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Photo: bloggybulga from Flickr (CC BY 2.0)

Der Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron ist der Shootingstar der französischen Politik. Wenn man sich dagegen den Kanzlerkandidaten der SPD ansieht, muss man feststellen: er ist der Anti-Schulz. Nicht nur, weil er den französischen Sozialisten den Rücken gekehrt hat und seine eigene Bewegung „En Marche!“ gegründet hat, sondern auch, weil er ein modernes sozialdemokratisches Programm verkörpert. Er ist dabei wesentlich näher beim späten Gerhard Schröder als bei Oskar Lafontaine. Schulz ist dagegen inhaltlich näher beim Saarländer Lafontaine, als beim Agenda-Kanzler. Schulz will Deutschland in der Wirtschafts- und Sozialpolitik französischer machen. Macron will Frankreich in der Wirtschafts- und Sozialpolitik deutscher machen. Macrons Agenda 2017 macht durchaus Sinn, denn wie Deutschland 2003 ist Frankreich heute der kranke Mann Europas.

Die Arbeitslosenzahl liegt offiziell bei 3,5 Millionen, tatsächlich sind fast 6,4 Millionen Franzosen arbeitssuchend. Fast 60 Prozent der Wirtschaftsleistung Frankreichs geht durch die Hände des Staates. Die Industrieproduktion im Nachbarland liegt rund 13 Prozent unter dem Hoch von April 2008 und ist auf dem Niveau von vor 20 Jahren. Was Gerhard Schröder damals mit der Agenda 2010 vollbrachte und Martin Schulz jetzt zurückdrehen will, steht also Frankreich erst noch bevor.

Die Agenda Macrons ist in Teilen durchaus marktwirtschaftlich. Er will die 35-Stunden-Woche lockern, 120.000 Beamtenstellen streichen, das Parlament verkleinern, die Vermögensteuer in weiten Teilen beseitigen, Unternehmensteuern senken, Industriebeteiligungen des Staates privatisieren und das Staatsdefizit und die Verschuldung zurückführen. Als Wirtschaftsminister unter Francois Hollande konnte er viele Reformvorschläge zwar nicht durchsetzen, aber an der einen oder anderen Stelle hat er seine tendenziell marktfreundlichen Ansichten durchaus zu erkennen gegeben. So gehen die Zulassung von Sonntagsarbeit und die Liberalisierung des Fernbusmarktes auf seine Initiative zurück. Macron hat ein positives Bild von der Globalisierung und sieht in der Digitalisierung eher die Chancen als die Risiken.

Was ihn auch von Schulz unterscheidet, ist seine realistische Perspektive für die EU und den Euro. Er ist weniger „europabesoffen“ als Martin Schulz, aber dennoch weiß er die Bedeutung eines zusammenwachsenden Europas zu schätzen. Das lässt hoffen. Die Europäische Union und deren gemeinsame Währung, der Euro, stehen vor enormen Herausforderungen. Wer die EU und den Euro nicht abwickeln, sondern, trotz aller derzeitigen Schwächen, zukunftsfähig machen will, muss eigentlich auf Macron setzen. Er ist ein Euro-Realist, der weiß, dass sich das Schicksal des Euro und der EU erst recht an der ökonomischen Zukunft Frankreichs festmachen. Mit ihm ließe sich wahrscheinlich eine atmende Eurozone in Angriff nehmen, in der Mitglieder, die nicht mehr im Euro bleiben wollen oder können, wie Griechenland, aus der gemeinsamen Währung ausscheiden können. Als jemand, der Verständnis für den Markt hat, wird er auch den gemeinsamen europäischen Markt hochhalten und sich wahrscheinlich auch für mehr Haushaltsdisziplin einsetzen.

Die Alternative wäre Marine Le Pen, die auf Abschottung und Protektionismus setzt. Nicht ohne Grund sitzt sie deshalb auch mit der AfD in der gleichen Fraktion des Parlaments der Europäischen Union. Auch diese lehnt bekanntlich die gerade verhandelten Freihandelsabkommen kategorisch ab. Le Pens sozialpolitisches Programm ist dagegen sehr nahe bei Martin Schulz. Sie will die 35-Stunden-Woche erhalten, das Pensionsalter auf 60 reduzieren. Mehr noch: Martin und Marine sprechen auch die gleiche Sprache. Wenn der eine von „neoliberalem Mainstream“ fabuliert, verlangt die andere ein „Ende des Ultraliberalismus“. Ganz anders Macron.

Er plädiert dafür, „liberal“ in Frankreich nicht mehr als Synonym für „Raubtierkapitalismus“ zu sehen, sondern als Lebenseinstellung. Er will ein modernes Frankreich, das nicht die Risiken zuerst sieht, sondern die Chancen des Liberalismus. Während Marine Le Pen zurück zur Todesstrafe will und damit mehr in der Tradition der Jakobiner steht, ist Emmanuel Macron zwar noch kein neuer Frédéric Bastiat, aber er sieht dennoch die größten Herausforderungen Frankreichs darin, wie es „die Beziehung zur Arbeit, zum Geld, zur Innovation, zur Globalisierung, zu Europa, zu Ungleichheiten“ angeht. So spricht kein Pessimist, sondern einer, der selbst ins Risiko geht und den Fortschritt will. Diese Haltung der Hoffnung brauchen wir gerade heute, wo überall Politiker das Erreichte schlecht reden und die Zukunft düster malen.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Skimaniac from Flickr (CC BY-NC 2.0)

Alles hängt mit allem zusammen. Wenn die Präsidentin der amerikanischen Notenbank Fed, Janet Yellen, in der nächsten Woche die Leitzinsen wie erwartet erneut leicht erhöht, dann hat das in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern tiefgreifende Folgen. Die dortigen Regierungen und Unternehmen sind überwiegend in Dollar verschuldet. Erhöht die US-Notenbank den Leitzins und steigen die Zinsen in Amerika anschließend auf breiter Front, dann werden Anlagen in den USA relativ zu Anlagen in anderen Ländern attraktiver. Die Folge: Anlagekapital fließt verstärkt in die USA. Der Wert der US-Währung steigt im Verhältnis zu anderen Staaten, die diesen Schritt nicht mitgehen. Wer Schulden in Dollar hat, muss daher als Regierung oder Unternehmen erheblich mehr zurückzahlen. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer schaffen das meist nicht, da sie in der Zwischenzeit ihre Ausgaben massiv ausgeweitet haben und diese nicht rechtzeitig reduzieren können oder wollen.

Auch der Euro hat gegenüber dem Dollar in den vergangenen drei Jahren fast 24 Prozent seines Wertes verloren. Seitens der Europäischen Zentralbank ist das gewollt, glaubt man doch, dass eine billige Währung die Exporte ankurbelt und so die Konjunkturschwäche in Südeuropa beseitigen hilft. Doch dauerhafter Wohlstand kann nicht mit einer immer billigeren Währung erkauft werden. Hierfür gibt es viele historische Beispiele. Man muss dafür nicht erst nach Simbabwe schauen.

Der Blick sollte hier – aus aktuellem Anlass – eher auf die Entwicklung der Türkei gelenkt werden. Die Neue Türkische Lira hat in der gleichen Zeit rund 70 Prozent des Wertes eingebüßt – und allein in den vergangenen zwölf Monaten rund 30 Prozent. Der Grund dafür:_Die Türkei steht aktuell wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand. Der langanhaltende Aufstieg des Landes scheint zu Ende zu gehen. Dabei war die Türkei lange eine Erfolgsgeschichte. In den vergangenen 30 Jahren hat die Industrieproduktion sich verdreifacht. Selbst die Weltfinanzkrise 2007/2008 hat die Türkei gut überstanden. Zum Tief 2009 legte die Industrieproduktion um fast 50 Prozent zu. Das ist sehr bemerkenswert und zeigt, wieso die Politik Recep Tayyip Erdogans so lange von der großen Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wurde.

Doch inzwischen steigt die Staatsverschuldung massiv an und die Auslandsverschuldung ist im Wesentlichen im Dollarraum angesiedelt. 2016 hat die Notenbank massiv Staatsanleihen gekauft und so die eigene Verschuldung durch die Notenpresse finanziert. Gleichzeitig wurden exportorientierte Unternehmen mit geldpolitischen Maßnahmen subventioniert, um das Handelsbilanzdefizit zu reduzieren. Denn die Währungsreserven der Türkei sinken massiv, gleichzeitig steigen die Verbraucherpreise stark an. Investoren verlassen das Land und auch die wichtige Tourismusindustrie bricht massiv ein. Hinzu kommt, dass viele kluge Köpfe das Land verlassen, was zu einem Verlust von Wissen führt.

Die Türkei steht mit dem Rücken zur Wand. Das ist wohl der Grund, wieso Präsident Erdogan immer autoritärer im In- und Ausland auftritt. Wirtschaftliche Probleme werden oftmals politisch dadurch kaschiert, dass Regierungen ablenken, neue Feindbilder schaffen und die Notenbanken zur Staatsfinanzierung missbrauchen. So macht es jetzt auch Erdogan. Der kommende Zinsschritt in den USA wird die Probleme der Türkei daher weiter massiv verschärfen.

Auf den Druck und die Provokationen Erdogans sollte die deutsche Regierung mit Klarheit antworten. Angela Merkels Flüchtlingsdeal mit Erdogan hat diese Klarheit nicht geschaffen, sondern die Bundesregierung erpressbar gemacht. Um so mehr Klarheit müsste eine Kanzlerin jetzt an den Tag legen, wenn eine ausländische Regierung ihre Probleme durch provokative Wahlkampfauftritte in Deutschland lösen will. Eine ausländische Regierung kann sich nicht auf das Minderheitenrecht der Meinungsfreiheit berufen, um innenpolitische Fragen in einem anderen Land zu thematisieren. Diese Klarheit muss die Bundesregierung nun schaffen.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 11. März 2017.

Photo: Stewart Black from Flickr (CC BY 2.0)

Inflation ist Diebstahl. Das Perfide an ihr ist, dass der Dieb nicht direkt ins Haus einbricht und das teure Gemälde mitgehen lässt, sondern im fernen Frankfurt sitzt und Geld druckt. Der Staat ist daran schuld. Inflation hat ihre Ursache in der expansiven Geldpolitik der Notenbanken. In der Eurozone ist die Menge an Bargeld und Sichteinlagen (M1) in den letzten Jahren um über 10 Prozent pro Jahr gestiegen, wie auch die breitere Geldmenge (M3), die Kredite und andere Geldmengenaggregate berücksichtigt, im Durchschnitt pro Jahr um über 5 Prozent wuchs.

Wer die Möglichkeit hat, die Geldmenge zu bestimmen oder zu beeinflussen, schafft die Grundlage für Preissteigerungen. Bislang konnte sich Mario Draghi im EZB-Turm noch rausreden. Seine Zielmarke für die Inflation war lange Zeit weit unter den von ihm angestrebten zwei Prozent. Jetzt lag sie nach langer Zeit in Deutschland im Februar darüber – bei 2,2 Prozent. Die Grundlage hat die EZB seit vielen Monaten selbst geschaffen. Ihre Nullzinspolitik und ihr Schuldenaufkaufprogramm spülten Geld aus dem Nichts in die Märkte. Damit schuf sie die Basis für diesen Preisanstieg, der zuerst bei den Immobilien- und Aktienmärkten ankam und jetzt auch bei den Konsumgütern. Zwar definiert das Statistische Bundesamt die Inflation als „die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten für Konsumzwecke gekauft werden“, doch mit dieser Art von Statistik ist es so eine Sache.

Es gibt nicht den Durchschnittskonsumenten, die Durchschnittsfamilie oder den Durchschnittsstudenten. Jeder ist anders. Aber nicht nur das. Viel entscheidender ist die Tatsache, dass die Geldmengenveränderung nicht alle zum gleichen Zeitpunkt erreicht, sondern einige früher und einige später. Deshalb ist jeder Veränderung durch die Geldpolitik der Notenbanken ein Eingriff in das Handeln einzelner und das hat Folgen für Sparer, Investoren, Steuerzahler, Konsumenten, Unternehmer, Politiker, Rentner, Schüler und Studenten, Banker, Arbeitnehmer, Beamte und alle anderen am Gesellschaftsleben Beteiligten.

Dieser Sachverhalt ist nicht neu. Bereits der irische Ökonom Richard Cantillon (1680-1734) untersuchte die Folgen einer Veränderung der Geldmenge für die Marktteilnehmer. Cantillon beschreibt, welche Auswirkungen eine Geldmengenerhöhung auf die Geldhalter hat. Keineswegs ist dieser Vorgang – die Inflation – für alle Geldhalter gleichermaßen von Vorteil. Es profitieren besonders diejenigen, die das frische Geld zuerst erhalten. Insbesondere der Staat und die Geschäftsbanken ziehen den Nutzen aus der Geldmengenerhöhung, zu Lasten der Bürger. Heute gilt das immer noch. Finanzminister Schäuble muss fast keine Zinsen mehr für seine Schulden bezahlen und marode Banken können sich immer noch über Wasser halten. Cantillon lebte in Zeiten des Goldstandards, in der die Geldschöpfung nur durch eine stärkere Förderung von Gold in Goldminen oder durch Entdeckung und Raub von Gold möglich war. Heute ist die fast unbegrenzte Geldschöpfung durch Kreditvergabe der Banken aus dem Nichts möglich.

Was vielfach nicht beachtet wird, ist, dass dadurch eine schleichende Umverteilung von arm zu reich stattfindet. Diejenigen, die in den letzten Jahren in Vermögenswerte wie Aktien und Immobilien investieren konnten, haben tendenziell profitiert. Diejenigen, die das nicht konnten, müssen jetzt mit steigenden Preisen bei den Konsumgütern dafür bezahlen. Draghis Eingriff in den Preismechanismus unserer Marktwirtschaft enteignet die kleinen Sparer und läßt dem normalen Konsumenten immer weniger von seinem Einkommen. Leider ist Draghi kein Einzeltäter. Die Geschichte staatlichen Umgangs mit Geld ist bekanntlich eine Geschichte von unablässigem Lug und Trug.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Princeton University Art Museum from Wikimedia Commons (CC 0)

Griechenland muss raus aus dem Euro. Je eher desto besser. Es wäre für beide Seiten gut. Für die Griechen, weil sie sich so endlich der verhassten Fremdherrschaft entledigen und einen echten Neuanfang in eigener Verantwortung angehen könnten. Und für die übrigen Euro-Staaten wäre der Austritt Griechenlands ebenfalls ein Segen. Die ungeschminkte Wahrheit käme endlich auf den Tisch. Das halbjährliche Theater über die weitere Auszahlung und Rückzahlung von Geldern, die Griechenland erhalten oder bezahlen muss, ermüdet nicht nur die Finanzminister in der EU. Wen interessiert es wirklich, ob der IWF bei der Programmumsetzung dabei bleibt oder nicht? Eigentlich ist es so interessant wie wenn in China eine Bratwurst platzt. Es ist nicht mehr und nicht weniger als politisches Mikado von Wolfgang Schäuble, um seine vermeintliche Entschlossenheit gegenüber der sozialistischen Regierung in Griechenland zu demonstrieren. Umgefallen ist der deutsche Finanzminister dennoch seit 2010 jedes Mal.

Die ewigen Rituale der Überprüfung nicht in die Tat umgesetzter Maßnahmen, die die Regierung und Bevölkerung in Griechenland eigentlich nicht wollen, aber dennoch auf Druck der EU müssen, ist längst zu einer Posse geworden.

Allein die Geschichte um die Privatisierung von Staatsvermögen in Griechenland kann nicht einmal mehr Frustration, sondern nur noch Lethargie hervorrufen. 2010 wurde das Ziel ausgegeben, bis Ende 2015 Privatisierungserlöse von 50 Milliarden Euro zu erzielen. Im 2. Griechenland-Programm im März 2012 wurde die Summe auf 24 Milliarden Euro bis 2016 reduziert. Die erste Überprüfung des Programms im Dezember 2012 führte dazu, dass man diesen Plan auf das Jahr 2020 verlängert hat. Im Juni 2013 wurde vereinbart, dass Ende 2016 Privatisierungserlöse von 9,2 Milliarden Euro in der Kasse sein sollten. Wahrscheinlich wurde es anschließend nochmals mehrfach verändert. Irgendwann hört man einfach auf zu zählen.

Tatsächlich sind bis heute lediglich 1,5 Milliarden Euro eingenommen worden. Griechenland gibt rund 10 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für das Rentensystem aus. Deutschland unter 3 Prozent. Die Militärausgaben sinken zwar, aber längst nicht so deutlich, wie das eigentlich notwendig wäre. Immer noch gibt Griechenland absolut mehr Geld dafür aus als Belgien oder Dänemark und 63 Prozent mehr als das gleich große Portugal. Innerhalb der Nato gibt Griechenland auch im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung mit 2,4 Prozent nach den USA den höchsten Anteil für die Verteidigung aus. Selbst der Nato-Partner Türkei gibt dafür mit 1,6 Prozent weniger aus. Die überhöhten Ausgaben werden mit dem schwelenden Konflikt mit dem ungeliebten Nachbarland begründet – mit dem man gemeinsam Mitglied der NATO ist … Gerne wird von den Medien die soziale Dimension des wirtschaftlichen Niedergangs beschrieben. Es stimmt: die Wirtschaftskraft Griechenlands ist seit 2007 um 26,5 Prozent eingebrochen, die Hälfte der Griechen bezahlt keine Einkommensteuer, die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch. Aber um das zu ändern, müsste jede Regierung dieser Welt eine Prioritätensetzung vornehmen. Wird das wenige Geld in die Zukunft investiert oder in die Vergangenheit? An dieser Frage kommt auch eine sozialistische Regierung nicht vorbei: Militärausgaben oder Bildung? Effizientes Steuersystem oder Korruption? Privatisierung und neue wirtschaftliche Dynamik oder Vetternwirtschaft?

Die Griechen selbst trauen dem Braten und ihrer Regierung nicht und ziehen trotz Kapitalverkehrskontrollen immer mehr Geld von den Banken ab. Seit dem Hoch 2009 sind es fast 50 Prozent. Selbst die Tourismusbranche schwächelt, obwohl wieder vermehrt Urlaub in Europa gemacht wird. Im letzten Jahr sind die Einnahmen dort um fast 7 Prozent zurückgegangen.

Wann ziehen die Euro-Staaten, die EU und der IWF endlich die Konsequenzen? Griechenland muss raus aus der Unmündigkeit, muss den Euro verlassen und anschließend mit seinen Gläubigern über einen Schuldenschnitt verhandeln. Die EU muss diesen Prozess begleiten und auch finanziell unterstützen. Aus dem Dreiklang „Austritt, Schuldenschnitt, Hilfe“ erwächst eine neue Perspektive für Griechenland und die übrigen Euro-Mitglieder. Der Euro muss zu einer atmenden Währung werden, die so flexibel ist, dass sie Ländern, die nicht im Euro bleiben wollen oder können, einen Weg heraus ermöglicht und gleichzeitig eine Perspektive innerhalb der Europäischen Union aufrechterhält.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Sludge G from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Was bewegt den französischen Autohersteller PSA, Opel zu kaufen? Vielleicht ist es die Elektrostrategie der Rüsselsheimer, vielleicht ist es der Preis oder vielleicht ist es auch nur das dichte Vertriebsnetz Opels in Deutschland. Wir wissen es nicht. Ebenso wissen wir nicht, was das chinesische Unternehmen Midea bewegt hat, den Augsburger Roboterhersteller Kuka zu übernehmen. Ex-Wirtschaftsminister Gabriel wusste es jedoch gleich, so dass er einen Ausverkauf „deutscher Hochtechnologie“ heraufbeschwor. Gibt es denn „deutsche Hochtechnologie“? Nein, natürlich nicht.

Kuka gehörte nicht Sigmar Gabriel, der Bundesregierung oder allen Deutschen, sondern war im Streubesitz. Jeder konnte daher das Unternehmen kaufen. Die jeweiligen Beweggründe können dabei sehr unterschiedlich sein, warum ein chinesisches Unternehmen letztlich in das Augsburger Unternehmen investierte. Doch ist Midea eigentlich ein chinesisches Unternehmen? Immerhin sind 20 Prozent der Eigentümer nicht-chinesische Investoren. Wem gehört Opel? Neu-Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries, den Opelanern in Rüsselsheim oder allen Deutschen? Nein, seit 1929 gehört die Adam Opel AG mehrheitlich zu General Motors in den USA. Ist PSA ein französisches Unternehmen, nur weil es Peugeots und Citroëns herstellt? Auch nicht so ganz, immerhin ist daran zu fast 13 Prozent ein chinesischer Investor beteiligt. Ist die Deutsche Bank eine deutsche Bank, nur weil sie so heißt und ihre Gründung in Deutschland war? Auch nicht ganz, immerhin sind 44 Prozent des Grundkapitals in ausländischem Eigentum.

Wer in solchen Kategorien denkt, ist nicht nur fremdenfeindlich, sondern offenbart auch ökonomische Blindheit. Letztlich unterstellen die Kritiker den Investoren destruktive Absichten. Das mögen Regierungen untereinander so handhaben, bei Wirtschaftsunternehmen ist das nicht sehr wahrscheinlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Investor seine Investitionssumme mindestens mittel- bis langfristig vermehren will, ist weitaus größer, als dass er freiwillig Geld verbrennt. Unternehmen wollen wachsen, wollen ihre Ertragskraft erhöhen und neue Märkte erobern. Sie wollen ihre Aktionäre und Eigentümer nicht ärmer, sondern reicher machen. Alles andere ist ein Hirngespinst einer konstruktivistischen Industriepolitik. Seit 2000 soll General Motors in Europa mit Opel und anderen Marken über 15 Milliarden Dollar Verlust gemacht haben. Es ist nicht verwunderlich, dass GM so langsam die Geduld verliert. Für Opel mag die Zusammenarbeit mit PSA auch neue Chance bieten, hat GM doch bislang verhindert, dass Opel auch in Übersee seine Autos verkaufen konnte. Daher sind die Reflexe der Politik in den betroffenen Ländern besorgniserregend.

Gerade hat Gabriels Nachfolgerin Brigitte Zypries mit Italien und Frankreich einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, wie die EU künftig den „Ausverkauf europäischer Expertise“ verhindern kann. Es dürften künftig nicht nur Sicherheitsaspekte und die mögliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung als Untersagungsgrund möglich sein, sondern auch ökonomische Kriterien. Da fragt man sich, welche? Die Standorte, die Frauenquote oder die Anzahl der Unisex-Toiletten? Wo fängt es an und wo hört der Eingriff in die Vertragsfreiheit und das Eigentum auf?

Grundsätzlich müsse auch die Reziprozität gelten, so der Plan. Also nur, wenn das Land, aus dem der Käufer stammt, ebenfalls ausländische Übernahmen ermöglicht, dann sei das auch im eigenen Land in Ordnung. Es lässt tief blicken, dass die Nachfolgerin von Ludwig Erhard so argumentiert. Sie hat das Einmaleins der Marktwirtschaft nicht verstanden. Wieso darben denn Länder wie Griechenland oder Portugal vor sich hin? Warum ist die Arbeitslosigkeit in Italien so hoch? Weshalb hinkt Frankreich beim Wachstum anderen hinterher? Sicher nicht, weil in diesen Ländern zu viel investiert wird. Ganz im Gegenteil, weder Investoren aus dem eigenen Land noch von außen wollen ihr Geld in diesen Ländern ausreichend anlegen. Es herrscht überall in diesen Ländern Investitionsmangel. Die Ursachen dafür sind vielschichtig. Der Arbeitsmarkt ist zu starr, die Bürokratie zu lähmend, der Staatseinfluss zu dominant oder die Steuern zu hoch. Es ist die europäische Krankheit, dass Auslandsinvestitionen als Gefahr und nicht als Ausdruck der Attraktivität des Standortes betrachtet werden. Wenn die deutsche Regierung sich die Industriepolitik der Länder mit sozialistisch geprägter Wirtschaftspolitik wie Italien und Frankreich zum Vorbild nimmt, die nachweislich zurückgefallen sind, dann gefährdet sie letztlich unser aller Wohlstand.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.