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Von Ryan Khurana.

Künstliche Intelligenz und Automatisierung gelten als für viele Menschen als große Arbeitsplatzbedrohung. Doch die Geschichte macht Mut: Automatisierung führte oft dazu, dass die Menschen sich auf ihren komparativen Vorteil fokussieren konnten und unproduktive Arbeiten von der Technik erledigt wurden. Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, zu einem großen Produktivitätstreiber zu werden, wenn sie nicht durch starre Regulierung auf den Arbeitsmärkten ausgebremst wird.

Viele Menschen treibt die Sorge um, dass zukünftig immer mehr Arbeitsplätze von Künstlicher Intelligenz getriebenen Automatisierung zum Opfer fallen und die Arbeitslosigkeit zunehmen wird. Wenngleich diese Sorgen unbegründet sind, könnten sie schädliche politische Maßnahmen in Gang setzen und so die segensreiche Automatisierung behindern – erste Ansätze einer solchen Überregulierung zeichnen sich bereits im Rahmen des momentan diskutierten EU-Regelwerks für Robotik ab. Bereits John Maynard Keynes prägte die Vorstellung, dass technologischer Fortschritt Arbeitslosigkeit hervorrufen könne. Doch Arbeitslosigkeit und sinkende Löhne drohen nur, wenn die Politik den Wandel behindert. Auf Arbeitsmärkten mit flexiblen Löhnen und Arbeitsbedingungen können Arbeitnehmer weiterhin von KI-getriebener Automatisierung profitieren.

KI-Technologien versprechen Produktivitätsschub

Die Sorge um technologisch bedingte Arbeitslosigkeit entspringt einer engen Sichtweise auf menschliche Fähigkeiten und wirtschaftlichen Bedürfnisse. In produktivitätssteigernden Technologien wie Künstlichen Intelligenzen liegen enorme Chancen, die dazu beitragen können, die derzeitige Wachstumsflaute zu überwinden.

Eine Studie des McKinsey Global Institute kommt zu dem Schluss, dass von Künstlicher Intelligenz getriebene Automatisierung die aufgrund zunehmender Alterung und sinkender Geburtenraten drohenden Produktivitätsverluste in westlichen Gesellschaften abfedern können. Werden Technologien basierend auf Künstlicher Intelligenz früh (d.h. bereits ab 2025) in nennenswerter Weise ausgebaut, könnten sie den Studienergebnissen zufolge das weltweite BIP-Wachstum um jährlich 1,4 Prozentpunkte stärken. Im Wettbewerb agierende Unternehmen sähen sich veranlasst, die Produktivitätsgewinne in Form von Qualitätssteigerungen und niedrigeren Preisen an die Konsumenten weiterzugeben. Die Reallöhne würden also steigen.

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Arbeitnehmer für wertvollere Tätigkeiten frei

Ein weiteres Ergebnis der McKinsey-Studie ist, dass ca. 30 % aller Tätigkeiten in etwa 60 % aller Berufsfelder automatisierbar sind. Dieser vielzitierte Befund lässt bei Skeptikern der Künstlichen Intelligenz die Alarmglocken läuten. Die Konsequenzen sind allerdings unklar. Ein typischer Arbeitnehmer verbringt den größten Teil seiner Arbeitszeit eben nicht mit jenen Tätigkeiten, mit denen er am meisten zum Erfolg des Unternehmens beiträgt. Werden im Zuge der Automatisierung einige Tätigkeiten durch Künstliche Intelligenzen automatisiert, so können sich Arbeitnehmer stärker auf jene Tätigkeiten konzentrieren, durch die sie am meisten beitragen können. Menschliche Arbeit wird durch den technologischen Fortschritt also nicht ersetzt, sondern ergänzt.

Ein anschauliches Beispiel liefert der Effekt von Geldautomaten auf das Bankkundengeschäft: Obwohl Geldautomaten dafür gesorgt haben, dass kaum noch Personal zum Zählen und Aushändigen von Bargeld in Banken beschäftigt werden muss, ist die Nachfrage nach Bankkaufmännern und -frauen nicht gesunken. Vielmehr konzentrieren sich letztere nun stärker auf Tätigkeiten, in denen sie einen komparativen Vorteil haben, etwa den Kundenservice und die Kundenakquise. Gleichzeitig senken Geldautomaten die Miet- und Investitionskosten der Banken, sodass diese mehr Filialen unterhalten können.

Bisherige Studien übertreiben Auswirkungen

Eine OECD-Studie über die Auswirkungen der Automatisierung betont, dass Arbeitsplätze hochgradig heterogen sind, etwa hinsichtlich der Länder und Märkte, in denen sie ausgeübt werden, sowie hinsichtlich des Qualifizierungsniveaus, das sie beanspruchen. Viele ältere Studien ignorieren diese Heterogenität. Wird sie in den Schätzungen berücksichtigt, fällt der Anteil der Jobs mit hohem Automatisierungsrisiko merklich. Das höchste Automatisierungsrisiko besteht demnach in Deutschland und Österreich, wo 12 % der Arbeitsplätze automatisiert werden könnten, vornehmlich im produzierenden Gewerbe. Aber auch das ist kein Grund zur Sorge.

Pflegerische Tätigkeiten schwer automatisierbar

Seit Beginn der Finanzkrise leidet die Weltwirtschaft unter schwachem Produktivitätswachstum, das die Reallohnentwicklung hemmt. Angesichts der voranschreitenden Alterung der Bevölkerung in den meisten OECD-Staaten birgt die Produktivitätsflaute langfristig die Gefahr deutlicher Wohlstandseinbußen. Mit steigendem Durchschnittsalter einer Gesellschaft wächst die Nachfrage nach medizinischen und pflegerischen Dienstleistungen. Für das Vereinigte Königreich gehen Schätzungen beispielsweise davon aus, dass im Jahr 2037 750.000 Arbeitskräfte in diesen Sektoren fehlen werden.

Die Anwendung neuer Technologien auf Basis Künstlicher Intelligenz steigert nicht nur die Produktivität in Branchen mit hohem Automatisierungspotenzial. Zusätzlich wirkt sie auch produktivitätssteigernd in anderen Branchen, in denen menschliche Arbeitskräfte weiterhin wichtig bleiben werden. Wenn etwa der Transportsektor weiter automatisiert und somit effizienter wird, werden zusätzliche Ressourcen für andere Branchen mit geringerem Automatisierungspotenzial frei. So ist die Nachfrage nach Tätigkeiten, die ein hohes Maß an sozialer Kompetenz erfordern, seit 1980 stark gestiegen. Von Künstlicher Intelligenz getriebene Automatisierung wird diesen Trend vermutlich weiter befördern.

Arbeitsmarktregulierung behindert Anpassung

Damit neue Technologien ihre produktivitätssteigernde Wirkung auf dem Arbeitsmarkt realisieren können, müssen die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Auf Arbeitsmärkten – besonders für medizinische und pflegerische Dienstleistungen – sollten Regulierungen dem Beschäftigungszuwachs nicht maßgeblich im Wege stehen. Das Risiko wachsender Arbeitslosigkeit besteht nur dann, wenn die Löhne und Arbeitsbedingungen in den betreffenden Märkten starr reguliert sind und ein Mangel an Ausbildungsmöglichkeiten besteht. Letzteres ist ein entscheidender Faktor, denn die Vorstellung ist weit verbreitet, dass Menschen lediglich jene Tätigkeiten ausüben könnten, für die sie ursprünglich ausgebildet wurden. In einer dynamischen Marktwirtschaft verschwinden zwar permanent Arbeitsplätze, doch es kommt noch schneller zur Entstehung neuer Arbeitsplätze.

Allzu strikte Arbeitsmarktregulierung birgt die Gefahr, die Entstehung neuer Arbeitsmöglichkeiten im Keim zu ersticken und so Arbeitslosigkeit und ein sinkendes Lohnniveau zu befördern. Arbeitnehmer und Unternehmen sollten die Gelegenheit haben, mit Vertrags- und Beschäftigungsbedingungen zu experimentieren, die neue Möglichkeiten zur Aus- und Umbildung enthalten.

Künstliche Intelligenz und flexible Automatisierung

Insbesondere der Markt für medizinische und pflegerische Dienstleistungen sowie andere Sektoren, in denen die Nachfrage nach menschlichen Arbeitskräften zukünftig steigen wird, könnten von Deregulierung profitieren. In diesen Märkten werden Löhne und Arbeitsbedingungen heute in hohem Maße staatlich beeinflusst. Bei steigender Nachfrage würden die Marktlöhne für Arbeiter im Gesundheitssektor steigen und Anreize geben, umzuschulen und in die boomenden Sektoren zu wechseln. Unflexible Löhne führen zu künstlich erzeugtem Nachfrageüberschuss auf Arbeitsmärkten.

Nicht die durch Künstliche Intelligenz getriebene Automatisierung mit ihrer produktivitätssteigernden Wirkung bedroht Arbeitsplätze und Löhne, sondern schlechte Politik und rigide Arbeitsmärkte.

Zuerst erschienen bei IREF (deutsch/englisch)

Photo: Wikimedia Commons (CC 0)

Während sich alle Augen in dieser Woche auf das Treffen von Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel richteten, haben sich in dieser Woche in Meseberg auch Finanzminister Olaf Scholz und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire getroffen und über den Einstieg in eine europäische Arbeitslosenversicherung verständigt. Das ist bemerkenswert. Hatte man doch bislang den Eindruck, dass die Vergemeinschaftung von Risiken zunächst mal bei den Schulden (Europäischer Stabilitätsmechanismus) und den Sparguthaben (Europäische Einlagensicherung) haltmachen würde.

Doch weit gefehlt. Die Sozialversicherungen sind wohl als nächstes dran. Die gemeinsame Erklärung von Le Maire und Scholz spricht dabei eine sehr deutliche Sprache. Darin heißt es: „Im Hinblick auf die Stabilisierung der sozialen Sicherung in der Eurozone sollten die nationalen Systeme der Arbeitslosenversicherung während des gesamten Konjunkturzyklus einen ausgeglichenen Saldo aufweisen und in guten Zeiten Rücklagen bilden. In einer schweren Wirtschaftskrise könnten die nationalen Systeme durch einen Stabilisierungsfonds auf Ebene der Eurozone ergänzt werden. Der Fonds könnte den nationalen Sozialversicherungssystemen in einer Wirtschaftskrise, die mit erheblichen Arbeitsplatzverlusten einhergeht, Geld leihen.“ Naheliegend ist dabei wohl ein Rückversicherungssystem als Übergang wie es bereits beim geplanten Europäischen Einlagensicherungssystem vorgesehen ist.

Die Erklärung der beiden Finanzminister klingt stark nach 1970er Wirtschaftspolitik. In schlechten Zeiten das Geld ausgeben, damit Konjunktur entsteht, die die Arbeitslosigkeit reduziert, um dann von den Mehreinnahmen das aufgelaufene Defizit zurückzuführen. Das hat historisch nie geklappt. 1972 sagte Helmut Schmidt einmal: „Lieber 5 Prozent Inflation als 5 Prozent Arbeitslosigkeit.“ Damit begründete er eine bis dahin ungeahnte Ausgaben- und Schuldenpolitik des Staates. Mitte der 1970er Jahre hatte der damalige Bundeskanzler dann beides. Dieser Irrglaube der Steuerbarkeit von Konjunkturverläufen hat bislang nirgends funktioniert. Die Finanzierung von Arbeitslosigkeit kann keine Arbeitsplätze schaffen. Auch die aktive Arbeitsmarktpolitik ist vielfach wirkungslos. Mitnahmeeffekte sind systemimmanent.

Natürlich ist die Zahl der Arbeitslosen in Europa, in der EU und insbesondere in der Euro-Zone zu hoch. Gerade die Jugendarbeitslosigkeit ist in Südeuropa besorgniserregend und führt vielerorts zu Perspektivlosigkeit. In Griechenland beträgt die Jugendarbeitslosigkeit 45 Prozent, in Frankreich über 20 Prozent, in Italien über 33 Prozent und in Spanien sogar über 34 Prozent. Doch die Ursache dafür läßt sich nicht mit noch mehr Umverteilung in der EU lösen. Das Problem sind Markteintrittshürden für Geringqualifizierte. Das Arbeitsrecht privilegiert in diesen Ländern die Arbeitsplatzbesitzenden und diskriminiert diejenigen, die einen Arbeitsplatz suchen. Vielfach hohe Mindestlöhne verhindern die Einstellung von jungen Menschen und ein fehlendes duales Ausbildungssystem lassen ein „Training on the Job“ nicht zu.

Viele dieser Probleme haben historische und kulturelle Wurzeln. Umverteilung zu Lasten derer, die es anders und vielleicht auch besser machen, hilft da wenig. Auch noch mehr öffentliche Investitionen durch die EU oder über ein Eurozonen-Budget zu finanzieren, ist dabei wenig hilfreich. Der jetzt von Angela Merkel als Deal für das Entgegenkommen Macrons in der Flüchtlingspolitik zugestandene Schlechtwetterfonds im „niedrigen zweistelligen Milliardenbereich“ ist bestenfalls ein Placebo. Wahrscheinlich richtet er aber mehr Schaden als Nutzen an. Wenn bei schlechter Wirtschaftslage Euro-Staaten über diesen Fonds „gepampert“ werden, dann sind auch hier den Mitnahmeeffekten Tür und Tor geöffnet.

Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und ihren Produkten kann nicht durch staatliche Investitionen erreicht werden. Hier sind andere Dinge viel Wesentlicher. Dazu gehört eine Eigentumsordnung, die Investoren aus dem eigenen Land und von außen einlädt, dauerhaft am Standort zu investieren. Dazu gehört ein Arbeitsrecht, das durchlässig ist und jungen Menschen Chancen gibt. Und es gehört eine Administration des Staates dazu, die möglichst frei von Korruption und Bevorteilung ist. Dies erfordert die Gleichheit vor dem Recht und den Staat als Dienstleister der Bürger. Gerade davon sind wir auch im eigenen Land Lichtjahre entfernt. Wenn Merkel und Macron die EU zukunftssicher machen wollen, sind das die Baustellen, an denen gearbeitet werden müsste.

Erstmals veröffentlicht bei Tichys Einblick.

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Benjamin Buchwald, Research Fellow bei IREF, Student der Public Economics an der Leuphana Universität Lüneburg.

Nach der deutschen Wiedervereinigung war die Sorge groß, dass die neuen Bundesländer bei der Beschäftigung weit hinter den alten Ländern bleiben. Das Bild eines zweiten Süditalien zwischen Harz und Oder stand im Raum. Doch die Unterschiede bei der Arbeitslosigkeit haben sich nivelliert, einem flexiblen Arbeitsmarkt sei Dank.

Bei allen Unterschieden, die weiterhin bestehen und allen Fehlern, die in der Vergangenheit gemacht wurden, die Entwicklung der Arbeitslosenraten in den ostdeutschen Ländern stimmt optimistisch. Nicht nur im Bereich der Arbeitslosigkeit herrscht Konvergenz, auch das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf nähert sich dem westdeutschen Niveau an. Die Gefahr eines zweiten Mezzogiornos scheint gebannt. Ostdeutschland hat sich nicht zu einem ökonomischen Pendant Süditaliens entwickelt.

Arbeitslosigkeit in den Neuen Ländern deutlich gesunken

Es geht voran in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Ein Blick auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Zeitverlauf offenbart ein positiv stimmendes Bild: Die Arbeitslosenraten in den östlichen Flächenländern sind verglichen mit den 1990er Jahren deutlich gefallen.

Die Arbeitslosenquoten Sachsens und Thüringens – bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen – liegen heute unter derjenigen von Nordrhein-Westfalen. Auch die Quoten der übrigen ostdeutschen Länder nähern sich denen der westdeutschen immer weiter an. Seit Mitte der 1990er Jahre ist Konvergenz zu beobachten.

Ostdeutschland ein zweites Mezzogiorno?

Einige sollte die Entwicklung angesichts düsterer Vorhersagen für die wirtschaftliche Entwicklung des ostdeutschen Bundesgebietes nach der Wiedervereinigung überraschen. So wurde vor der Entstehung eines zweiten Mezzogiorno-Problems gewarnt. Gemeint war, dass die Volkswirtschaft in den östlichen Bundesländern hinsichtlich Produktivität, Bruttoinlandsprodukt, Wachstum und Arbeitslosigkeit deutlich von derjenigen der westdeutschen Länder abgehängt werden würde – ähnlich der Situation, wie sie in Italien zwischen dem nördlich-zentralen und dem südlichen Teil des Landes zu beobachten ist.

Noch 2001 argumentierten die Ökonomen Hans-Werner Sinn und Frank Westermann, dass es zwischen Ostdeutschland und Süditalien auffallende Gemeinsamkeiten gäbe und sprachen von einem zweiten Mezzogiorno. Beide Regionen wiesen ähnliche Produktivitätslücken zum Rest des Landes auf und waren auf Transferleistungen angewiesen. Als Gründe nannten die beiden Ökonomen überzogene Löhne, zu hohe Sozialleistungen und eine problematische Verteilung von Arbeitskräften auf bestehende Tätigkeitsbereiche.

Konvergenz auf dem deutschen Arbeitsmarkt

Die jüngere Entwicklung auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt ist weit weniger düster als diese vor über 15 Jahren formulierten wenig hoffnungsvollen Aussichten. Stiegen die jeweiligen Arbeitslosenquoten in den 1990er Jahre noch an und erreichten zu Beginn der 2000er Jahre ihre Höchststände, sind sie seitdem stark gefallen. Die heutigen Arbeitslosenraten aller ostdeutschen Flächenländer befinden sich nunmehr deutlich unter den Niveaus, welche unmittelbar nach der Wiedervereinigung zu verzeichnen waren.

Vergleicht man die Entwicklung der Arbeitslosenraten in Ostdeutschland mit derjenigen in den westdeutschen Bundesländern, kann seit Mitte der 1990er Jahre von Konvergenz gesprochen werden. Der Osten holte in jüngerer Vergangenheit auf.

Die Zahlen in den jeweils bevölkerungsreichten Ländern Nordrhein-Westfalen und Sachsen stehen dafür beispielhaft. 1994 betrug die Arbeitslosenquote in NRW noch 9,8 %. Im selben Jahr verzeichnete das Land Sachsen eine Quote von 14,8 %. 2005 waren Arbeitslosenhöchststände von 12,0 % in NRW bzw. 18,3 % in Sachsen zu vermelden. Auch angetrieben durch die Hartz-Reformen, sind die Arbeitslosenraten seitdem gefallen – in Sachsen jedoch deutlich stärker als in NRW. Im vergangenen Jahr betrug die sächsische Arbeitslosenquote nur noch 7,5 % und konnte damit Nordrhein-Westfalen (7,7 %) unterbieten.

Natürlich bestehen auch heute noch größere Unterschiede zwischen den ostdeutschen Bundesländern und den volkswirtschaftlich robustesten westdeutschen Ländern. Doch auch dieser Vergleich zeigt einen positiven Trend: 2016 wies Bayern mit 3,5 % die niedrigste Arbeitslosenrate auf. Den niedrigsten Wert in Ostdeutschland hatte Thüringen mit 6,7 % zu verzeichnen. Damit lag der Abstand des von der Performance her „besten“ westdeutschen Flächenlandes zum „besten“ ostdeutschen bei 3,2 Prozentpunkten. 22 Jahre zuvor fiel dieser Abstand noch deutlich größer aus. Er betrug damals 9,5 Prozentpunkte.

Auch BIP pro Kopf nähert sich westdeutschem Niveau

Trotz aller wirtschaftspolitischer Fehler, die nach der Wiedervereinigung gemacht wurden, konnte im Falle von Ostdeutschland ein zweites Mezzogiorno anscheinend abgewandt werden.

Die Arbeitslosenquoten in den süditalienischen Regionen, die substantielle Transfers aus dem Nordern erhalten und von organisierter Kriminalität sowie einem unverlässlichen Justizwesen geplagt sind, reichten von 12,1 % bis 23,2 %. Während sich das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Italien zwischen Nord und Süd zudem immer weiter auseinanderentwickelt, holen die ostdeutschen Bundesländer gegenüber den westdeutschen auch hier auf. Lag das ostdeutsche BIP pro Kopf zur Zeit der Wiedervereinigung noch bei weniger als 40 % des Durchschnitts in Westdeutschland, machte es 2015 bereits knapp unter 70 % aus.

Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt entscheidender Faktor

Die Ökonomen Andrea Boltho, Wendy Carlin und Pasquale Scaramozzino sehen als einen wesentlichen Grund für die positive Entwicklung der ostdeutschen Bundesländer die im Vergleich zu den süditalienischen Regionen stärker ausgeprägte Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. Es wäre wünschenswert, diese positive Entwicklung durch weitere Reformen zu unterstützen und so für zusätzliche Flexibilität auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu sorgen.

Bedauerlicherweise scheint in Deutschland seit den Hartz-Reformen eher der Drang vorzuherrschen, den Arbeitsmarkt weniger flexibler zu gestalten. Der Mindestlohn ist dabei die offensichtlichste Maßnahme. Die Konsequenzen derartiger häufig gut gemeinter Maßnahmen, die den Arbeitsmarkt regider machen, sind langfristig oft nicht wünschenswert.

Zuerst erschienen bei IREF.

Photo: AmberAvalona from pixabay (CC 0)

Martin Schulz ist sehr stolz auf das von ihm federführend formulierte Europa-Kapitel des nun vorliegenden Koalitionsvertrags. Das kann er auch sein, trägt es doch im Wesentlichen seine Handschrift. Doch ist dieses Kapitel wirklich europafreundlich? Trägt es dazu bei, dass die EU wirtschaftlich mit anderen Regionen dieser Welt mithalten kann?

Um diese Frage zu beantworten, muss frei von Europalyrik definiert werden, was überhaupt europafreundlich ist? Was macht die Europäische Union, wie es im Koalitionsvertrag heißt, zu einem „historisch einzigartigen Friedens- und Erfolgsprojekt“? Warum schlagen sich Franzosen und Deutsche nicht mehr die Köpfe ein? Warum machen Holländer im Sauerland Urlaub und Deutsche am Ijsselmeer? Warum fahren deutsche Schüler zum Austausch nach England und englische Schüler nach Deutschland? Es sind sicherlich die schlimmen historischen Erfahrungen bis Mitte des letzten Jahrhunderts, die die Europäer zur Vernunft gebracht haben. Und es ist die Neugier auf beiden Seiten, die Kultur und die Tradition des jeweils anderen kennenzulernen. Es ist aber vor allem auch, die Förderung der Kooperation und die Nichtbehinderung durch den jeweiligen Staat. Das hat viel mit dem immer noch vorherrschenden Wirtschaftssystem, der Marktwirtschaft, zu tun. Zwar gibt es unterschiedliche Traditionen in Großbritannien, in Osteuropa, in Deutschland, in Frankreich oder in Südeuropa, aber die Europäische Union hat diese marktwirtschaftliche Ordnung bislang eher gefördert, als gehemmt. Handelsschranken wurden eher ab- als aufgebaut. Der Schutz der heimische Industrie oder von Dienstleistungsunternehmen gegenüber europäischer Wettbewerbern wurde eher ab- als aufgebaut. Und die EU-Wettbewerbskommission in Brüssel war bei der Durchsetzung des diskriminierungsfreien Zugangs zu den Märkten der jeweiligen Mitgliedsstaaten eher progressiv als defensiv.

Doch jetzt droht durch die Debatte um die EU-Entsenderichtlinie eine marktfeindliche Gegenbewegung. Diese hat ihren Ursprung zwar nicht in Deutschland und bei der SPD, sondern bei Emmanuel Macron, sie kann aber nur durch die große Koalition in Berlin tatsächlich durchgesetzt werden. Bislang galt schon, dass Unternehmen, die in einem anderen Land mit eigenen Mitarbeitern eine Dienstleistung erbringen zu den dortigen Mindestlöhnen bezahlt werden müssen. Das war bereits das Einfallstor für nationale Abschottung. Denn sämtliche Länder in der EU haben eine enorme Bürokratie aufgebaut, die es Unternehmen sehr schwer machen, in einem anderen Land Dienstleistungen zu erbringen. Denn das Land, in dem die Dienstleitung erbracht wurde, muss ja schließlich kontrollieren, ob der Mindestlohn auch bezahlt wird, ob die Arbeitszeitgesetze eingehalten werden und getrennte Toiletten vorhanden sind. Bald wird dieses Prinzip auf die Spitze getrieben. „Das Prinzip des gleichen Lohns für gleiche Arbeit am gleichen Ort in der EU wollen wir in einem Sozialpakt stärken“, heißt es jetzt im Koalitionsvertrag. Das ist Eins-zu-Eins auch das Ansinnen von Macron. Doch ist das wirklich sozial? Wozu führt dieses Prinzip?

Führt es zu Wohlstand und zur Reduktion der hohen Arbeitslosigkeit in Frankreich und anderswo? Sicher nicht. Unternehmen, die in Griechenland, Portugal oder auch Slowenien beheimatet und heute in Paris, nächste Woche in Amsterdam und übernächste Woche in Tallin tätig sind, müssen den gleichen Mitarbeitern jede Woche ein anderes Gehalt bezahlen und dies gegenüber den örtlichen Behörden nachweisen. Entwickelte Länder in der EU bauen so Eintrittshürden auf, um ihre Dienstleistungsmärkte gegenüber ausländischen Anbietern abzuschotten. Es sind Handelsschranken, die die reichen gegenüber den ärmeren Ländern aufbauen und damit den Geist des Binnenmarktes untergraben. Es ist doch ein Treppenwitz, wenn die Entfaltungsmöglichkeiten in den ärmeren Ländern erst durch eine verschärfte Entsenderichtlinie gehemmt und verhindert werden und anschließend Deutschland seinen Beitrag in den EU-Haushalt großzügig erhöht, um Transferleistungen für die hohe Arbeitslosigkeit im Süden Europas zu finanzieren.

Der Denkfehler dabei ist, den Binnenmarkt wie einen statischen Kuchen zu betrachten, der immer gleich groß ist. Dabei wächst der zu verteilende Kuchen in einer Marktwirtschaft. Er wird größer, bunter und schöner. Am Ende sind die Stücke für jeden größer und besser, wenn sich beide Seiten darauf einlassen. Einlassen heißt dabei, dass dies nicht automatisch passiert, sondern dass offene Märkte Anpassungen und Veränderungen erforderlich machen, ansonsten fallen Länder ökonomisch zurück. Mangelnde Anpassung kann aber nicht durch eine Verschärfung der Entsenderichtlinie verhindert werden, sondern die Fallhöhe steigt durch das Hinausschieben nur um so mehr. Wer dies nicht erkennt, akzeptiert, dass der Kuchen klein und hässlich bleibt, vielleicht sogar noch kleiner wird.

Das muss sich die SPD vorwerfen lassen. Sie will nicht wirklich, dass der Kuchen in der EU größer wird. Sie will ihr Klientel schützen. Und die Union muss sich vorwerfen lassen, dass sie dies zulässt und sich damit am Erbe von Ludwig Erhard versündigt.

Erstmals veröffentlicht bei Tichys Einblick.

Photo: Mirko Walterman from Flickr (CC BY 2.0)

Der Arbeitsmarkt verändert sich. Auf vielfältige Weise. Auf der einen Seite erlebt Deutschland ein Beschäftigungswunder. Seit der Deutschen Einheit gab es noch nie so viele Beschäftigungsverhältnisse. Aktuell sind es 44,5 Millionen. Inzwischen sind nur noch durchschnittlich 2,53 Millionen als arbeitslos registriert. Die Bundesagentur für Arbeit meldet nur noch eine Quote von 5,7 Prozent. All diejenigen, die bislang meinen, es würde die Arbeit in Deutschland ausgehen, sind eines Besseren belehrt. Natürlich sind das nicht alle, die Arbeit suchen. In vielen Bereichen wird die Statistik geschönt. Der Bereich der ALG II-Empfänger gehört nicht dazu, auch diejenigen, die ein Asylverfahren durchlaufen, fallen raus und viele andere mehr. Dennoch ist die Entwicklung positiv. Denn vor 15 Jahren, als Gerhard Schröder die Reformen am deutschen Arbeitsmarkt eingeleitet hatte, lag die Arbeitslosenzahl bei rund 5 Millionen, bei nahezu ebenso vielen Menschen, die aus der Statistik herausgeschönt wurden.

Überall werden Facharbeiter und Handwerker gesucht. Nicht nur Elektriker und Fliesenleger fehlen, sondern auch LKW- und Gabelstaplerfahrer. Gerade hier liegt eine große Herausforderung für die Weiterbildung. Doch man muss sich fragen, ob dazu die Bundesagentur für Arbeit die richtige Adresse ist. Sie hat nur noch die Hälfte der „Kunden“ gegenüber Anfang des Jahrtausends, aber beschäftigt immer noch fast die gleiche Anzahl an Mitarbeitern. Ende 2016 waren es 96.800 Vollzeitkräfte und sie verwaltete einen Etat von über 35 Milliarden Euro. Wer über die Effizienz des Staates nachdenkt, muss hier ansetzen. Denn bereits vor 15 Jahren war die Nürnberger Behörde ein fast unmanövrierbarer Tanker. Unter dem langjährigen BA-Chef Frank-Jürgen Weise, der bis Ende 2017 Vorstandsvorsitzender der Behörde war, hat sich die ehemalige Bundesanstalt für Arbeit unbestritten weiterentwickelt. Dennoch herrscht Reformbedarf. Die Qualifizierung und Weiterbildung ist keine staatliche Aufgabe, sondern eine privatwirtschaftliche. Dazu bedarf es Freiräume für Unternehmen und Marktteilnehmer.

Denn neben dem Beschäftigungswunder gibt es eine gravierende Veränderung des Arbeitsmarktes. Insbesondere der Drang zur Selbstständigkeit hält an. Neue Beschäftigungsformen, wie die der Clickworker, die über Portale Aufträge akquirieren, kommen zunehmend in Mode. In Deutschland, so berichtet die FAZ, arbeiten inzwischen eine halbe Million in diesem Sektor. DGB-Bundesvorstand Annelie Buntenbach, die auch Vorsitzende des BA-Verwaltungsrates ist, hat jetzt verlangt, dass Portale wie Myhammer Sozialabgaben für diejenigen bezahlen sollen, die auf ihrer Plattform Aufträge entgegennehmen. Sie gehörten in den „Schutz der Sozialversicherungen“. Ob die Selbstständigen dies wollen, mag man bezweifeln. Die allermeisten habe ihre Selbstständigkeit ja freiwillig gewählt.

Die Nachfrage von Handwerksunternehmen nach ausgebildeten Gesellen ist besonders hoch. Daher haben die Selbstständigen, die Portale nutzen, um Aufträge zu gewinnen, ihr Geschäftsfeld selbst gesucht und gewählt. Der Gesetzgeber hat gutgetan, bislang die Einbeziehung von Selbständigen in die Sozialversicherungen nur sehr behutsam zu veranlassen. Die Freiheit der Selbständigkeit beinhaltete historisch auch die Freiheit, seinen Krankenversicherungsschutz frei zu wählen oder auch seine Altersvorsorge. Wer diese Freiheit einschränken will, schafft Markteintrittshürden für Existenzgründer und verhindert so die Flexibilität in einer Marktwirtschaft. Das schadet allen. Nicht nur den Existenzgründern selbst, sondern auch den Kunden. Sie müssen in einem engeren Markt mehr für die angeforderte Dienstleistung bezahlen. Dem Millionär mag das egal sein, dem Arbeiter jedoch nicht. Er muss für eine eingekaufte Dienstleistung einen höheren Anteil seines Nettogehalts aufwenden. Er bezahlt also die Regulierungswut des Staates. Dabei profitiert der klassische Arbeitnehmer mit geringen oder durchschnittlichen Einkünften besonders von innovativen Konzepten wie Myhammer und anderen.

Erstmalig kann er ohne aufwändige Ausschreibung Aufträge vergeben und so qualitative oder preisliche Bewertungen vornehmen. Der Dienstleistungsmarkt wird so für viele Privatkunden transparenter und erschwinglich. Mehr Marktwirtschaft hilft daher dem kleinen Mann, er ist dann wirklich als Kunde König.