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Was passiert eigentlich, sollte Theresa May am kommenden Dienstag die Abstimmung über das Brexit-Abkommen mit der EU im Unterhaus verlieren? Dass sie keine Mehrheit im House of Commons hat, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Die nordirische Democratic Unionist Party (DUP), die derzeit mit ihren 9 Sitzen im Parlament die Mehrheit der Torys sichert, verweigert eine Zustimmung. Auch Labour will nicht helfen, und die Liberaldemokraten sind eh gegen den Brexit. Mit der wachsenden Widerstandsgruppe der Brexiteers in den eigenen Reihen reicht es daher nie und nimmer für eine Mehrheit für Theresa May. Doch was passiert danach?

Dazu haben Medien eine Variante ins Spiel gebracht, die aktuell unter den britischen Parlamentariern wachsende Zustimmung erfährt, und die ich an dieser Stelle und bereits im Juni 2017 in der „Welt“ vorgeschlagen habe. Es ist der Efta-Beitritt Großbritanniens. Der Plan, der fraktionsübergreifend Unterstützer hat, wird als „Norwegen-Plus“ bezeichnet.

Der Efta-Beitritt Großbritanniens hätte Charme. Denn er wäre für die Briten ein Zurück zu den Wurzeln. Gemeinsam mit Island, Norwegen, Lichtenstein und der Schweiz bildete Großbritannien bis 1973 die Europäischen Freihandelsassoziation (Efta). Danach traten die Briten aus und der damaligen Europäischen Gemeinschaft bei. Die heutige Efta, die sich im Wesentlichen auf die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen ihrer Mitglieder konzentriert, und die EU bilden gemeinsam den Europäischen Wirtschaftsraum. Die Schweiz spielt hier eine Sonderrolle. Sie gehört zwar der Efta an, hat ihren Zugang zum Europäischen Binnenmarkt aber mit unzähligen eigenen Abkommen geregelt. Die Efta-Mitglieder haben sich gegenüber der EU eigene Rechte vertraglich zusichern lassen. Die Schweiz beispielsweise hat dies für seine Landwirtschaft getan, Norwegen für seine Fischerei. Darauf setzt der „Norwegen-Plus“-Plan. Britannien soll der Efta wieder beitreten und seine besonderen Spezifikationen in zusätzlichen Vereinbarungen mit der EU regeln.

In der aktuellen Berichterstattung wird derzeit zu wenig deutlich, um was es eigentlich am kommenden Dienstag geht. Mit Großbritannien tritt das Land mit der zweitgrößten Wirtschaftskraft aus der EU aus. Nur Deutschland hat mit 3,2 Billionen Euro ein größeres Bruttoinlandsprodukt (BIP). 2,3 Billionen Euro umfasst das Bruttoinlandsprodukt des Vereinigten Königreiches. Waren und Dienstleistungen im Wert von 320 Milliarden Euro werde jedes Jahr vom Festland auf die Insel gebracht, 196 Milliarden Euro von der Insel auf den Kontinent. Allein der Handel mit Deutschland beträgt von britischer Seite 41 Milliarden Euro und von deutscher Seite 84 Milliarden Euro. Ein harter Brexit hätte fatale Folgen für die Warenströme und die enge Verbindung der Lieferketten in ganz Europa. Die Dimensionen verwischen in der Alltagsdiskussion zuweilen.  Seit 2010 diskutieren die EU und ihre Mitgliedsstaaten über die Probleme Griechenlands. Diese sind für Griechenland selbst wahrlich bedeutend, für die EU jedoch marginal. Die griechische Wirtschaftskraft ist 13 Mal kleiner als die britische. Die Briten sind wirtschaftlich ein Gigant und die Griechen ein Zwerg. 18 der verbleibenden 27 EU-Mitgliedsstaaten haben gemeinsam eine geringere Wirtschaftskraft als das Vereinigte Königreich alleine. Ein Austritt Großbritanniens ohne ein gemeinsames Abkommen, wie mit dem grenzüberschreitenden Handel mit Waren und Dienstleistungen umgegangen wird, wäre eine Katastrophe.

Der Beitritt Großbritanniens zur Efta würde den Briten und der EU Zeit geben, die nicht gelösten Probleme geordnet zu besprechen. Diese sind wahrlich nicht trivial. Wie will man mit Irland und Nordirland umgehen, wenn nach der Übergangsphase bis 2021 keine Einigung erzielt wurde. Den angedachten „backstop“, der Nordirland dann in der Zollunion mit der EU belässt und der nur gemeinsam mit der EU gekündigt werden kann, verstehen die Briten als Souveränitätsverlust. Doch soll es wieder Grenzen auf der grünen Insel geben?  Fast 30 Jahre fand darüber ein blutiger Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken in Nordirland statt. Das ist sicherlich kein Weg.

Photo: Quinn Dombrowski from flickr (CC BY-SA 2.0)

Auch wer weder ein Freund des Migrationspaktes ist noch der WTO, wer weder die EU schätzt noch begeisterter Anhänger der WHO ist, sollte sich klar machen: Die derzeitige Abkehr vom Multilateralismus ist das Gegenteil von einem Befreiungsakt, auch wenn das Protektionisten und Nationalisten so darstellen.

Der Preis der Souveränität ist hoch

Beispiel Freihandel: Nachdem spätestens seit zwei Jahren die Doha-Runde als gescheitert gilt, haben sich viele Industrienationen und Schwellenländer wieder stärker dem Abschluss bi- und plurilateraler Abkommen gewidmet. TTIP, CETA und JEFTA sind die prominentesten Beispiele dafür, das Scheitern eines globalen Handelsabkommens durch Einzelabkommen auszugleichen. So erfreulich diese Aktivitäten sind – wenn sie nicht gerade von der US-Regierung torpediert werden –, sie stehen einer großen Lösung tendenziell eher im Weg, weil der Druck abnimmt, weltweite Handelshemmnisse abzubauen. Scheinbar kann man so seine Souveränität wahren oder in den Worten der Brexiteers: wieder die Kontrolle übernehmen. Doch der ökonomische Preis ist hoch. Es besteht, wie Jens Hertha in seinem Beitrag zu unserem Buch „Freihandel – für eine gerechtere Welt“ darlegt, die Gefahr, „dass langfristig Handelsfragmentierungen und Ineffizienzen verstetigt werden.“ Letztlich verbauen diese second-best-Lösungen den Weg zu einer umfassenden Lösung.

Beispiel Migration: Der Migrationspakt, der derzeit alle Gemüter erhitzt, ist wie das allermeiste Papier vor allem eines: geduldig. Das fängt schon damit an, dass es keine Autorität gibt, die irgendeine Verpflichtung durchsetzen könnte. Die Vereinbarung hat vor allem zwei Ziele: Der Umgang mit Migranten (nicht Flüchtlingen) soll sich weltweit bestimmten Standards annähern. Das umfasst humanitäre Fragen genau so wie Fragen des Grenzschutzes. Und außerdem soll er als gemeinsame Diskussionsgrundlage dienen. Wenn wir nach Antworten auf das drängende Migrationsphänomen suchen, ist eine Mauer keine Lösung – erst recht nicht in Europa. Alleingänge führen hier nicht nur dazu, dass langfristige Lösungen nicht mehr gesucht werden, sondern auch, dass Staaten auf anderen Gebieten immer stärker isoliert werden.

Kooperation: die Grundlage menschlicher Zivilisation

Es springt einen derzeit förmlich an: Weltweit fürchten sich Menschen vor einem Kontrollverlust. Die Globalisierung von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur gibt ihnen das Gefühl des Ausgeliefertseins. Die einen fühlen sich fremdbestimmt durch das Kapital, andere fühlen sich bedrängt durch fremde Kulturen und viele haben das Gefühl, dass eine kleine elitäre Gruppe ihnen geradezu die Luft abschnürt. Kein Wunder, dass da das politische Versprechen, sich endlich wieder der eigenen Leute anzunehmen, Hochkonjunktur hat. Die Rechnung für diese Verlockungen zahlen am Ende aber nicht die Politiker, sondern die kleine Frau und der kleine Mann: Handelseinbußen, höhere Preise, wachsendes Misstrauen, globale Unsicherheiten, steigende gesellschaftliche Spannungen und natürlich ein zunehmender Einfluss der Supermächte.

Vor allem aber sind die isolationistischen Tendenzen das Gegenteil des Prinzips, das menschliche Zivilisation auf ihre heutigen Höhen gebracht hat. Die Fähigkeit, ja der Wille zur Kooperation sind die Grundlage der freien und offenen Gesellschaft. Das Prinzip der Marktwirtschaft hätte sich nicht durchgesetzt, wenn unsere Vorfahren vor 10.000 Jahren auf Autarkie gesetzt hätten, anstatt den Schritt auf den Nachbarstamm hin zu wagen. Der rasante Fortschritt der Wissenschaften seit dem Hochmittelalter wäre ohne regen Fachkräfteaustausch, gerade in Europa, nicht einmal im Ansatz denkbar gewesen.  Die freiheitliche Ordnung der Moderne basiert auf dem Grundsatz „that all men are created equal“ und auf der Ablehnung von Machtkonzentration, die das Mittel und damit letztlich auch das Ziel aller Bewegungen ist, die etwas „great again“ machen oder die Kontrolle zurückgewinnen wollen.

Die engen Ketten von Nationalismus und Protektionismus

In der Zeit der Aufklärung bildeten sich zwei unterschiedliche Traditionslinien heraus. Der Sozialphilosoph Friedrich August von Hayek hat den Unterschieden sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet, besonders in seinem Aufsatz „Wahrer und falscher Individualismus“ von 1945. Die eine, die französische Tradition, hat einen „überspitzten Glauben in die Macht des Einzelverstandes“. Dagegen ist die angelsächsische Position geprägt von „Demut gegenüber Vorgängen, durch die die Menschheit Dinge erreicht hat, die größer sind als der Einzelverstand“. Eine zentrale Erkenntnis dieser Aufklärer lag darin, die Stärke des Menschen als Gemeinschaftswesen zu erkennen. Der Mensch ist fähig, sich mit anderen zu koordinieren, aus diesem Austausch zu lernen und beiderseitigen Nutzen zu ziehen.

So ärgerlich man, durchaus zu Recht, Entscheidungen der EU oder der WHO auch finden mag – es ist höchst gefährlich, das Kind Multilateralismus als Ganzes mit dem Bade auszuschütten. Ja, der Streit um die richtige Position ist im Kontext solcher Organisationen mühselig und frustrierend. Und bei manch einem Instrumentarium des Multilateralismus mag es auch sinnvoller sein, es abzuschaffen als es vor sich hin siechen zu lassen. Was aber bei vielen Kritikern fehlt – und das ist das Problem – ist das grundsätzliche Bekenntnis zu Kooperation und der Wille, gemeinsam Lösungen zu finden. Viel zu oft geht die Kritik einher mit einer Hymne auf die eigene Souveränität und die Befreiung von den Ketten der anderen. In Wahrheit sind die Ketten des Nationalismus und des Protektionismus aber viel enger. Im Laufe der Geschichte ist die Freiheit vor allem durch Kooperation erlangt worden, nicht durch Abschottung. Nicht zuletzt, weil die Herolde nationaler Souveränität oft sehr genau wissen, was für ihr Land das Beste sei. Und diese Haltung ist mithin der größte Feind der Freiheit.

Mit Mut, Tapferkeit und guten Argumenten in den Wettbewerb eintreten

Eine multilaterale Gesinnung und Politik zu verfolgen, heißt im Übrigen keineswegs, dass man auf Auseinandersetzungen verzichten müsste oder keinen eigenen Standpunkt haben dürfte. Ganz im Gegenteil: gerade dadurch, dass verschiedene Akteure ihre Interessen und Überzeugungen einbringen, kann man Problemlösungen näherkommen. Der Rückzug auf die nationale Souveränität hingegen ist im Grunde ein Zeichen von Bequemlichkeit, Argumentationsschwäche oder gar Feigheit. Auf jeden Fall ist es Diskursverweigerung. Damit verweigert man sich aber dem genialen Grundprinzip der freien Gesellschaft, das Hayek in seinem oben erwähnten Aufsatz auf den Punkt brachte:

„Die Vernunft existiert nicht im Singular, als etwas, das in einer einzelnen Person gegeben oder verfügbar ist, wie der rationalistische Vorgang anzunehmen scheint, sondern sie muss als ein interpersoneller Prozess vorgestellt werden, in dem jedermanns Beitrag von anderen geprüft und korrigiert wird.“

Photo: Thirteen Of Clubs from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus. 

Auf fast der ganzen Welt – mit Ausnahme des Irans – ist der kommerzielle Handel mit menschlichen Organen verboten. Doch das Verbot führt keineswegs dazu, dass Menschen nicht gegen Geld ihre Organe verkaufen. Sie tun es aus der Not heraus ohne Schutz, angemessene Entschädigung oder medizinische Versorgung auf Schwarzmärkten. Die Weltgesundheitsorganisation schätzte 2012, dass jährlich ca. 10.000 illegale Organtransplantationen stattfinden. Ein legaler regulierter Handel mit lebendspendenfähigen Organen sollte in Betracht gezogen werden, um einerseits Erkrankten zu helfen und andererseits die Zahl der unter widrigen Bedingungen durchgeführten illegalen Transplantationen zu verringern.

Hunderttausende warten auf ein Organ

Gut 660.000 Menschen warten weltweit auf eine Organtransplantation. Daten der WHO für das Jahr 2010 zeigen, dass insgesamt 106.879 Organe transplantiert wurden. Davon wurden schätzungsweise 10 Prozent illegal transplantiert. Nieren machen mit 68,5 Prozent den Großteil der Transplantationen aus, gefolgt von Lebern mit gut 20 Prozent. Für beide Organe sind Lebendspenden möglich. Für die meisten Patienten, die sich für den illegalen Kauf eines Organs entscheiden, ist es die letzte Möglichkeit, ihr Leben zu retten.

Wie läuft ein illegaler Organhandel ab?

In der Regel reisen Patienten aus relativ reichen Ländern in relativ arme Länder, um dort ein Organ transplantiert zu bekommen. In diesen Ländern wird das Verbot des Organhandels nicht so konsequent durchgesetzt wie in den Heimatländern der Patienten.

Die Weltgesundheitsorganisation hat dem illegalen Organhandel 2007 einen der wenigen Berichte über diesen illegalen Markt gewidmet. Der Bericht offenbart, dass eine kurze Internetrecherche genügte, um mit Vermittlungsorganisationen in Kontakt zu treten. So wurden auf www.liver4you.org … damals Nieren für 85.000 Dollar auf den Philippinen angeboten. Ein chinesischer Anbieter offerierte eine Niere für 70.000 Dollar.

 

Brutales Geschäft

Der illegale Handel ist vor allem für die Organspender gefährlich. Immer wieder werden Spender, die zunächst freiwillig in den Handel einwilligten, betrogen und erhalten für das Organ nicht den zuvor verabredeten Preis oder werden medizinisch unsachgemäß behandelt. Zudem zwingen Menschenhändler regelmäßig ihre Opfer zur Organentnahme.

Eine besonders perfide Strategie der illegalen Organhändler ist es, schutzbedürftigen Menschen, wie Behinderten, Obdachlosen, (illegalen) Migranten oder Analphabeten vorzugaukeln, sie müssten wegen einer anderen Krankheit behandelt werden, um anschließend ohne das Wissen der Opfer Organe zu entnehmen.

China: Organe von politischen Gefangen

Auch Staaten beteiligen sich an diesem brutalen Geschäft. In China werden die Organe von zu Tode verurteilten Gefangenen für Transplantationen verwendet. Dabei handelt es sich keineswegs nur um verurteilte Mörder, sondern auch um politische Gefangene. Die Organe werden zum Teil mit hohen Gewinnen an ausländische Patienten verkauft. Die Exekutionen werden der Nachfrage entsprechend arrangiert. Zwar ist die zwangsweise Organentnahme von Gefangen inzwischen offiziell verboten, doch wird sie wohl weiterhin praktiziert. Die Gefangenen stimmen nun „freiwillig“ der postmortalen Organentnahme zu.

Illegaler Markt vs. legaler Markt

Auf dem illegalen Organmarkt wird die Not der Organspender von kriminellen Organisationen ausgenutzt. Befürworter des Organhandelsverbots befürchten, dass auch auf einem legalen Organmarkt die Notsituation von Menschen ausgenutzt werden könnte. Es ist jedoch die Illegalität und nicht der Handel per se, die dazu führt, dass die Organspender unter widrigen Bedingungen ausgenutzt werden.

Legaler Organhandel: Schutz durch Regeln

Ein besserer Schutz der Spender und der Empfänger könnte durch gezielte gesetzliche Regelungen auf einem legalen Organmarkt erreicht werden.

Auf den illegalen Märkten ist die finanzielle Not einer der Hauptgründe für den Organverkauf. Auf legalen Märkten könnten Einkommens- oder Vermögensgrenzen dafür sorgen, dass relativ arme Personen vom Verkauf von Organen ausgeschlossen werden. Auch die Auszahlung des Preises könnte verzögert erfolgen – etwa erst nach 3 Jahren. Relativ arme Menschen, die kurzfristig Geld benötigen, könnten so nicht zu einem Organverkauf gedrängt werden.

Auch auf der Käuferseite könnten Restriktionen umgesetzt werden. Vorstellbar ist, dass nur Krankenkassen oder zertifizierte gemeinnützige Organisationen die Organe ankaufen können. Die finanzielle Situation des Versicherten würde beim Kauf eines Organs so keine Rolle spielen.

Außerdem könnten Spender und Empfänger bei einem legalen Verkauf auf hohem medizinischen Niveau behandelt werden. Legale Operationen würden sowohl in armen als auch in reichen Ländern ausschließlich von Experten durchgeführt werden.

Legaler Organhandel unethisch und unnötig?

Auch wenn Spender wie Empfänger durch Regeln auf einem legalen Markt besser geschützt werden, gibt es weitere Einwände gegen die Legalisierung des Organhandels.
Der erste Einwand ist grundsätzlicher Natur: Organe sollten schlicht nicht zum Verkauf stehen – weder legal noch illegal. Dagegen lässt sich basierend auf der Arbeit der Philosophen Jason Brennan und Peter Jaworski einwenden, dass Dinge, die unentgeltlich getauscht werden dürfen, auch gegen Geld getauscht werden können sollten. Unentgeltliche Organspenden sind in den meisten Ländern legal möglich – in Deutschland derzeit zwar nur an Nahestehende. Eine legale entgeltliche Organspende sollte nach diesem Grundsatz ebenfalls möglich sein.

Der zweite Einwand stellt die Notwendigkeit eines legalen Organhandels in Frage. Die Nachfrage nach illegalen Organen könnte gemindert werden, etwa indem die Spenderquote nach dem Tod erhöht wird und Tauschringe sowie Tauchketten erlaubt werden. Außerdem könnte der medizinische Fortschritt, zum Beispiel im Bereich 3D-Druck, in Zukunft Organtransplantationen überflüssig machen. Es ist jedoch möglich, dass in der kurzen Frist auch diese Änderungen nicht ausreichen würden, um die Nachfrage nach Organen gänzlich zu bedienen.

Illegalen Handel durch legalen Handel einschränken

Solange die Nachfrage nach Spenderorganen nicht durch unentgeltliche Organspenden oder den medizinischen Fortschritt vollständig bedient wird, ist die relevante Alternative zu einer Welt mit legalem Organhandel nicht eine Welt ohne Organhandel.

Die relevanten Alternativen sind eine Welt mit ausschließlich illegalem Organhandel und eine Welt, in der der legale Organhandel den illegalen Organhandel weitestgehend zurückdrängt. Ein regulierter legaler Organhandel könnte mehr lebensrettende Transplantationen ermöglichen, professionelle Anbieter von Transplantationen kriminelle Organisationen verdrängen lassen und verlässliche Zahlungen an Spender garantieren.

 

Zuerst veröffentlicht bei IREF.

Photo: Maurice, Arthur Bartlett, Cooper, Frederic Taber from Wikimedia  (CC 0)

Der Geist des Protektionismus verbreitet sich weiter. Der Virus infiltriert nicht nur den internationalen Handel, sondern auch dringend notwendige Investitionen in Deutschland. Zwar singt die Bundesregierung das hohe Lied der Investitionsfreiheit und des Freihandels, aber nur dort, wo es den Interessen des eigenen Landes hilft. Deshalb spricht sie auch davon, dass der internationale Handel fair sein müsse. Was das ist, beantwortet sie willkürlich von Fall zu Fall. Wie es passt. „Wieselwort“ hätte Friedrich August von Hayek so etwas genannt.

Das ist erschreckend. Erschreckend ist auch die Stimmung im eigenen Land gegenüber ausländischen Investitionen. Repräsentativ für dieses Klima ist wohl der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Er sprach sich jetzt ebenfalls für strengere Regeln aus. Man müsse die Naivität gegenüber China ablegen. Den Investitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland liege immer eine strategische Betrachtung zugrunde, so Hüther gegenüber dem Deutschlandfunk.

Eigentlich ist es generell naiv zu glauben, Investitionen von Unternehmen lägen keine strategische Entscheidungen zugrunde. Wahrscheinlich ist und war die Beteiligung des Staates an der Deutschen Post (21 Prozent), an der Deutschen Telekom (31,79 Prozent) auch „strategischer“ Natur. Erst haben die Regierungen verschiedenster Couleur in Deutschland Monopole bei der Briefzustellung und der Telekommunikation geschaffen und über Jahrzehnte erhalten. Anschließend konnten diese mit Monopolgewinnen weltweit investieren und zu globalen Playern in der Logistik und der Telekommunikation werden. Mehr staatliche Industriepolitik geht nicht. Wie viele bis dahin eigenständige Logistik- und Telekommunikations-Unternehmen in anderen Ländern mussten dafür ihre Existenz aufgeben? Und wie viel Know-How haben die beiden deutschen Unternehmen aus diesen Ländern abgezogen, um dieses Wissen für ihre globale Strategie zu nutzen? Welche Absichten hatte die Bundesregierung denn damit? Ist es naiv zu glauben, es sei nicht nur um die Arbeitsplätze im eigenen Land gegangen?

Doch worüber reden wir eigentlich bei der großen Gefahr der chinesischen Investoren, hinter denen vielleicht sogar der chinesische Staat steht? Im ersten Halbjahr 2018 betrugen die chinesischen Investitionen in Deutschland laut der Beratungsgesellschaft Baker McKenzie gerade mal 1,25 Milliarden Euro. Das ist keine Kleinigkeit, aber auch nicht die Welt. Laut der Statistik der Bundesbank betrugen ausländische Direktinvestitionen in Deutschland im letzten Jahr 69,5 Milliarden Euro. Deutsche Direktinvestitionen im Ausland lagen bei fast 112 Milliarden Euro, in den USA fast 12 Milliarden Euro und in China und Hongkong fast 5 Milliarden. Dennoch wird die Bundesregierung nervös. Letzte Woche hat sie über die KfW eine Minderheitsbeteiligung von 20 Prozent eines chinesischen Investors am Stromversorger „50 Hertz“ verhindert sowie eine Übernahme des Maschinenbauers Leifeld Metal Spinning (170 Mitarbeiter, 40 Mio. Euro Umsatz) im westfälischen Ahlen.

Inzwischen zeigt sich, dass diese Entscheidungen nur der Aufgalopp einer grundsätzlichen Änderung der Politik gegenüber ausländischen, insbesondere chinesischen Investoren war. Jetzt will Wirtschaftsminister Peter Altmaier schon unerwünschte Beteiligungen an deutschen Unternehmen ab 15 Prozent untersagen können. Der Geist der Abschottung und des Misstrauens gegenüber ausländischen Investoren wird immer größer. Eigentlich müsste die Regierung vor der eigenen Haustüre kehren.

„Naiv“ ist nicht das bisherige Verhalten, sondern der Glaube, dass eine Verschärfung der Interventionsmöglichkeiten der Regierung nicht folgenlos bliebe. Nicht nur bei Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland. Es wird auch das Vertrauen in die Marktwirtschaft im eigenen Land ruinieren. Diese setzt den Schutz des Eigentums und die Vertragsfreiheit voraus. Das mag banal klingen, ist es aber bei weitem nicht. Wenn eine Regierung die Beteiligung oder die Übernahme durch einen ausländischen Investor verhindern kann, dann greift sie massiv in die Verfügungsgewalt des Eigentums ein. Ein Eigentümer kann nicht mehr frei über sein Unternehmen entscheiden, sondern es steht unter dem Zustimmungsvorbehalt der Regierung. Zwar hat der Unternehmer mit Kapital und unternehmerischem Risiko ein Unternehmen geschaffen. Zwar ist es sein Know-How und sein Unternehmen, aber nur so lange er es nicht verkaufen will. Wer die freie Verfügbarkeit des Eigentums untergräbt, schafft letztlich unser Wirtschaftssystem ab. Besonders Eifrige meinen sogar, dass unser Grundgesetz diese Eingriffe erlauben würde. Immerhin heißt es dort „Eigentum verpflichtet“. Doch diese Argumentation ist nicht mehr naiv, sondern gefährlich. In dieser Auslegung unseres Grundgesetzes würde es einer Mehrheit erlauben, eine Minderheit zu enteignen. Denn die Mehrheit weiß vielleicht besser, wie Eigentum für die Gesellschaft und das Gemeinwohl eingesetzt werden kann. Wenn der Einzelne nicht mehr zählt, sondern die Mehrheit alles darf, dann sind wir im Sozialismus endgültig angelangt.

 

Erstmals veröffentlicht auf Tichys Einblick.

Photo: Garry Knight from Flickr (CC BY 2.0)

Vor einem Jahr habe ich an dieser Stelle und in der Zeitung „Die Welt“ dafür geworben, dass Großbritannien wie die Schweiz werden müsse. Damit habe ich gemeint, dass die Briten bei den Austrittsverhandlungen mit der EU den Ordnungsrahmen der Schweiz übernehmen sollten. Die Schweiz ist Mitglied der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und hat ihre Beziehung zur EU und zum Europäischen Wirtschaftsraum durch bilaterale Verträge geregelt. Bis 1973 gehörte der Inselstaat noch selbst der EFTA an, bis man der damaligen Europäischen Gemeinschaft beitrat. Mitgliedsstaaten der EFTA sind heute Island, Lichtenstein, Norwegen und die Schweiz.

Zwei Jahre nach dem Austrittsreferendum in Großbritannien hat jetzt die Regierung May ein Weißbuch über ihre Vorstellungen einer künftigen Zusammenarbeit mit der EU vorgelegt. Der neue Brexit-Minister Dominic Raab hat dem Unterhaus ein 98 Seiten umfassendes Papier vorgelegt, in dem er letztlich eine Freihandelszone mit der EU vorgeschlagen hat. Zwar will Raab die Freihandelszone nur auf den Warenverkehr und nicht auf den Dienstleistungsmarkt beschränken, dennoch ist der Vorschlag nicht mehr weit weg von dem, was man vor einem Jahr hier lesen konnte. Selbst einen visumsfreien Zugang für Arbeitnehmer und Studenten nach Großbritannien sicherte Raab zu.

Die britische Regierung fürchtet mit Recht einen harten Brexit. Er hätte unvorhersehbare Folgen für den Warenverkehr von und zur Insel. Lieferketten wären unterbrochen, weil die Grenzen dicht gemacht würden. Es hätte steuerliche Folgen für Millionen Menschen und Unternehmen in der EU und in Großbritannien. Selbst Studenten, die mit einem Stipendium an einer englischen Universität studieren, wären plötzlich steuerpflichtig.

Die Risiken eines harten Brexits unterstreichen einige Zahlen: Großbritannien ist die drittgrößte Volkswirtschaft in der EU. Deutsche Unternehmen exportieren Waren und Dienstleistungen im Wert von 86 Mrd. Euro auf die Insel und umgekehrt die Briten für 36 Mrd. Euro nach Deutschland. In den letzten Jahren haben deutsche Unternehmen alleine 120 Milliarden Euro Direktinvestitionen in Großbritannien getätigt. Das alles ist kein Pappenstiel, sondern ist für den Erhalt des Wohlstandes auf beiden Seiten von entscheidender Relevanz.

Die britische Regierung ist dennoch in einer schwierigen Situation. Sie hat die Zeit durch interne Machtkämpfe verplempert und damit ihre Verhandlungsposition geschwächt. Erst jetzt hat die bislang schwankende Theresa May das Heft in die Hand genommen. Bis Ende November muss ein Abkommen stehen, sonst ist die Ratifizierung bis Ende März 2019 in Gefahr. Das ist seriös nicht zu schaffen, weil zahlreiche Streitpunkte ungeklärt sind. Großbritannien will die Hoheit über die Zollpolitik zurückerhalten und sich nicht unter ein EU-Regime begeben. Die Briten wollen sich nicht der Rechtsprechung des EuGH unterwerfen, und auch der EU-Zugang für die britische Finanzindustrie ist ungeklärt.

Für all diese Themen braucht es ein Entgegenkommen beider Seiten. In der Zollpolitik wäre es am einfachsten, wenn sich beide Seiten auf eine generelle Abschaffung von Zöllen einigen würden. Historisch könnte man sich dabei am ersten Freihandelsabkommen überhaupt ein Beispiel nehmen. 1860 vereinbarten Großbritannien und Frankreich den so genannte Cobden-Vertrag. Darin verzichtete Großbritannien auf sämtliche Zölle französischer Waren und Frankreich baute gleichzeitig massiv Zölle ab. Es war eine Blütezeit der wirtschaftlichen Entwicklung in beiden Ländern. Für die Streitschlichtung kann man sich auch an den Freihandelsabkommen orientieren und auf private Schiedsgerichte setzen. Sie haben sich international überaus bewährt, weil sie den Schutz des Eigentums in einem anderen Land gewährleisten und damit erst die Grundlage für Investitionen und Wohlstand schaffen. Problematisch wird es dagegen für den britischen Finanzsektor. Er verliert faktisch den Zugang zum europäischen Markt. Wer bislang keine Geschäftslizenz in der EU beantragt hat, wird auch bis Ende März von der EZB keine Genehmigung mehr bekommen. Der Zug ist abgefahren. Auch deshalb ist es wichtig, dass sich alle Beteiligten für eine Verlängerung der Verhandlungen um zwei Jahre einsetzen. Gründlichkeit geht hier vor Schnelligkeit. Auch das können die Beteiligten von der Schweiz lernen.