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Photo: dierk schaefer (CC BY 2.0)

Die DDR-Vergangenheit wird verharmlost, vertuscht, verklärt. Es hat Folgen für die heutige Politik, wenn ein „Schutzwall“ nicht als mörderisches Instrument gesehen wird und eine exzessive Planwirtschaft nicht als Weg zur Verelendung großer Bevölkerungsteile.

Mauer, Stasi und Mangelwirtschaft als Pflichtübungen

Wenn Sie dieser Tage in Berlin unterwegs sind, kann es passieren, dass Sie in eine S-Bahn steigen, auf der für das DDR-Museum geworben wird. Hierbei handelt es sich nicht etwa um einen Erweiterungsbau der Gedenkstätte im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen, um die Schrecken der 40 Jahre langen Diktatur darzustellen. Eher im Gegenteil: Das DDR-Museum liegt in bester Lage an der Spree gegenüber dem Berliner Dom. Der Besucher kann sich in alte Trabis setzen, sich über die FKK-Kultur und die Blech-Münzen amüsieren, etwas Kalter-Krieg-Grusel empfinden und in einem authentischen DDR-Wohnzimmer umherwandeln – inklusive Abhörstation.

Mauer, Stasi und Mangelwirtschaft kann man natürlich schwerlich auslassen. Aber man will den etwa 600.000 Menschen, die jährlich das Museum besuchen, ja nicht die Stimmung vermiesen. Und so ist die Darstellung dieser Aspekte der DDR eher eine Pflichtübung, die auch noch absolviert wird. Wer will schon den spanischen Schulklassen, britischen Fanclubs und japanischen Rentnerinnen, die sich gerade zwischen dem Döner am Hackeschen Markt und dem Bummel über die Friedrichstraße befinden, die Geschichten erzählen von Unterdrückung und Umweltverpestung, von Fremdenfeindlichkeit und Familienzerwürfnissen, von Misswirtschaft und Mauertoten?

Stalinisten als Namensgeber

Das Museum ist eines der prominentesten Beispiele für DDR-Nostalgie, aber bei weitem nicht das einzige. Mitten durch Berlin laufen gleich zwei große Straßen, die nach Karl Marx benannt sind, auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gibt es noch unzählige von ihnen. Auch Rosa Luxemburg fungiert als Namensgeberin für Straßen, Plätze, Schulen und sogar eine Stiftung. Also die Frau, die feststellte „Wer sich dem Sturmwagen der sozialistischen Revolution entgegenstellt, wird mit zertrümmerten Gliedern am Boden liegenbleiben.“ Auch der ausgemachte Stalinist Ernst Thälmann geistert noch allenthalben mit Denkmälern und als Namensgeber durch die östlichen Teile unseres Landes. All diese kulturellen Reminiszenzen an ein diktatorisches Regime sind in etwa so absurd als würde man einen Erlebnispark Deutscher Kolonialismus aufmachen, wo man lustige Tropenhüte erwirbt, mit einer Bimmelbahn die Ostafrikanischen Zentralbahn nachspielt und alle zwei Stunden einem traditionellen Tanz der Papua zusehen kann.

Doch nicht nur die Symbole und Souvenirs sind erhalten geblieben. Auch in vielen Köpfen ist die DDR noch oder wieder ein Sehnsuchtsort. Nach der Wiedervereinigung war sie vor allem für die „Wendeverlierer“ das positive Gegenbild zur neuen Realität. Diese Menschen verhalfen der zur PDS gewandelten SED zum Überleben. Inzwischen gibt es eine neue Gruppe, für die die Vorstellung umfassender Fürsorge und echten Schutzes an Attraktivität gewinnt. Es sind die Menschen, die sich überrannt fühlen von der Globalisierung, denen gesellschaftliche Veränderungen zu schnell gehen und die das Gefühl haben, vernachlässigt zu werden.

Die Versuchung, Verantwortung abzugeben

Vernachlässigung war nun wahrhaft nicht das Problem des DDR-Regimes. Für jeden wurde ein Arbeitsplatz gefunden, für jeden die Konsummöglichkeiten bestimmt und viele hatten einen ganz persönlichen Ansprechpartner und Kümmerer im Ministerium für Staatssicherheit. Der marktwirtschaftlich organisierte und freiheitlich-demokratische Rechtsstaat bietet da wesentlich weniger Komfort und verlangt ein wesentlich höheres Maß an Selbstverantwortung. Natürlich gibt es auch in diesem System immer wieder Verlierer – zumindest im Kontrast zu den Gewinnern. Weil die DDR-Vergangenheit jedoch nie wirklich aufgearbeitet wurde und landauf, landab eher der kitschige als der kritische Blick dominiert, fällt es den Verlierern schwer zu erkennen, dass sie selbst als Verlierer im jetzigen System noch viel besser dran sind.

Ein Resultat der mangelhaften bis ungenügenden DDR-Vergangenheitsbewältigung ist der rege Zuspruch, den Kritiker und Gegner von Marktwirtschaft, freiheitlicher Demokratie und offener Gesellschaft derzeit erfahren. Bei den Wahlen in den ostdeutschen Bundesländern haben Parteien am linken und am rechten Rand in den letzten beiden Jahren zwischen 33 und 42 Prozent der Wähler hinter sich versammeln können. Diese Wähler sind nicht lauter Kommunisten und Rassisten. Es sind insbesondere auch Menschen, die sich – oft mit guten Gründen – schwertun, zu akzeptieren, dass unser gesellschaftliches und politisches System ihnen mehr Selbstverantwortung zumutet als sie zu übernehmen bereit oder vielleicht auch imstande sind.

Der Preis, den ein vermeintlich einfacheres, überschaubares und sichereres System á la DDR uns abverlangt, ist vielen zu wenig bewusst. Wer den Durchmarsch der Parteien der einfachen Antworten auf der Linken und Rechten stoppen will, muss auch bei einem besseren Geschichtsverständnis ansetzen. Darum ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, noch viel deutlicher als bisher klarzumachen, dass zentrale Planungsbehörden und Einheitsprodukte, Mauern und politische Gefängnisse zu den ganz großen Tragödien unseres Landes, ja unseres Kontinents gehören. Das hatte schon vor bald zehn Jahren der bedeutende Historiker Hans-Ulrich Wehler vorausgesehen: „Eine intensive Beschäftigung mit der DDR-Vergangenheit ist dringend geboten. Die Konsequenzen dieses Staates sind doch nicht nur in Bitterfeld, sondern auch in der Gesellschaft noch über Jahrzehnte zu beobachten.“

Photo: theilr from Flickr (CC BY-SA 2.0)

In dieser Woche hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine einstündige Rede zur Lage der Union im Europaparlament gehalten. Sie wird nicht in die Geschichtsbücher eingehen, daher erlauben wir uns, ihm eine neue zu schreiben.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

wir alle müssen innehalten. Die Europäische Union kann nicht so weitermachen wie bisher. Die Eurokrise, die Flüchtlings- und Migrationskrise und letztlich auch der drohende Brexit führen uns vor Augen, dass wir unsere Probleme nur unzureichend gelöst und an Attraktivität und Anziehungskraft verloren haben. Die Europäische Union muss sich verändern, um für die Menschen in Europa ein tatsächliches Friedensprojekt zu werden und den Wohlstand der Menschen in Europa zu mehren.

Das erfordert zuerst die Erkenntnis, dass Europa größer ist als die EU. Auch die Schweiz und Norwegen gehören zu Europa. Sie sind in vielerlei Hinsicht Leuchttürme in Europa. Die Europäische Union darf sich nicht länger anmaßen, für ganz Europa zu sprechen. Und wir dürfen uns nicht länger als Oberlehrer gegenüber den kleinen Staaten inner- und außerhalb der EU aufführen.

Viele hier im hohen Haus wollen die Europäische Union zu einem Bundesstaat nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika entwickeln. Davon halte ich nichts. Ich glaube im Gegenteil, dass ein konföderales Europa souveräner Staaten das Ziel der Union sein sollte. Dies entspricht viel eher dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger in den Mitgliedsstaaten. Wir sollten daher Abschied vom bei vielen zum Dogma gewordenen Grundsatz einer „ever closer union“ nehmen. In der Europäischen Union muss es eine freiwillige vertiefte Zusammenarbeit dort geben, wo ein Konsens erzielt werden kann. Dieser Konsens muss nicht für alle Zeiten gelten, sondern Mitgliedsstaaten müssen ein Rückholrecht erhalten, wenn sich ihre Situation oder Meinung ändert.

Die EU beruht auf dem Konsens seiner Mitglieder. Dieser kann nicht erzwungen werden. Bei der Euro-Schuldenkrise, aber auch bei der jüngsten Flüchtlings- und Migrationskrise sind gemeinsam geschaffene Regeln außer Kraft gesetzt worden. Das darf es nie wieder geben. Deutschland darf nicht am Geist des Dubliner Abkommens vorbei einseitig Flüchtlinge und Migranten nach Deutschland einladen. Und Länder, die Außengrenzen der EU haben, müssen diese konsequent schützen und die unkontrollierte Einreise unterbinden. Nur so läßt sich der Schengenraum aufrechterhalten. Nur so läßt sich die Personenfreizügigkeit erhalten.

Die Kommission als Hüterin des Rechts wird künftig ohne Rücksicht auf die Größe des Mitgliedsstaates Vertragsbrüche einzelner konsequent sanktionieren.  Das gilt sowohl für die Defizitländer Frankreich, Portugal, Italien und erst recht für Griechenland. Seit 6 Jahren schwelt die Krise in Griechenland, ohne dass es nennenswerte Fortschritte gibt. Wir müssen nüchtern erkennen, dass der eingeschlagene Weg nicht erfolgreich war. Daher schlägt die Kommission vor, Griechenland in einem Zeitraum von einem Jahr geordnet aus dem Euro zu führen. Wir wollen den Euro zu einer atmenden Währung weiterentwickeln, weil wir glauben, dass nur so die fiskalische Disziplin in den Mitgliedsstaaten einkehrt.

Der Binnenmarkt ist das verbindende Element. Diesen wollen wir stärken. Wir sollten die Waren- und Dienstleistungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit innerhalb des Binnenmarktes erhalten und sie als Vorbild für eine Renaissance des Freihandels auf der Welt betrachten. Deshalb tritt die EU-Kommission dafür ein, dass überall auf dieser Welt Handelsschranken abgebaut werden. Hierzu werden wir einseitig gegenüber anderen Staaten unsere Handelsschranken beseitigen und laden andere dazu ein, uns gleiches nachzutun.

Wir respektieren, dass Länder die mit uns Handel treiben wollen, nicht automatisch die Personenfreizügigkeit, die wir für richtig und notwendig halten, akzeptieren. Es darf kein „Alles oder Nichts“ für den Zugang zum Binnenmarkt geben.  Wir laden Großbritannien daher ein, ohne Vorbedingungen und ohne Zahlungen in den EU-Haushalt am Europäischen Wirtschaftsraum teilzunehmen. Der Handel der Mitgliedsstaaten mit Großbritannien und umgekehrt ist für beide Seiten von Vorteil.

Wir wollen eine Union sein, die für Marktwirtschaft und gegen ein Modell der Planification steht. Nur die Marktwirtschaft sichert Wachstum und Wohlstand in Europa. Dies setzt voraus, dass neben den Chancen im Markt auch die Übernahme von Verantwortung durch Haftung notwendig ist. Ein EU-Finanzminister mit eigenem Budget oder der nach mir benannte Investitionsplan sind keine geeigneten Maßnahmen, weil sie notwendige Anpassungsprozesse in den Mitgliedsstaaten hinauszögern oder sogar verhindern. Wir wollen stattdessen einen Wettbewerb der Systeme zwischen den Mitgliedsstaaten erreichen, in dem unterschiedliche Währungen, Sozial- und Rechtssysteme um die beste Lösung ringen.  Wir glauben, dass dies der historisch föderalen Struktur in Europa am besten gerecht wird.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete,

all dies wird die Europäische Union grundlegend verändern. Daher werde ich heute auf dem EU-Gipfel in Bratislava ein umfangreiches Paket vorschlagen, das notwendige Änderungen der Europäischen Verträge einleitet, die im Rahmen von Volksabstimmungen in den Mitgliedsstaaten gebilligt werden sollten. Lassen Sie mich meine Ausführungen mit einem Zitat des ehemaligen EU-Kommissars Ralf Lord Dahrendorf beenden: „Europa muss Rechtsstaat und Demokratie verkörpern, pflegen und garantieren: sonst ist es der Mühe nicht wert“

Vielen Dank!

Foto: der LichtKlicker from flickr (CC BY-NC 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Fast 90% der Deutschen halten die Demokratie für die beste Herrschaftsform, wenngleich die Zustimmungsrate in den letzten Jahren leicht gefallen ist. Den Kapitalismus hingegen hält nur ein gutes Viertel der Bevölkerung für segensreich, den Sozialismus dagegen fast die Hälfte. Den Geist dieser Einstellung bringt Linkspartei-Politikerin Sahra Wagenknecht auf den Punkt, wenn sie fordert: „Freiheit statt Kapitalismus!“ Tatsächlich ist Freiheit ohne Marktwirtschaft genauso wenig zu denken wie Reichtum ohne Demokratie. In Kombination bilden Marktwirtschaft und Demokratie die wirksamste Voraussetzung für wachsenden Reichtum und zunehmende Freiheit.

Reichtum und Freiheit kein Automatismus

Die Menschheit wird reicher. Spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts wächst der Wohlstand weltweit und der Anteil der absolut Armen nimmt ab. Die Menge der pro Kopf produzierten und zum Konsum bereitstehenden Güter und Dienstleistungen wächst von Jahr zu Jahr.

Die Menschheit wird auch immer freier. Immer mehr Menschen sind in der Lage, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen und an der Gestaltung ihrer Umwelt teilzuhaben, statt der Willkür weniger Mächtiger unterworfen zu sein.

Doch wachsender Wohlstand sowie zunehmende Freiheit sind keine Automatismen. Weiterhin sind Reichtum und Freiheit auf der Welt sehr ungleich verteilt. Dass einige Länder reich und frei sind, während andere Länder arm und unfrei sind, ist nicht Ergebnis des Schicksals oder Zufalls. Was macht Menschen in einigen Ländern reich und frei, während Menschen in anderen Ländern arm und unfrei bleiben?

Das Erfolgsrezept ist die marktwirtschaftlich organisierte Demokratie – eine Gesellschaftsordnung, in der die Allokation von Gütern und privater Eigentumsrechte an ihnen über Märkte erfolgt und der Zugang zu politischer Macht wettbewerblich und für alle offen ist. In marktwirtschaftlich organisierten Demokratien genießen Menschen sichere private Eigentums- und andere Persönlichkeitsrechte, die die Grundlage für Wohlstand und Freiheit bilden.

Wie gut es Menschen in reichen und freien Ländern gelingen wird, ihr Glück zu bewahren und wie gut es Menschen in armen und unfreien Ländern gelingen wird, ihr Leben in Zukunft lebenswerter zu gestalten, hängt entscheidend davon ab, dass wir diese Voraussetzungen einer freien und reichen Gesellschaft verstehen.

Voraussetzung für Wohlstand: wachsender Kapitalstock

Vor Beginn der industriellen Revolution lebten fast alle Menschen in Armut. Ihr Lebensstandard verbesserte sich nur langsam. Reichtum war auf kleine Gruppen konzentriert. Spätestens mit der industriellen Revolution ist es einigen Ländern gelungen, der Armut zu entfliehen – zunächst Großbritannien, den Niederlanden und Italien, dann anderen Ländern Europas, den USA, Japan und Teilen des Commonwealths. Seitdem werden die in diesen Ländern lebenden Menschen von Generation zu Generation reicher.
Die Grundlage für diese Entwicklung sind Produktivitätsgewinne. Der wachsende Kapitalstock dieser Länder ― dazu gehören beispielsweise Fabriken, Humankapital und die Infrastruktur ― macht menschliche Arbeitskraft produktiver, lässt sie also unter Einsatz derselben Arbeitskraft mehr Güter und Dienstleistungen produzieren.
Auch nachdem die industrielle Revolution einen Teil der Welt längst aus der Armut gerissen hatte, haben es manche Länder geschafft, auf den Wohlstandspfad zu gelangen. Prominente Beispiele sind die ostasiatischen Tigerstaaten Südkorea, Taiwan, Singapur und Hongkong, deren Reichtum seit den 1980er Jahren schnell wächst. In anderen Ländern ist es Menschen nicht gelungen, den Kapitalstock massiv auszubauen, etwa in weiten Teilen Afrikas südlich der Sahara.
Wie kommt es, dass der Kapitalstock in manchen Ländern schnell wächst, während er in anderen Ländern nur langsam wächst, stagniert oder gar schrumpft?

Kapitalstock kann wachsen, wenn Privateigentum sicher ist

Der Kapitalstock wächst, wenn Menschen ihr Einkommen nicht vollständig konsumieren, sondern in Teilen sparen und für Investitionen bereitstellen. Konsumverzicht heute ist also die Grundlage für einen größeren Kapitalstock morgen. Da ein größerer Kapitalstock zukünftig mehr Konsum erlaubt, ist es für Menschen grundsätzlich lohnenswert, einen Teil ihres Einkommens zu investieren. Wie viel sie sparen, hängt unter anderem davon ab, wie sehr sie zukünftigen Konsum wertschätzen. Es hängt aber auch davon ab, wie sicher Menschen sein können, dass sie in Zukunft nicht durch Diebstahl oder Enteignungen um die Früchte ihres heutigen Verzichts gebracht werden.

BIP
Damit Menschen sich freiwillig dazu entschließen, Konsumverzicht zu üben, müssen Institutionen vorherrschen, die private Eigentumsrechte gegen Übergriffe durch Private oder den Staat schützen und dezentralisierte Entscheidungen über Konsum und Sparen ermöglichen. Es braucht eine Marktwirtschaft, basierend auf privaten Eigentumsrechten. Alternative Methoden den Kapitalstock aufzubauen – über Sklaverei, Planwirtschaft oder Raubzüge – erwiesen sich historisch und erweisen sich aktuell nicht nur als ungeeignet, sondern katastrophal für die unfreiwillig Beteiligten.

In Ländern, die Institutionen zum Schutz privaten Eigentums früh ausgebildet haben, wurden Menschen früher reich. Es ist unklar, weshalb diese Institutionen zuerst in Westeuropa entstanden sind – das mag beispielsweise an kulturellen Besonderheiten oder der Rolle des Außenhandels liegen. Entscheidend ist, dass die Voraussetzungen für einen wachsenden Kapitalstock und Reichtum bekannt sind: Marktwirtschaft auf Grundlage sicherer privater Eigentumsrechte.

Demokratie sichert Persönlichkeitsrechte

Eigentums- und andere Persönlichkeitsrechte werden in Demokratien am besten gesichert. Rechtsstaatlichkeit und Wettbewerb um politische Ämter schränken Machtmissbrauch ein und erlauben die Partizipation an politischen Entscheidungen. In Demokratien müssen die Wünsche der Bürger berücksichtigt werden, wenn Machthaber ihr Mandat nicht verlieren wollen.

Marktwirtschaft und Demokratie ergänzen sich deshalb nicht nur, sie bestärken sich gegenseitig. Der in Demokratien stattfindende Wettbewerb um politische Machtpositionen schränkt den Einflussbereich dieser Machtpositionen zugleich ein und trägt so zu sicheren privaten Eigentumsrechten bei. Marktwirtschaftliche Institutionen und sichere private Eigentumsrechte beschränken ihrerseits die Anwendung demokratischer Entscheidungsfindung auf jene Bereiche, in denen sie angemessen ist.


Demokratische Gesellschaften sind nicht frei von Problemen. Sie müssen Mechanismen entwickeln, um zu verhindern, dass organisierte Interessengruppen auf Kosten der restlichen Gesellschaft von Sonderrechten profitieren, dass Politiker ihre eigenen Interessen allzu sehr in den Vordergrund stellen und dass Mehrheiten die Freiheit von Minderheiten einschränken. Ein wirksames Mittel gegen diese Gefahren ist die Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen.

Demokratie und Marktwirtschaft sind Zwillinge

Im Zusammenspiel sind Marktwirtschaft und Demokratie das wirksamste Rezept für Reichtum und Freiheit, das der Menschheit bekannt ist. In einzelnen Fällen haben auch Autokraten die Freiheit ihrer Untertanen bewahrt und ausgebaut, doch das sind historische Ausnahmen. Nur marktwirtschaftlich organisierte Demokratien geben Menschen die Möglichkeit, ihr Leben und ihre Umwelt in freiwilliger Kooperation zu gestalten – in wirtschaftlicher, wie in politischer Hinsicht.

Es ist eine gute Nachricht, dass die meisten Menschen in freien Ländern die Demokratie als etwas Wertvolles wahrnehmen und sich gegen den Abbau demokratischer Institutionen aussprechen. Es ist ebenfalls eine gute Nachricht, dass die meisten Menschen in unfreien Ländern die Schaffung demokratischer Institutionen wünschen. Es ist jedoch wünschenswert und für zukünftige Wohlfahrtsteigerungen maßgebend, dass der Segen der Marktwirtschaft, basierend auf privaten Eigentumsrechten, in ähnlicher Weise anerkannt wird.

Erstmals veröffentlicht bei IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues.

Photo: Open Knowledge Foundation from Flickr (CC BY 2.0)

Wirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen, hat nicht unbedingt etwas mit unverständlichen Zahlen- und Buchstaben-Salaten zu tun. Für eine funktionierende Demokratie und Marktwirtschaft sind freilich Grundkenntnisse über Ökonomie unerlässlich.

Wirtschaft ist nicht nur etwas für Spezialisten

„Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen“, klagte vor anderthalb Jahren eine Schülerin auf Twitter und löste damit eine Diskussionslawine aus. Machen wir unsere Kinder in unserem Bildungssystem lebenstauglich genug? Brauchen wir mehr Wirtschaftsunterricht in der Schule? Und ganz speziell: Muss nicht vielleicht im Unterricht eine detaillierte und umfassende Vorbereitung auf die Herausforderungen der modernen Welt gewährleistet werden (Stichwort: „Steuern, Miete oder Versicherungen“)?

Gerade diese praktischen Fragen sind eigentlich mit einer Nachfrage bei den Eltern oder Freunden und im Zweifel fast immer mit einer Google-Suche zu lösen. Viel wichtiger und grundlegender als Steuererklärung und Mietvertrag sind aber eigentlich Grundkenntnisse darüber, wie der Markt funktioniert. Ist das nicht eher etwas für die Spezialisten, könnte man einwenden, für die Zeitungsleser und Politiker? Reicht es für den Normalbürger denn nicht, wenn er die Klippen des täglichen Lebens in Bürokratie und Geschäftswelt umschiffen kann? Nein, sicher nicht!

Wirtschaft: menschliches Handeln schlechthin

Beim Mietvertrag übers Ohr gehauen zu werden, kann sehr weh tun. Wochen mit der Steuererklärung zuzubringen, kann viele Nerven kosten. Die falsche Versicherung abgeschlossen zu haben, kann mitunter sogar ruinös sein. Sich in all diesen Fragen zu informieren und zu bilden, ist sehr wichtig. Aber es ist auch naheliegend. Gerade weil man unmittelbar von einer fehlerhaften Kaufvereinbarung betroffen sein kann, sehen viele Menschen da genau hin. Sie verwenden aber meist viel weniger Sorgfalt auf die Beurteilung wirtschaftlicher und politischer Zusammenhänge. Entweder aus einer grundfalschen Bescheidenheit heraus, aus Frustration oder schlicht aus Desinteresse.

Wirtschaft – das ist nicht eine Domäne, die nur von Großfürsten der DAX-Konzerne und ihren entsprechenden politischen Gegenspielern beherrscht wird. Wirtschaft – das ist auch nicht nur das, was schlaue Wissenschaftler sich ausdenken und in immer komplexere Formeln packen bis sie endlich den Nobelpreis in Händen halten. Wirtschaft – das ist zunächst einmal, wie der Ökonom Ludwig von Mises es formulierte, „menschliches Handeln schlechthin“. Unser ganzes Leben ist bestimmt von Handlungen, die wir mit einem bestimmten, von uns selbst gewählten Ziel ausführen. Die Logiken von Tausch, Arbeitsteilung und Unternehmertum bestimmen letztlich alle Bereiche unseres Lebens. Der Ökonomie-Nobelpreisträger Gary Becker hat in seinen Forschungen diese Logiken sogar auf Bereiche ausgedehnt, die mit Wirtschaft im Verständnis der meisten Menschen gar nichts zu tun haben wie etwa Familienstrukturen, Rassendiskriminierung und Drogenabhängigkeit.

Bildung schützt gegen Parolen und leere Versprechungen

So berechtigt die hochkomplexen Forschungen der Ökonomen auch sind, so kann man doch schon auf einem wesentlich einfacheren Niveau wirtschaftliches Geschehen verstehen. Der Verfasser selbst hat seine ersten ökonomischen Einsichten als Achtjähriger bei Bergwanderungen mit seinem Vater gewonnen, der ihm am Beispiel des Bonbonfabrikanten Tausch und Arbeitsteilung erklärte. Zentral ist das Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge vor allem aus zwei Gründen: Wirtschaftliches Handeln bestimmt und prägt unser ganzes Leben vom Kindergarten bis ins Altenheim. Wer es besser versteht, wird die Potentiale und Möglichkeiten, die sich ihm bieten, besser nutzen können. Und insbesondere ist es auch unverzichtbar, um als verantwortlicher Bürger in einem demokratischen Gemeinwesen Entscheidungen treffen zu können.

Populismus verfängt, weil viele Bürger darauf verzichten, sich in Bezug auf Wirtschaft zu bilden und zu informieren: Der Protektionismus von Trump und LePen genauso wie die Freihandels-Feindlichkeit von Attac und Campact. Aber auch schon im weniger extremen politischen Spektrum können nachhaltig schädliche Entscheidungen vor allem deswegen getroffen werden, weil die Einsicht in wirtschaftliche Zusammenhänge nicht weit genug verbreitet ist: von der Rettung Griechenlands in der Euro-Krise bis zur Mietpreisbremse. Wir brauchen für das Funktionieren unserer freiheitlichen Demokratie zwar nicht mehr promovierte Volkswirte. Aber wir brauchen Menschen, die einfach nur ihren gesunden Menschenverstand bewusst einsetzen, um keinen Parolen und leeren Versprechungen zum Opfer zu fallen.

Prometheus bietet Wirtschafts-Kurs für Schüler an

Es hat im Laufe der Geschichte der modernen freiheitlichen Demokratien immer wieder Menschen gegeben, die es geschafft haben, diese wirtschaftlichen Zusammenhänge allgemeinverständlich zu formulieren: Etwa Frédéric Bastiat im 19. Jahrhundert, Henry Hazlitt und Milton Friedman im 20. Jahrhundert und Johan Norberg in unserer Zeit. Zu diesen Vermittlern gehört auch Leonard Read, der Gründer der Foundation for Economic Education (FEE). Er verfasste 1958 die berühmte Kurzgeschichte „I, pencil“ – „Ich, der Bleistift“. Hier bekommt der Leser einen Einblick darein, wie ein Bleistift hergestellt wird, und vor allem, welches Ausmaß an Kooperation und Zusammenarbeit hinter einem so einfachen Gegenstand steckt.

Die Geschichte des Bleistifts greift auch der Kurs „Unsere Wirtschaft. Verständlich erklärt an einem Tag“ auf, der jungen Menschen auf spielerische Weise wirtschaftliches Grundverständnis nahebringen kann. Dieser Kurs wird von Prometheus ab heute zum kostenlosen Download zur Verfügung gestellt und ist der Beginn einer Serie, die wir unter „Prometheus Akademie“ anbieten werden. Konzipiert von Mitarbeitern der FEE haben wir den Kurs ins Deutsche übersetzt und entsprechend angepasst. Wir laden alle unsere Leser herzlich ein, sich den Kurs einmal anzusehen (sie finden ihn hier: https://prometheusinstitut.de/akademie/). Und besonders freuen wir uns natürlich, wenn Sie ihn weiterempfehlen an Lehrer und andere Personen, die sich in der Jugendarbeit engagieren!

Photo: Marcus Holland-Moritz from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Prof. Dr. Justus Haucap, Gründungsdirektor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Mitglied im Kuratorium von Prometheus.

Mit knapper Mehrheit haben die Briten am 23. Juni 2016 dafür gestimmt, die Europäische Union zu verlassen. Viele Beobachter waren sehr überrascht. Bisher war es noch immer gut gegangen. Selbst als die Franzosen und Niederländer 2005 gegen die Europäische Verfassung stimmten, tat das der Integration keinen Abbruch. „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“, so das bisher gültige Motto der EU. Nun aber will zum ersten Mal ein Land die EU wieder verlassen. Es scheint doch nicht alles alternativlos zu sein.

Besonders die wirtschaftlichen Konsequenzen werden für die Briten furchtbar sein, meinen durchaus nicht wenige meiner Kollegen (etwa hier). Die EU hingegen werde den Austritt schon verkraften, aber für die Briten sei ein Brexit desaströs, so die wohl mehrheitliche Meinung. In einer teils doch hysterisch anmutenden Berichterstattung und Kommentierung in den Tagen direkt nach dem Referendum wurden immer wieder zwei Vermutungen geäußert: Zum einen, dass viele Leute (besonders die Engländer und Waliser) wohl einfach zu dumm und zu wenig aufgeklärt seien, um die Vorteile der EU zu verstehen, und zum anderen, dass die alten Bürger zu störrisch sind und den jungen Briten in einem Akt der Misanthropie die Zukunft verbauen wollten. Dabei haben sich sehr viele junge Wähler der Stimme enthalten, weil es ihnen wohl doch nicht so wichtig zu sein schien, ob Großbritannien nun zur EU gehört oder nicht. Von den 18- bis 24-jährigen haben anscheinend nur 36 Prozent ihre Stimme abgegeben. Und auch die These, dass es primär Dummheit, Nationalismus oder gar Rassismus sei, die zu einer Skepsis gegenüber Brüssel führe, zeugt von Hochmut und mangelnder Fähigkeit zu differenzieren. Die Brexiteers sind keine homogene Masse, sondern ein recht heterogener Haufen. Ja, zum einen sind dies britische Nationalisten, aber es sind auch libertäre Ökonomen dabei und Bürger, denen die EU zu zentralistisch, zu bevormundend und zu wenig subsidiär ist.

Ob nun die wirtschaftlichen Konsequenzen für Großbritannien wirklich so dramatisch sein werden, wie manchmal skizziert, ist gar nicht klar. Interessanterweise gab der FTSE100, der Aktienindex der 100 wichtigsten britischen Unternehmen am Tag nach dem Referendum bis zum Börsenende nur um 3,15 Prozent nach. Der DAX hingegen verlor 6,8 Prozent, der französische Index CAC40 8 Prozent und die EuroStoxx 50, die 50 wichtigsten europäischen Aktien, sogar 8,6 Prozent. Mit der Interpretation sollte man vorsichtig sein, aber sicher suggerieren die Zahlen nicht, dass Großbritannien schwer getroffen wird, während es für den Rest der EU kaum etwas ausmacht. Natürlich herrscht nun große Unsicherheit, wie es genau weitergehen wird. Kurzfristig wird es negative Folgen für die britische und europäische Wirtschaft geben. Aber mittelfristig kann der Brexit auch eine Chance sein, sowohl für Großbritannien als auch für die EU.

Vieles wird, sowohl für Großbritannien als auch die EU, letztlich davon abhängen, wie sich die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien ausgestalten werden. Dass es etwa zu einem Handelsembargo kommen wird, ist schwer vorstellbar. Der Freihandel und der Binnenmarkt werden sehr wahrscheinlich bestehen bleiben und damit auch ein Großteil der wirtschaftlichen Vorteile. Dass Großbritannien sich nun möglicherweise nicht an das Verbot von Glühbirnen, Plastiktüten und leistungsstarken Staubsaugern wird halten müssen, dürfte hingegen kaum wirtschaftlich spürbar sein. Auch die Schweiz und Norwegen darben trotz fehlender EU-Mitgliedschaft nicht im Elend, obgleich auch die Freizügigkeit etwa zwischen der Schweiz und den EU-Staaten im Vergleich zur Freizügigkeit innerhalb der EU drastisch eingeschränkt ist (zum Beispiel weil tendenziell nur EU-Bürger mit einem festen Arbeitsplatz oder einem anderweitig ausreichendem Einkommen ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegen können). Der Thinktank Open Europe hat dementsprechend im März letzten Jahres prognostiziert, dass die Auswirkungen des Brexits positiv oder negativ sein können – je nachdem, welche Politik ergriffen wird. Denkbar wäre etwa auch, dass die Briten beim transatlantischen Freihandel voranpreschen, während große Teile der verbleibenden EU hier wesentlich zögerlicher sind. Der Austritt der Briten wird in der EU die protektionistischen und fortschrittsfeindlichen Kräfte weiter stärken.

Es mag provokant sein, aber: Die jungen Briten mögen mit ihrer impliziten Einschätzung durchaus recht gehabt haben, dass es letztlich zumindest ökonomisch nicht so einen großen Unterschied macht, ob Großbritannien nun in der EU ist oder nicht. Der Verweis, dass Großbritannien in den vergangenen 40 Jahren seit dem Zutritt zur EU einen starken wirtschaftlichen Aufschwung erlebt hat, stimmt natürlich. Allerdings gilt das auch für die Schweiz und Norwegen und sogar für Australien und Südkorea. Wie viel von diesem Aufschwung etwa auf eine EU-Mitgliedschaft im Vergleich zu einer hypothetischen Beschränkung auf die Mitgliedschaft in der europäischen Freihandelszone (EFTA) zurückzuführen ist, ist völlig unklar.

Europäische und auch deutsche Politiker, die jetzt fordern, die Briten ob ihres demokratischen Ungehorsams besonders deutlich zu bestrafen, werden vor allem auch der deutschen und europäischen Wirtschaft selbst schaden. Vergeltung ist eine ziemlich schlechte Antwort auf eine demokratische Entscheidung. Die EU ist keine Sekte, aus welcher man nicht wieder ohne Androhung von Vergeltungsmaßnahmen austreten darf.

Überhaupt reflektieren die Granden der EU erstaunlich wenig, welcher Reformbedarf denn wohl in Brüssel bestehen könnte. Es ist sicher eine menschlich verständliche Reaktion, die Schuld für das empfundene Desaster bei anderen zu suchen. Daher überrascht es auch nicht wirklich, dass besonders europäische Politiker vor allem über die Briten schimpfen, bei der Europäischen Union und ihren Institutionen jedoch offenbar kein Versagen erkennen können. Dabei ist das Vertrauen vieler Bürger in die Brüsseler Entscheidungsprozesse schon lange erschüttert. Das wiederholte Brechen von Recht (etwa der sogenannten Maastricht-Kriterien oder der Dublin-Verordnung zur Aufnahme von Flüchtlingen) und Versprechen („Kein weiteres Hilfe-Paket/Bail-out für Griechenland“) trägt nicht zur Vertrauensbildung bei. Die Haltung der Brüsseler Eliten, den (etwa dummen) Bürgern einmal zu erklären, was gut für sie ist, stößt auf Skepsis bei vielen. Viele Bürger empfinden etwa die Flüchtlinge nicht als „ein Geschenk wertvoller als Gold“, wie Martin Schulz es im Juni in seiner Heidelberger Hochschulrede ausgedrückt hat. Vielmehr sehen viele die mit der Flüchtlingskrise verbundenen Kosten und Risiken. Die mangelnde Handlungsfähigkeit und -willigkeit der EU führt hier sicher nicht zu einem positiven Bild von der EU. Und es nimmt den Menschen auch nicht die Ängste, sie im Gegenzug als unverbesserliche Rassisten zu beschimpfen. Auch Behauptungen wie die, dass es nie einen Bail-out Griechenlands geben werde oder dass die Energiewende die Bürger nicht mehr als eine Tasse Cappuccino kosten werden, führen zu einer fundamentalen Erosion des Vertrauens in die Politik. Mit Hochmut und Beschimpfungen der Wählerschaft wird man das verloren gegangene Vertrauen nicht zurückgewinnen.

Wie weit die Brüsseler Führung inzwischen von den Bürgern entfernt ist, zeigt die Reaktion Jean-Claude Junckers, der nun nicht innehalten und reflektieren möchte, sondern mit noch mehr Tempo mehr Staaten zur Übernahme des Euro drängen will. Das erinnert an Erich Honeckers Realitätsverlust im August 1989 als er glaubte, den Sozialismus in seinem Lauf hielten weder Ochs noch Esel auf.

Nicht nur die Briten sind nun gefordert. Auch die Europäische Union muss sich grundlegende Gedanken machen, wie es weitergehen soll. Weniger Harmonisierung und weniger Zentralismus sind nicht das Ende der Europäischen Union, vielmehr läge in einer Rückkehr zu einem echten Subsidiaritätsprinzip eine echte Chance, einen europäischen Staatenverbund doch zu einem Erfolg werden zu lassen. Der Brexit kann ein Weckruf zur richtigen Zeit sein, wir benötigen nun eine sachliche und gesellschaftliche Debatte über die Zukunft der EU. Panikmache, Hysterie und Durchhalteparolen sind dagegen fehl am Platz.

Erstmals veröffentlicht auf Merton Magazin.