien andeuten – und die nicht untypisch wäre für die USA, wo sich eine solche Neujustierung immer wieder einmal ereignet hat. Waren die Republikaner über lange Zeit die Partei der Globalisierung, so besteht die Möglichkeit, dass diese Rolle jetzt den Demokraten zufällt. Bedeutsam ist wohl auch die Beobachtung, dass die vielbeschworene ideologische Dimension der Wahl unter Umständen doch weniger Einfluss hatte als das oft angenommen wurde: Während Konservative das Ende der progressiven Hegemonie bejubelten, starrten Linke wie versteinert auf den Sieg der Rassisten. Doch auch wenn Stephen Bannon und seine Mitstreiter durchaus das Zeug haben, das Land auf ein anderes Gleis zu setzen, und mithin eine sehr ernstzunehmende Gefahr für die Werte der offenen Gesellschaft darstellen, war die Wahl selber noch nicht unbedingt ein Zeichen von tiefgreifendem Wandel. Nicht jeder Trump-Wähler ist ein radikaler Rechter – das legen die Umfragen deutlich nahe. Die Ideologie der Breitbart-Front hinter Trump ist noch lange nicht mehrheitstauglich.

Trumps Präsidentschaft könnte den Beginn einer neuen Epoche markieren – oder eine (für die meisten unangenehme) vorübergehende Erscheinung sein. In welche Richtung es sich entwickeln wird, hängt vor allem von drei Faktoren ab: Wie tief verwurzelt ist in der US-Bevölkerung die Wertschätzung von Rechtsstaat, Marktwirtschaft und freiheitlicher Demokratie? Erliegen die Demokraten derselben Versuchung wie die Labour Party in Großbritannien oder entwickeln sie sich zu einer modernen Kraft der Mitte? Und setzt sich in der Republikanischen Partei die Einschätzung durch, dass sich eine Neuorientierung der Partei hin zu Protektionismus und Isolationismus langfristig auszahlen könnte? Die Spannung bleibt, aber eines ist relativ sicher: Die Würfel sind noch nicht gefallen.