Beim Widerstand gegen die Vergemeinschaftung der Einlagensicherung im Euro-Club ist Finanzminister Wolfgang Schäuble inzwischen auf dem Rückzugsgefecht. Die Schlacht wurde letzte Woche durch eine weitere Niederlage besiegelt. Medien berichten, dass der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Rates die von der Europäischen Kommission gewählte Rechtsgrundlage durchwirken wird. Die Kommission bezieht ihren Vorschlag auf eine Rechtsgrundlage in den Europäischen Verträgen, die mit einer qualifizierten Mehrheit angenommen werden kann. Die deutsche Regierung hat dagegen bislang argumentiert, dass jedes Land ein Veto gegen den Kommissionsvorschlag habe. Somit hätte Deutschland alleine eine gegenseitige Einstandspflicht für Sparguthaben in der EU verhindern können. Denn darauf zielt eine einheitliche Einlagensicherung im Euro-Raum ab. Die bisher selbständigen Einlagensicherungssysteme sollen sich gegenseitig in einer Schieflage helfen müssen. Doch sie sind schon heute brüchig und löchrig. Alle versprechen mehr, als sie halten können. Jetzt sollen die maroden Systeme zu einem noch maroderen System zusammengefasst werden.In letzter Konsequenz führt die Vergemeinschaftung dazu, dass Einlagen spanischer oder italienischer Sparer bei dortigen Banken durch die Einlagen deutscher oder niederländischer Sparer gesichert werden. Das ist von vornherein der Plan der europäischen Technokraten gewesen. Sie wollten mit der Bankenunion eine noch stärkere gegenseitige Abhängigkeit schaffen. Aus guten Nachbarn sollten Schuldner und Gläubiger gemacht werden, die sich immer stärker umarmen, bis sie gegenseitig keine Luft mehr bekommen. Der Start dieser Bankenunion war der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM, der die Staatsschulden im Euroraum sozialisierte, die dann geschaffene einheitliche Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB und der einheitliche Abwicklungsmechanismus für Banken vergemeinschaftete die Entscheidung, welche Banken in einer Schieflage wie behandelt werden.

Was bisher die Aufgabe der nationalen Aufsichten war, wurde jetzt an die Technokraten in Brüssel und bei der EZB in Frankfurt übertragen. Der krönende Abschluss wäre jetzt die vergemeinschaftete Einlagensicherung. Erst hier kam der Widerstand der deutschen Regierung. Bis dahin hatte sie alles durch gewunken. Doch jetzt ist es womöglich zu spät.

Denn bei einer qualifizierten Mehrheit auf EU-Ebene müssen mindestens 55 % der Staaten, also mindestens 15 bei 28 Staaten mit mindestens 65 % der Gesamtbevölkerung der EU zustimmen. Für eine Sperrminorität sind die Stimmen von mindestens 4 Ratsmitgliedern, die mindestens 93 Stimmen im Rat aufbringen müssen, notwendig. Dies gelingt nur, wenn sich ein Teil der bevölkerungsreichen Staaten Frankreich, Spanien oder Italien dem deutschen Widerstand anschließen. Das ist schon deshalb nicht zu erwarten, weil gerade diese Länder auf eine schnelle Umsetzung der Vergemeinschaftung der Einlagensicherung drängen. Alle diese Länder leiden noch unter der Finanzkrise 2007/2008. Italiens Banken stehen vor besonders schweren Zeiten. Seit 2008 steigt deren Volumen an faulen Krediten im Privatsektor von Monat zu Monat an und hatten im Januar 2016 einen historischen Höchststand von 201,6 Mrd. Euro. Der Anteil der mit mehr als 90 Tagen im Zahlungsverzug befindlichen Kredite an italienische private Haushalte und Unternehmen kletterte auf ein neues Hoch von 12,24 Prozent.Die Probleme Spaniens sind neben großen Strukturproblemen die Folgen des Platzens der Immobilienblase 2008. Von diesem Einschnitt hat sich weder das spanische Bankensystem noch die spanische Industrie erholt. Letztere ist immer noch über 21,8 Prozent vom Hoch 2008 entfernt. Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte Spaniens war noch nie so hoch. Wenn die Regionen mit eingerechnet werden, liegt sie wohl fast bei 150 Prozent der Wirtschaftsleistung. In Frankreich sieht es nicht ganz so schlimm aus, aber auch hier liegt man über 14 Prozent unter der Wirtschaftsleistung aus der Vorkrisenzeit, ohne nennenswerte Wachstumszahlen vorweisen zu können.

Jetzt will Schäuble sein Gesicht wahren und die anderen Staaten in die Pflicht nehmen. Er beklagt nunmehr, dass Verträge in der EU nicht eingehalten würden und dass die Bail-In-Regelung im Rahmen des Bankenabwicklungsmechanismus in Italien jüngst nicht angewandt wurde. Sie besagt, dass bevor staatliche Hilfe für Banken gewährt werden, erst Eigentümer und Gläubiger der Bank herangezogen werden. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch wie man in den Wald hineinruft, so kommt es zurück. Es war Deutschland, das die Nichtbeistandsklausel außer Kraft gesetzt hat, es war Deutschland, das die einheitliche Bankenaufsicht vorangetrieben hat. Und man muss auch nicht nur bei der Bewältigung der Euro-Schuldenkrise bleiben: es war Angela Merkel, die das Dubliner Abkommen im September 2015 ausgesetzt hat. Zu einem Europa des Rechts und der Vertragstreue kommt man am besten dadurch, dass man vor der eigenen Haustüre kehrt.

Erstmals veröffentlicht bei Tichys Einblick.

1 Antwort
  1. Incamas SRL
    Incamas SRL sagte:

    Während die Europäische Zentralbank noch dabei ist zu entscheiden, ob
    und wann sie aufhören will, 500-Euro-Scheine zu drucken, hat die Bank
    von Griechenland, Teil des Eurosystems der EZB, bereits einen neuen
    Pflock im Krieg gegen das Bargeld eingeschlagen. Jedem, der einen
    500-Euro-Schein zur Bank bringt, droht eine Geldwäscheuntersuchung.

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