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Martin Schulz ist sehr stolz auf das von ihm federführend formulierte Europa-Kapitel des nun vorliegenden Koalitionsvertrags. Das kann er auch sein, trägt es doch im Wesentlichen seine Handschrift. Doch ist dieses Kapitel wirklich europafreundlich? Trägt es dazu bei, dass die EU wirtschaftlich mit anderen Regionen dieser Welt mithalten kann?

Um diese Frage zu beantworten, muss frei von Europalyrik definiert werden, was überhaupt europafreundlich ist? Was macht die Europäische Union, wie es im Koalitionsvertrag heißt, zu einem „historisch einzigartigen Friedens- und Erfolgsprojekt“? Warum schlagen sich Franzosen und Deutsche nicht mehr die Köpfe ein? Warum machen Holländer im Sauerland Urlaub und Deutsche am Ijsselmeer? Warum fahren deutsche Schüler zum Austausch nach England und englische Schüler nach Deutschland? Es sind sicherlich die schlimmen historischen Erfahrungen bis Mitte des letzten Jahrhunderts, die die Europäer zur Vernunft gebracht haben. Und es ist die Neugier auf beiden Seiten, die Kultur und die Tradition des jeweils anderen kennenzulernen. Es ist aber vor allem auch, die Förderung der Kooperation und die Nichtbehinderung durch den jeweiligen Staat. Das hat viel mit dem immer noch vorherrschenden Wirtschaftssystem, der Marktwirtschaft, zu tun. Zwar gibt es unterschiedliche Traditionen in Großbritannien, in Osteuropa, in Deutschland, in Frankreich oder in Südeuropa, aber die Europäische Union hat diese marktwirtschaftliche Ordnung bislang eher gefördert, als gehemmt. Handelsschranken wurden eher ab- als aufgebaut. Der Schutz der heimische Industrie oder von Dienstleistungsunternehmen gegenüber europäischer Wettbewerbern wurde eher ab- als aufgebaut. Und die EU-Wettbewerbskommission in Brüssel war bei der Durchsetzung des diskriminierungsfreien Zugangs zu den Märkten der jeweiligen Mitgliedsstaaten eher progressiv als defensiv.

Doch jetzt droht durch die Debatte um die EU-Entsenderichtlinie eine marktfeindliche Gegenbewegung. Diese hat ihren Ursprung zwar nicht in Deutschland und bei der SPD, sondern bei Emmanuel Macron, sie kann aber nur durch die große Koalition in Berlin tatsächlich durchgesetzt werden. Bislang galt schon, dass Unternehmen, die in einem anderen Land mit eigenen Mitarbeitern eine Dienstleistung erbringen zu den dortigen Mindestlöhnen bezahlt werden müssen. Das war bereits das Einfallstor für nationale Abschottung. Denn sämtliche Länder in der EU haben eine enorme Bürokratie aufgebaut, die es Unternehmen sehr schwer machen, in einem anderen Land Dienstleistungen zu erbringen. Denn das Land, in dem die Dienstleitung erbracht wurde, muss ja schließlich kontrollieren, ob der Mindestlohn auch bezahlt wird, ob die Arbeitszeitgesetze eingehalten werden und getrennte Toiletten vorhanden sind. Bald wird dieses Prinzip auf die Spitze getrieben. „Das Prinzip des gleichen Lohns für gleiche Arbeit am gleichen Ort in der EU wollen wir in einem Sozialpakt stärken“, heißt es jetzt im Koalitionsvertrag. Das ist Eins-zu-Eins auch das Ansinnen von Macron. Doch ist das wirklich sozial? Wozu führt dieses Prinzip?

Führt es zu Wohlstand und zur Reduktion der hohen Arbeitslosigkeit in Frankreich und anderswo? Sicher nicht. Unternehmen, die in Griechenland, Portugal oder auch Slowenien beheimatet und heute in Paris, nächste Woche in Amsterdam und übernächste Woche in Tallin tätig sind, müssen den gleichen Mitarbeitern jede Woche ein anderes Gehalt bezahlen und dies gegenüber den örtlichen Behörden nachweisen. Entwickelte Länder in der EU bauen so Eintrittshürden auf, um ihre Dienstleistungsmärkte gegenüber ausländischen Anbietern abzuschotten. Es sind Handelsschranken, die die reichen gegenüber den ärmeren Ländern aufbauen und damit den Geist des Binnenmarktes untergraben. Es ist doch ein Treppenwitz, wenn die Entfaltungsmöglichkeiten in den ärmeren Ländern erst durch eine verschärfte Entsenderichtlinie gehemmt und verhindert werden und anschließend Deutschland seinen Beitrag in den EU-Haushalt großzügig erhöht, um Transferleistungen für die hohe Arbeitslosigkeit im Süden Europas zu finanzieren.

Der Denkfehler dabei ist, den Binnenmarkt wie einen statischen Kuchen zu betrachten, der immer gleich groß ist. Dabei wächst der zu verteilende Kuchen in einer Marktwirtschaft. Er wird größer, bunter und schöner. Am Ende sind die Stücke für jeden größer und besser, wenn sich beide Seiten darauf einlassen. Einlassen heißt dabei, dass dies nicht automatisch passiert, sondern dass offene Märkte Anpassungen und Veränderungen erforderlich machen, ansonsten fallen Länder ökonomisch zurück. Mangelnde Anpassung kann aber nicht durch eine Verschärfung der Entsenderichtlinie verhindert werden, sondern die Fallhöhe steigt durch das Hinausschieben nur um so mehr. Wer dies nicht erkennt, akzeptiert, dass der Kuchen klein und hässlich bleibt, vielleicht sogar noch kleiner wird.

Das muss sich die SPD vorwerfen lassen. Sie will nicht wirklich, dass der Kuchen in der EU größer wird. Sie will ihr Klientel schützen. Und die Union muss sich vorwerfen lassen, dass sie dies zulässt und sich damit am Erbe von Ludwig Erhard versündigt.

Erstmals veröffentlicht bei Tichys Einblick.

Photo: Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Von Marc Jacob, Betriebswirt, tätig im Bereich der Unternehmensfinanzierung.

Rekordeinnahmen und niedrige Arbeitslosenzahlen. Die Bundesrepublik Deutschland steht zu Beginn des Jahres 2018 in einer hervorragenden Position, um sich für die Aufgaben von Morgen bereit zu machen.  Doch die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD haben gezeigt – die Volksparteien haben keine neuen Ideen und verschlafen die Zukunft.  Dies ist tragisch.

Es ist nicht anzunehmen, dass bei den laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD die Lektüre Sokrates zitiert wird oder eine andere Abhandlung jenes griechischen Philosophen, welcher einst die Stagnation als den Anfang vom Ende bezeichnete und mit dieser Feststellung die Koalitionsverhandlungen erheblich bereichern könnte. Denn die ersten Ergebnisse zeigen – den Parteien fällt nichts Neues ein, mehr als „Weiter so“ wird es mit der GroKo nicht geben.

Während die deutsche Wirtschaft weiter mit über 2% wächst und auch unsere europäischen Nachbarn mit substanziellen Verbesserungen der wirtschaftlichen Entwicklung glänzen können, trifft exakt diese Stagnation den politischen Betrieb in Berlin. Auch nach über 130 Tagen, seit der Bundestagswahl im vergangenen September, gibt es keine neue Bundesregierung. Während die Sondierungsgespräche und die Koalitionsverhandlungen, in denen nun endlich eine Regierung gebildet werden soll, von der alles überstrahlenden Flüchtlingsdiskussion dominiert werden, fällt das Thema der zukünftigen wirtschaftlichen Ausrichtung völlig unter den Tisch. Dabei sorgt die aktuelle hervorragende wirtschaftliche Situation überhaupt erst dafür, dass die Grundvorrausetzung für ein erfolgreiches Meistern der Flüchtlingssituation gegeben ist.

Sprudelnde Staatseinnahmen könnten dabei auch helfen, die Schwierigkeiten, vor denen die Bundesrepublik steht, zu lösen. In den verschiedensten Bereichen nagen andere Länder an der Substanz der Bundesrepublik. Die US-Steuerreform ist dabei nur eine Aktion von vielen, welche die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands angreift und dringenden Handlungsbedarf erzeugt.  Doch Deutschland ruht sich auf seiner aktuellen Position aus, neue Impulse für ein substanzielles Wachstum werden nicht gesendet.

Mit neuen Ideen für die Bildung, einer Verschlankung unserer Bürokratie und effektiven Maßnahmen in der Infrastruktur könnten substanzielle Investitionen getätigt werden. Besonders im Bereich der Infrastruktur könnten damit auch Impulse des Aufbruchs an die europäischen Nachbarstaaten gesendet werden. Stattdessen wurden schon in der letzten Wahlperiode mit falschen Entscheidungen, getriebenen durch ideologische Verbohrtheit, Branchen wie die Immobilienbrache und die Energiewirtschaft, mit Regularien überhäuft. Dies gilt auch für den Automobilbereich, jenen Sektor, welcher in Deutschland mit über 800.000 Beschäftigten einer der Motoren des aktuellen Aufschwungs ist.  Mit neuen Gesetzesvorhaben wird die Position Deutschland als uneingeschränkter Marktführer im Bereich Automobil nun von innen heraus angegriffen. Deutschland muss sich somit nicht nur der internationalen Konkurrenz stellen, sondern schafft seine Probleme selbst, eine groteske Situation.

Ein Ausblick nach vorne wird es in der kommenden Legislaturperiode nicht geben. Das Prinzip-Merkel, welches die Maxime der pragmatischen Politik vertritt, widerspricht dem Fortschrittsgedanken grundsätzlich. Dies ist besonders für die junge Generation tragisch, welche die Grundvoraussetzungen für eine prosperierende Zukunft überreicht bekommen sollten und stattdessen Probleme erben werden.

Während die Bundeskanzlerin in Davos noch mit ihrer Rede glänzte und zur zukünftigen Ausrichtung feststellte: „Wir müssen eher aufholen, als dass wir an der Spitze stehen“, wirken ihre Worte Zuhause eher wie Phrasen, als wie eine Ankündigung für neue Impulse. Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche erzeugen hierbei eher den Eindruck, dass Deutschland nicht bereit gemacht werden soll für Industrie 4.0 und Digitalisierung. Es ist fast tragisch dabei zu sehen, dass eine CDU, welche sich einst durch wirtschaftliche Kompetenz auszeichnete, heute keine wirtschaftliche Agenda mehr zu haben scheint.

Es ist nun an der Zeit, dass diese Probleme erkannt und angepackt werden.  Start-ups treffen auf Regularien von Vorgestern, innovative Unternehmen verzweifeln an ineffizienten Behörden und das schon lange nötige Einwanderungsgesetz kommt über das Dasein als Diskussionsobjekt nicht hinweg.

Sokrates lehrte einst die Jugend das eigenständige Denken und die Strukturen zu hinterfragen, damit zog er den Zorn der Herrschenden auf sich. Auch heute wäre es die Aufgabe der jungen Generation, für neue Ideen und Denkanstöße zu sorgen. Die Entscheidungen von heute sind die Basis von Morgen, deshalb müssen die vorhandenen Spielräume dazu genutzt werden, um Chancen zu ergreifen und nicht um Klientelpolitik zu betreiben.

Die Weichen für den Erfolg von Morgen werden schon heute gestellt. In den kommenden Tagen haben Union und SPD noch die Chance, den Auftrag zur Gestaltung Deutschlands anzunehmen und damit die richtigen Weichen zu stellen. Sollte dies nicht geschehen, werden die kommenden vier Jahre nichts anderes als verlorene Jahre sein.

Photo: Mirko Walterman from Flickr (CC BY 2.0)

Der Arbeitsmarkt verändert sich. Auf vielfältige Weise. Auf der einen Seite erlebt Deutschland ein Beschäftigungswunder. Seit der Deutschen Einheit gab es noch nie so viele Beschäftigungsverhältnisse. Aktuell sind es 44,5 Millionen. Inzwischen sind nur noch durchschnittlich 2,53 Millionen als arbeitslos registriert. Die Bundesagentur für Arbeit meldet nur noch eine Quote von 5,7 Prozent. All diejenigen, die bislang meinen, es würde die Arbeit in Deutschland ausgehen, sind eines Besseren belehrt. Natürlich sind das nicht alle, die Arbeit suchen. In vielen Bereichen wird die Statistik geschönt. Der Bereich der ALG II-Empfänger gehört nicht dazu, auch diejenigen, die ein Asylverfahren durchlaufen, fallen raus und viele andere mehr. Dennoch ist die Entwicklung positiv. Denn vor 15 Jahren, als Gerhard Schröder die Reformen am deutschen Arbeitsmarkt eingeleitet hatte, lag die Arbeitslosenzahl bei rund 5 Millionen, bei nahezu ebenso vielen Menschen, die aus der Statistik herausgeschönt wurden.

Überall werden Facharbeiter und Handwerker gesucht. Nicht nur Elektriker und Fliesenleger fehlen, sondern auch LKW- und Gabelstaplerfahrer. Gerade hier liegt eine große Herausforderung für die Weiterbildung. Doch man muss sich fragen, ob dazu die Bundesagentur für Arbeit die richtige Adresse ist. Sie hat nur noch die Hälfte der „Kunden“ gegenüber Anfang des Jahrtausends, aber beschäftigt immer noch fast die gleiche Anzahl an Mitarbeitern. Ende 2016 waren es 96.800 Vollzeitkräfte und sie verwaltete einen Etat von über 35 Milliarden Euro. Wer über die Effizienz des Staates nachdenkt, muss hier ansetzen. Denn bereits vor 15 Jahren war die Nürnberger Behörde ein fast unmanövrierbarer Tanker. Unter dem langjährigen BA-Chef Frank-Jürgen Weise, der bis Ende 2017 Vorstandsvorsitzender der Behörde war, hat sich die ehemalige Bundesanstalt für Arbeit unbestritten weiterentwickelt. Dennoch herrscht Reformbedarf. Die Qualifizierung und Weiterbildung ist keine staatliche Aufgabe, sondern eine privatwirtschaftliche. Dazu bedarf es Freiräume für Unternehmen und Marktteilnehmer.

Denn neben dem Beschäftigungswunder gibt es eine gravierende Veränderung des Arbeitsmarktes. Insbesondere der Drang zur Selbstständigkeit hält an. Neue Beschäftigungsformen, wie die der Clickworker, die über Portale Aufträge akquirieren, kommen zunehmend in Mode. In Deutschland, so berichtet die FAZ, arbeiten inzwischen eine halbe Million in diesem Sektor. DGB-Bundesvorstand Annelie Buntenbach, die auch Vorsitzende des BA-Verwaltungsrates ist, hat jetzt verlangt, dass Portale wie Myhammer Sozialabgaben für diejenigen bezahlen sollen, die auf ihrer Plattform Aufträge entgegennehmen. Sie gehörten in den „Schutz der Sozialversicherungen“. Ob die Selbstständigen dies wollen, mag man bezweifeln. Die allermeisten habe ihre Selbstständigkeit ja freiwillig gewählt.

Die Nachfrage von Handwerksunternehmen nach ausgebildeten Gesellen ist besonders hoch. Daher haben die Selbstständigen, die Portale nutzen, um Aufträge zu gewinnen, ihr Geschäftsfeld selbst gesucht und gewählt. Der Gesetzgeber hat gutgetan, bislang die Einbeziehung von Selbständigen in die Sozialversicherungen nur sehr behutsam zu veranlassen. Die Freiheit der Selbständigkeit beinhaltete historisch auch die Freiheit, seinen Krankenversicherungsschutz frei zu wählen oder auch seine Altersvorsorge. Wer diese Freiheit einschränken will, schafft Markteintrittshürden für Existenzgründer und verhindert so die Flexibilität in einer Marktwirtschaft. Das schadet allen. Nicht nur den Existenzgründern selbst, sondern auch den Kunden. Sie müssen in einem engeren Markt mehr für die angeforderte Dienstleistung bezahlen. Dem Millionär mag das egal sein, dem Arbeiter jedoch nicht. Er muss für eine eingekaufte Dienstleistung einen höheren Anteil seines Nettogehalts aufwenden. Er bezahlt also die Regulierungswut des Staates. Dabei profitiert der klassische Arbeitnehmer mit geringen oder durchschnittlichen Einkünften besonders von innovativen Konzepten wie Myhammer und anderen.

Erstmalig kann er ohne aufwändige Ausschreibung Aufträge vergeben und so qualitative oder preisliche Bewertungen vornehmen. Der Dienstleistungsmarkt wird so für viele Privatkunden transparenter und erschwinglich. Mehr Marktwirtschaft hilft daher dem kleinen Mann, er ist dann wirklich als Kunde König.

Photo: charlieh0tel from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Justus Lenz, Leiter Haushaltspolitik bei Die Familienunternehmer/Die Jungen Unternehmer.

Es bleibt zu hoffen, dass staatliche Beteiligungen an Unternehmen in Zukunft weniger Zuspruch aus der Bevölkerung erfahren, und so Politiker und Manager solcher Unternehmen weniger Möglichkeiten haben, ihre eigenen Interessen zum Nachteil der Gesamtbevölkerung zu verfolgen.

Es ist still geworden um das große Thema Staatsbeteiligung. Möglicherweise binden andere Fragen, wie die Eurorettung oder die Niedrigzinspolitik, zurzeit einen Großteil der ordnungspolitischen Kapazitäten. Dabei ist es an der Zeit, die vielen guten Argumente gegen staatliche Wirtschaftsaktivitäten wieder anzuführen und sich dem Zeitgeist entgegenzustellen. Staatsunternehmen gehen mit Ressourcen verschwenderisch um, wälzen Risiken auf die Steuerzahler ab, behindern den Staat in seiner Rolle als Schiedsrichter und lassen die Preise für Endverbraucher steigen. Dass Staatsunternehmen weiterhin Zuspruch erfahren, ist verwunderlich. Während Politiker möglicherweise die Kontrolle über staatliche Unternehmen schätzen und ihre Manager die relativ nachlässige Aufsicht durch den Staat als Eigentümer gutheißen, sollte die Bevölkerung sich eigentlich gegen staatliche Beteiligungen an Unternehmen, die Marktleistungen produzieren, aussprechen.

Wir stehen nicht nur vor der Situation, dass der Bund weiterhin Beteiligungen an großen Unternehmen wie der Deutschen Telekom hält. Es gibt gleichzeitig einen anscheinend unbändigen Drang in den Kommunen, vermeintlich lukrative Geschäftsfelder wie das Rohstoffrecycling oder den Betrieb der Strom- und Gasnetze zu übernehmen und private Anbieter aus dem Markt zu drängen. Dabei spricht vieles dafür, dass sich der Staat auf seine Rolle als Schiedsrichter beschränken sollte, statt im Wirtschaftsgeschehen mitzuspielen.

Zunächst einmal fallen die Gewinne aus den wirtschaftlichen Aktivitäten des Staates häufig nicht so üppig aus, wie ursprünglich gehofft. Ein besonders drastisches Beispiel hierfür ist die Meeresfischzuchtanlage in Völklingen, bei deren Bau und Inbetriebnahme sich die Stadtwerke kräftig übernahmen. Insgesamt sind Verluste von knapp 18 Millionen Euro aufgelaufen – knapp 450 Euro pro Einwohner. Überraschen sollten solche Ergebnisse nicht: Politiker und Beamte sind schließlich keine Unternehmer, die von anderen Marktteilnehmern zum schonenden Einsatz von Ressourcen diszipliniert werden. Auch wenn es sich hier nur um anekdotische Evidenz handelt – die Meeresfischzuchtstation in Völklingen ist als privates Unternehmen anscheinend auf dem richtigen Weg.

Risiken staatlicher Unternehmen tragen Steuerzahler

Zweitens führen die staatlichen Ausflüge auf das Spielfeld häufig dazu, dass bereits bestehende private Unternehmen in die Bredouille geraten, weil sie sich einem Konkurrenten gegenübersehen, dessen Verluste im Misserfolgsfall die Steuerzahler tragen und nicht ein bestimmter Kreis von Eigentümern. In diesem Fall leiden die Steuer- und Beitragszahler doppelt: Denn zum Verlustrisiko aus den staatlichen Aktivitäten (siehe Völklingen) kommen auch noch Kosten beispielsweise für Arbeitslosenhilfe für entlassene Mitarbeiter hinzu, die in privaten Unternehmen tätig waren, welche von Konkurrenten mit dem Geschäftgebaren von Staatsunternehmen in einem fairen Wettbewerb nicht verdrängt worden wären.

Staat: Schiedsrichter oder Spieler

Und drittens kommt es für den Staat zu Zielkonflikten zwischen den Rollen als Schiedsrichter und Spieler. Die Versuchung ist groß, die eigenen Interessen als wirtschaftlicher Akteur bei der Regelsetzung in der Rolle des Schiedsrichters besonders zu berücksichtigen. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Das Breitbandausbauprogramm der Bundesregierung steht im Verdacht, die Interessen der Deutschen Telekom besonders zu berücksichtigen (an der der Bund zusammen mit der KfW insgesamt 31,8 Prozent hält). Bereits ein solcher Verdacht kann ausreichen, um andere Unternehmen von einem Markteintritt abzuschrecken.

Höhere Preise durch staatliche Unternehmen

Womit wir beim vierten Nachteil staatlicher Wirtschaftsaktivitäten wären: Sie können zu höheren Preisen für Konsumenten beitragen, wenn private Anbieter aus dem Markt gedrängt werden oder der Wettbewerb durch Eingriff des Staates anderweitig zum Vorteil des staatlichen Anbieters eingeschränkt wird.

Staatsunternehmen: Warum bestehen sie fort?

Angesichts all dieser Nachteile stellt sich die Frage, warum nicht bereits alle staatlichen Beteiligungen an Unternehmen aufgegeben wurden, die keine hoheitlichen Aufgaben übernehmen. Anscheinend gibt es starke Anreize für Politiker, die oben aufgeführten Nachteile für weniger schwerwiegend als ihnen durch Staatsbeteiligungen an Unternehmen entstehende Vorteile zu bewerten. Drei sich nicht zwingend gegenseitig ausschließende Hypothesen bezüglich der Anreize von Politikern bieten sich an.

Politiker: Interesse an Kontrolle

Möglicherweise sind Politiker daran interessiert, in Schlüsselindustrien mittels Beteiligungen direkteren Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen zu bekommen, als es ihnen mit Hilfe von Regulierungen möglich ist. Dass die Bahn AG weiterhin zu 100% Eigentum des Bundes ist und der Bund eine erhebliche Beteiligung an der Deutschen Telekom hält, lässt sich aus dieser Perspektive besser nachvollziehen.

Über die institutionelle Verbundenheit hinaus erlauben staatliche Beteiligungen Politikern mit Regierungsverantwortung, Einfluss auf Personalentscheidungen von Unternehmen zu nehmen, wie beispielsweise im Falle des derzeitigen Vorstandsmitglieds der Bahn Ronald Pofalla, der zuvor Kanzleramtsminister war. Dadurch erhöhen sie potentiell ihren informellen Einfluss auf Unternehmen mit erheblicher staatlicher Beteiligung und sind zudem in der Lage, bewährten politischen Mitstreitern leichteren Zugang zu attraktiven Jobs außerhalb des politischen Betriebs zu verschaffen.

Manager staatlicher Unternehmen als Treiber

Ebenfalls möglich ist, dass die Verantwortlichen in Unternehmen mit maßgeblicher Beteiligung des Staates nicht daran interessiert sind, die Beauftragten ausschließlich privater Eigentümer zu werden. Die von den Eigentümern bestellten Manager haben in Bezug auf das Tagesgeschehen stets einen Informationsvorsprung gegenüber den Eigentümern. Diese Informationsasymmetrie können Manager opportunistisch ausnutzen und in gewissen Grenzen ein Verhalten an den Tag legen, das für sie vorteilhaft ist, aber den Eigentümern schadet.

Private Eigentümer, die im Misserfolgsfall Verluste erleiden, haben ein stärkeres Interesse, den Managern auf die Finger zu schauen, als die mit dem Beteiligungsmanagement beauftragten Vertreter des Staates. Ist der Staat Eigentümer, werden etwaige Verluste von den Steuerzahlern getragen. Die Manager von Unternehmen mit staatlicher Beteiligung könnten so ein Interesse daran haben, erstens, weiterhin vom Eigentümer Staat kontrolliert zu werden und, zweitens, Politiker davon zu überzeugen, dass auch sie vom Fortbestand der staatlichen Beteiligung profitieren.

Bevölkerung: Befürworter staatlicher Beteiligungen

Politiker wollen gewählt werden und haben somit ein Interesse, den Wünschen der Bevölkerung zu entsprechen. Die breite Bevölkerung scheint trotz der oben angeführten Argumente gegen Staatsbeteiligungen nicht allzu abgeneigt zu sein, den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft durch Staatsbeteiligungen in Schlüsselindustrien gar auszubauen. Politiker könnten folglich aufgrund der Vorlieben ihrer (potentiellen) Wähler einen Anreiz haben, den Umfang staatlicher Beteiligungen an Unternehmen in ausgewählten Branchen aufrechtzuerhalten oder auszuweiten.

Während wenig dafür spricht, dass Ökonomen zu marktgläubig sind, spricht leider einiges dafür, dass die zum großen Teil nicht aus Ökonomen bestehende Gesamtbevölkerung zu marktkritisch ist. Richten sich Politiker auch nach ihrem Wahlerfolg an den Vorlieben ihrer Wähler aus, sind die Wähler als Steuerzahler die Leidtragenden ihrer kollektiv kundgegebenen Präferenzen.

Weniger Staatsunternehmen, schonenderer Umgang mit Ressourcen

Unternehmen sind Orte, in denen Menschen zusammenkommen, um gemeinsam Güter und Dienstleistungen für andere Menschen entstehen zu lassen. Private Unternehmer gehen mit den eingesetzten Ressourcen wie Arbeitszeit und Sachmitteln in der Regel sehr sorgsam um, weil sie im Erfolgsfall Gewinne erzielen können und im Falle eines Misserfolgs Verluste erleiden müssen. Das gilt für Unternehmen in Staatshand so nicht: Bei ihnen gibt es keine definierte Gruppe von Eigentümern, die versucht sicherzustellen, dass Ressourcen im staatseigenen Unternehmen effizienter eingesetzt werden als anderswo. Es bleibt zu hoffen, dass staatliche Beteiligungen in Zukunft weniger Zuspruch aus der Bevölkerung erfahren, und so Politiker und Manager von Unternehmen mit Staatsbeteiligung weniger Möglichkeiten haben, ihre eigenen Interessen zum Nachteil der Gesamtbevölkerung zu verfolgen.

Erstmals erschienen bei IREF.

Photo: Richard Elzey from Flickr (CC BY 2.0)

Es weihnachtet sehr. Überall sind die Häuser beleuchtet und die Weihnachtsmärkte bringen allerorts eine heimelige Stimmung in die Innenstädte. Davon profitiert Vater Staat in besonderer Weise. Seine Cash-Cow ist die Umsatzsteuer. 166 Milliarden Euro nahm er damit im letzten Jahr ein. In diesem Jahr werden es noch mehr sein. Doch nicht nur das. Scharen von Beamten kümmern sich um deren Administration. Von Bürokratiekosten in den Unternehmen, die diese komplizierte Steuer abwickeln müssen, ganz zu schweigen.

Zu Weihnachten schlägt die Absurdität besonders zu. Während das Umsatzsteuerrecht in der Gastronomie generell zwischen dem Verzehr im Restaurant (19 Prozent) und außerhalb (7 Prozent) unterscheidet, ist vieles im Weihnachtsgeschäft anders. Ist das Getränk ein Glühwein, ist es plötzlich egal, ob er im sitzen oder „to go“ getrunken wird. Er wird generell mit 19 Prozent Umsatzsteuer belastet. Bestellt man einen Fruchtsaft, dann kommt es darauf an. Generell bleibt es bei 19 Prozent, ist er jedoch dickflüssig, neudeutsch ein Smoothie, dann fallen 7 Prozent an. Mit Kaffee ist es genauso kompliziert. Schwarzer Kaffee wird mit 19 Prozent besteuert, Caffé Latte oder Cappuccino dagegen mit 7 Prozent.

Nicht nur bei Getränken, sondern auch beim Essen herrscht ein Steuerirrsinn. Hat der Bratwurststand auf dem Weihnachtsmarkt Tische und Stühle, muss der Besitzer 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen. Gibt es keine, werden nur 7 Prozent fällig. Gebrannte Mandeln werden hingegen, genauso wie Liebesäpfel oder Lakritzstangen, immer mit 7 Prozent besteuert, egal ob Stehtische bereitstehen oder nicht. Und auch zu Hause wird es beim Essen nicht durchsichtiger. Wer eine Weihnachtsgans isst, zahlt im Supermarkt nur 7 Prozent Mehrwertsteuer. Wer Austern oder Hummer verspeist, 19 Prozent. Bei Trüffeln wird es vollends verrückt: Die werden immer mit 7 Prozent besteuert, außer wenn sie mit Essig behandelt sind. Dann werden auch hier 19 Prozent berechnet.

Besonders kompliziert wird es beim Kauf eines Weihnachtsbaumes. Hier gibt es allein vier Mehrwertsteuersätze. Wird der Baum künstlich hergestellt, fällt generell der allgemeine Steuersatz von 19 Prozent an. Wird er artgerecht gehalten, wird erstmal unterschieden, welchen Beruf der Verkäufer hat. Ein Gewerbetreibender muss 7 Prozent abführen. Ist er dagegen ein Landwirt, dann wird es noch verwirrender. Er kann optieren. Entweder er entscheidet sich für die 7 Prozent-Variante oder er pauschaliert die Mehrwertsteuer. Pauschaliert er sie, dann kommt es darauf an, ob der Baum zufällig im Wald aufgewachsen ist oder in einer Sonderkultur, vielleicht auch im Wald, gezogen wurde. Für ersteren Fall muss er 5,5 Prozent Mehrwertsteuer abführen, ansonsten 10,7 Prozent.

Etwas einfacher ist es da schon bei Adventskränzen. Stammen sie aus überwiegend frischen Tannenzweigen, fallen 7 Prozent Mehrwertsteuer an. Verwendet man überwiegend trockenes Material, sind 19 Prozent fällig. Kommen die Weihnachtsmarktbesucher verfroren nach Hause und zünden den Kamin an, dann wird es wieder kompliziert. Verwenden Sie Brennholz, Pellets oder Holzbriketts, werden sie mit 7 Prozent belastet. Verbrennen sie dagegen Baumstämme oder Holzhackschnitzel, dann haben sie Pech: 19 Prozent sind die Folge.

Das Umsatzsteuerrecht ist kompliziert und ungerecht. Eine Reform ist dringend notwendig. 2010 hat Professor Rolf Peffekoven von der Universität Mainz einen radikalen Vorschlag zur Reform der Umsatzsteuer bzw. der Mehrwertsteuer gemacht: Wegfall des ermäßigten Steuersatzes und weitgehender Wegfall der Steuerbefreiungen. Anschließend könnte der allgemeine Mehrwertsteuersatz von 19 auf 16 Prozent gesenkt werden.

Wahrscheinlich wäre dies das größte Weihnachtsgeschenk für Unternehmen und Steuerzahler.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.