Photo: Images Money from Flickr (CC BY 2.0).

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Spekulanten sind zurzeit nicht populär. Für die Globalisierungsskeptiker von Attac ist Spekulation verantwortlich für hohe Lebensmittelpreise und Hungersnöte in der Dritten Welt. Warren Buffett, selbst äußerst erfolgreicher Spekulant, hält seiner Branche den Spiegel vor und wirft seinen Kollegen das Spiel mit „finanziellen Massenvernichtungswaffen“ vor. Die Vorstellung, dass Spekulation moralisch anrüchig und volkswirtschaftlich schädlich sei, ist weit verbreitet. Die Politik wird regelmäßig aufgefordert, Spekulation durch Steuern und Verbote einzudämmen.

Was genau Kritiker unter Spekulation verstehen, geben sie selten zu erkennen – was nicht verwundert: Eine Definition spekulativen Verhaltens, die die Kernmotivation der vielkritisierten Finanzmarktakteure trifft und zugleich durch die selbe Motivation geprägtes Verhalten im Alltag ausschließt, ist nicht leicht zu formulieren. Gemeint zu sein scheinen professionelle Geschäftsaktivitäten, die auf Gewinne durch zukünftige Preisänderungen abzielen. Doch genau solche Aktivitäten spielen in der Marktwirtschaft eine segensreiche Rolle.

Damit Spekulation zur Verbesserung der mittels Preissystem bereitgestellten Informationen beitragen und ihre Risiken bündelnde Funktion wahrnehmen kann, bedarf es einer Rahmenordnung, die garantiert, dass Spekulanten im Verlustfall für ihre Entscheidungen haften. Auf die Forderung einer solchen Rahmenordnung sollten sich auch die Kritiker konzentrieren.

Eine riskante Wette auf die Zukunft

Der Duden definiert Spekulation als „Geschäftstätigkeit, die auf Gewinne aus zukünftigen Veränderungen der Preise abzielt“. Solche Tätigkeiten können sich auf vielen verschiedenen Märkten abspielen – beispielsweise auf Güter-, Finanz- oder Währungsmärkten. So kann ein Spekulant ein Güterbündel in Erwartung einer baldigen Preissteigerung kaufen. Bestätigen sich seine Erwartungen, so erzielt er beim Verkauf einen Profit. Auch das Wetten auf bestimmte Preisentwicklungen, etwa mittels entsprechender Finanzpapiere, stellt Spekulation dar.

Als spekulativ können demnach grundsätzlich solche Aktivitäten verstanden werden, die vom jeweils Handelnden als vorteilhaft in Hinblick auf seine Erwartungen über zukünftige Ereignisse erachtet werden, also in psychische oder monetäre Gewinne münden. Da Erwartungen über die Zukunft sich im Nachhinein als falsch herausstellen können, ist Spekulation stets riskant. Eine derart breite Definition von Spekulation schließt viele berufliche und private Entscheidungen mit ein: Von der täglichen Kleidungswahl auf Grundlage von Wetterberichten über die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen bis hin zur privaten Altersvorsorge.

Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend werden als Spekulation hier jedoch nur solche Tätigkeiten bezeichnet, die in einem professionellen Rahmen zu Erwerbszwecken ausgeübt werden, bepreisbare Güter zum Gegenstand haben und potentiell zu monetären Gewinnen führen. Obwohl zwischen dem zugrundeliegenden Kalkül kein prinzipieller Unterschied liegt, gilt der private Kauf einer Goldmünze daher nicht als Spekulation, die professionelle Finanzmarktwette auf den Goldpreis jedoch schon. Der Kauf einer zweiten Packung Salat in Erwartung eines leeren Gemüseregals am Wochenende gilt nicht als Spekulation, der Handel mit Terminkontrakten für landwirtschaftliche Erzeugnisse dagegen schon.

Keine Preissteigerung und Knappheit durch Spekulation

Die Vorwürfe an Spekulanten sind vielfältig und haben je nach betroffenem Markt einen anderen Fokus. Auf Gütermärkten, speziell jenen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, werden Spekulanten oft für hohe bzw. „verzerrte“ Preise und künstliche Knappheit verantwortlich gemacht. Ohne Spekulation, so die Vorstellung der Kritiker, wären die Preise für Endverbraucher niedriger und die jeweiligen Güter reichlicher verfügbar. Was genau beispielsweise Attac unter Spekulation versteht, bleibt offen – jedenfalls fällt der Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten mit über die Termin- und Preissicherung hinausgehender Funktion darunter. Doch sind Spekulanten tatsächlich interessiert daran und in der Lage, Preise systematisch zu treiben und das Angebot auf dem Markt zu drücken?

Richtig ist, dass der spekulative Ankauf von Gütern (bzw. Anrechten auf diese) zu zusätzlicher Nachfrage und damit kurzfristig zu Preissteigerungen führt. Der spekulative Akt ist jedoch erst dann vollzogen, wenn die Güter wieder verkauft werden – andernfalls kann der Spekulant keinen Gewinn erzielen. Durch den Verkauf schafft er wiederum ein zusätzliches Angebot und trägt kurzfristig zu sinkenden Preisen bei. Finanzinstrumente erlauben es Spekulanten, auch durch fallende Preise Gewinne zu erzielen. Als Gruppen haben Spekulanten deshalb kein einheitliches Interesse an höheren Preisen. Individuell nimmt jeder Spekulant zu mindestens zwei Zeitpunkten Einfluss auf Preise und Knappheitsverhältnisse. Und zwar mit jeweils gegensätzlicher Wirkung.

Da Spekulanten nur dann Gewinne erzielen können, wenn sie ihr Verhalten systematisch an zukünftig erwarteten Preis- und Knappheitsentwicklungen ausrichten und etwas häufiger richtig als falsch liegen, tragen sie langfristig zu einem weniger volatilen Preis- und Versorgungsniveau bei, das anderen Marktakteuren die Planung erleichtert. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass Spekulanten Preise systematisch verzerren und Knappheitsverhältnisse langfristig beeinflussen können.

Der Spekulant als Versicherer

Auch die Tätigkeit von Versicherungen kann als Spekulation gedeutet werden. Spekulanten, die sich in vielen Märkten gleichzeitig betätigen, nehmen eine risikobündelnde Funktion wahr, indem sie anderen Marktteilnehmern Risiken abnehmen. Aufgrund ihres komparativen Vorteils in der akkuraten Einschätzung zukünftiger Entwicklungen auf verschiedenen Märkten gelingt ihnen ein besseres Risikomanagement als es den einzelnen Marktteilnehmern möglich wäre.

Im Agrarmarkt etwa ist es weitverbreitete Praxis, dass Erzeuger das Anrecht auf ihre zukünftige Ernte im Voraus zu einem fixen Preis verkaufen und sich so gegen zukünftig niedrige Preise absichern. Das Risiko liegt dann beim Käufer dieses Anrechts – typischerweise einem Spekulanten, der das Risiko in diversifizierten Portfolios ausgleicht, indem er anderen Markteilnehmern das Recht verkauft, die noch nicht geernteten Güter zu einem fixen Preis zu kaufen.

Effizientere Märkte

Der Zweck von Preisen ist es, die Bedürfnisse der Marktteilnehmer und daraus resultierende relative Knappheitsverhältnisse zu kommunizieren. Märkte mit Preisen mit hohem Informationsgehalt sind effizient – die Preise von auf ihnen gehandelten Produkten spiegeln die Informationen und Erwartungen aller Marktteilnehmer wider.

Ihrer Informationsfunktion kommen Preise besonders gut nach, wenn Märkte „dick“ sind, also aus einer Vielzahl von Teilnehmern und Transaktionen bestehen. Insbesondere Spekulanten tragen dazu bei, Märkte „dicker“ zu machen, denn ihr Gewinn fällt umso höher aus, je akkurater ihre Einschätzung zukünftiger Entwicklungen ist – eine wertvolle Information, die sie für alle Marktteilnehmer nutzbar machen.

Markt sortiert Herdentiere aus

Doch sind Spekulanten überhaupt in der Lage, den Informationsgehalt von Preisen zu erhöhen? Im Zusammenhang mit Finanzmarktkrisen vertreten viele Kritiker die Auffassung, Spekulanten würden sich nicht an wohlinformierten Einschätzungen über zukünftige Entwicklungen orientieren, sondern schlicht daran, wie andere Spekulanten sich verhalten. Als Herdentiere würden sie daher übertriebene Preiskorrekturen und –haussen hervorrufen und den Informationsgehalt von Preisen senken. In extremen Fällen könne solches Herdenverhalten gar zu Spekulationsblasen führen, wenn Preise nur noch steigen, weil Spekulanten kaufen und Spekulanten nur noch kaufen, weil die Preise steigen. Ein beliebtes Beispiel ist die Blase auf dem US-Immobilienmarkt 2007, deren Platzen als Auslöser der Finanzkrise gilt.

Auch wenn Herdenverhalten auf Märkten grundsätzlich möglich ist, gibt es jedoch keinen Grund für die Annahme, dass es in Marktwirtschaften ein lohnendes Geschäftsmodell darstellen würde. In einer Wirtschaftsordnung mit individueller Haftung bedeutet die wiederholt falsche Einschätzung zukünftiger Entwicklungen für einen dem Herdentrieb verfallenen Spekulanten hohe Verluste und schließlich den Marktaustritt – spätestens wenn die Blase platzt. Aus Sicht der anderen Marktteilnehmer ist ein solcher Prozess segensreich, da nur jene Spekulanten auf dem Markt verbleiben, deren Verhalten in der Lage ist, den Informationsgehalt von Preisen tatsächlich zu stärken.

Spekulation braucht marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen

Herdenverhalten und Blasenbildung wird auf Märkten tendenziell bestraft statt gefördert. Problematische Ausmaße kann es insbesondere annehmen, wenn individuelle Spekulanten nicht erwarten müssen, für ihre riskanten Entscheidungen zu haften. Während der US-Immobilienblase 2007 wurde die individuelle Haftung durch implizite und explizite Staatsgarantien aufgeweicht. So haben Immobilienspekulanten ihr Verhalten im Vorfeld der Finanzkrise an der –im Nachhinein durchaus bestätigten – Erwartung ausgerichtet, im Verlustfall durch öffentliche Mittel entschädigt zu werden. In der Euro-Zone sind die Zinsen auf Staatsanleihen im Vorfeld der Finanzkrise nahezu vollständig konvergiert – ein Umstand, der dafür spricht, dass die Gläubiger grosso modo zutreffend erwarteten, im Falle der Zahlungsunfähigkeit eines Landes von den übrigen Ländern Bailouts zu erhalten.

 

 

Im Lichte der vorangegangenen Diskussion wird deutlich, dass solche Rettungsaktionen Kosten haben, die weit über den Schaden für den Steuerzahler hinausgehen. Langfristig untergraben sie die segensreiche Wirkung der Spekulation im Preisfindungs- und Risikoverteilungsprozess. Besteht dagegen ein die individuelle Haftung durchsetzender Ordnungsrahmen, so müssen jene Spekulanten, die die Zukunft systematisch fehleinschätzen den Markt verlassen.

Zurück bleiben jene Akteure, deren komparativer Vorteil in der akkuraten Einschätzung zukünftiger Entwicklungen liegt. Ihr Gewinnstreben hat in der Marktwirtschaft segensreiche Wirkungen: Es trägt zu einem weniger volatilen Preis- und Versorgungsniveau bei, reduziert das durch den Einzelnen zu tragende Risiko und stärkt den Informationsgehalt von Preisen.

Erstmals erschienen bei IREF.

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