Photo: thierry ehrmann from Flickr (CC BY 2.0)

In Tagen vor wichtigen Abstimmungen im Bundestag geht es oft hektisch und nervös zu. Dabei wird immer eine neue Sau durchs Dorf getrieben, zu deren Erlegung mehrere Seiten viel Mühe, Zeit und Arbeit aufwenden. Aktuell ist es wieder so. Viele Abgeordnete der Unions-Fraktion machten ihr gestriges Abstimmungsverhalten von der weiteren Zusicherung des Internationalen Währungsfonds (IWF) abhängig, dass dieser Teil der Troika und damit der Geldgeber bleibt. Bekanntlich drängt IWF-Chefin Christine Lagarde die Euro-Staaten zu einem weiteren Schuldenschnitt für Griechenland und macht die Teilnahme am 3. Hilfspaket davon abhängig. Und insbesondere die deutsche Regierung und die EZB lehnen diesen Schuldenschnitt ab.

Schuldenschnitt durch Mini-Zinsen

Angela Merkel hat beim großen Showdown in Brüssel Mitte Juli eine Schuldenerleichterung lediglich in Aussicht gestellt. Sie meinte damit jedoch keinen formalen Schuldenschnitt, sondern eine weitere Zinserleichterung und eine Streckung der Laufzeit der griechischen Kredite. Und so wird es dann auch kommen.

Das Risiko für den Internationalen Währungsfonds war eh sehr gering. Er hatte sich schon bei den vorangegangenen Krediten einen bevorrechtigten Gläubigerstatus gegenüber den andern Gläubigern ausbedungen. Rechtlich notwendig ist die Beteiligung des IWF längst nicht mehr. Anders als beim vorübergehenden Schuldenschirm EFSF ist beim dauerhaften Schuldenschirm ESM nur noch die Rede davon, dass „eine aktive Beteiligung des IWF, sowohl auf fachlicher als auch auf finanzieller Ebene“ angestrebt wird. Diese weiche Formulierung im ESM-Vertrag folgt einem alten Wunsch von Finanzminister Wolfgang Schäuble. Denn der ESM ist im Ergebnis das, was Schäuble im Frühjahr 2010 mit seiner Idee eines Europäischen Währungsfonds bereits vorschlug. Schon damals wollte er „in Zukunft für die Euroländer den Gang zum Internationalen Währungsfonds (IWF) überflüssig machen“. Konkret: Schäuble wollte immer den IWF draußen halten.

Das wissen viele der neuen und jungen Unionsabgeordneten nicht, die jetzt zögerten, ob sie dem 3. Hilfspaket zustimmen sollen. Sie tragen wie ein Mantra vor sich her, dass die besondere Expertise des IWF so wichtig für den Erfolg des Griechenlandprogramms sei. Doch ob der IWF mitmacht oder nicht, ist genauso wichtig wie eine platzende Bratwurst in China.

Bescheidene Expertise

Denn die Expertise nicht nur der EZB und der EU-Kommission war bislang äußerst überschaubar, sondern auch die des IWF. Deren Zahlen stimmten bislang nie. Nach fünf Jahren Rettungspolitik und zwei Schuldenschnitten hat Griechenland absolut und relativ mehr Schulden als vor der Krise, obwohl der IWF etwas anderes prognostiziert hatte. Die Empfehlungen des Währungsfonds sind auch selten konsistent. Zu Beginn der Amtszeit von Francois Hollande kritisierte der IWF Frankreich noch dafür, dass es den Haushaltsausgleich vornehmlich durch Steuererhöhungen finanzieren wolle. Gerade Steuererhöhungen schlägt der IWF jetzt für Griechenland vor. Die Griechenland-Krise hat dem IWF in das Zentrum der Macht gerückt und ein neues langfristiges Handlungsfeld eröffnet. Das war nicht immer so.

Die Geschichte des Internationale Währungsfonds ist eng mit der Nachkriegsgeldordnung verbunden. In dieser Geldordnung sicherten die USA allen teilnehmenden Staaten zu, Dollar-Reserven anderer Notenbanken verbindlich in Gold einzulösen. Mit dem IWF wollten die Staaten die Wechselkurse der Währungen untereinander ausgleichen. Das IWF-Budget sollte helfen, Währungen die aus der Bandbreite ausscherten, zu stabilisieren. Spätestens seit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems am 15. August 1971, als der damalige US-Präsident Richard Nixon in einer Fernsehansprache die Einlösepflicht Amerikas gegenüber anderen Notenbanken aufkündigte, war die eigentliche Aufgabe des IWF zu Ende. Doch Institutionen suchen sich neue Aufgaben – so auch der IWF. Plötzlich ging es darum Entwicklungsländern der Dritten Welt mit Krediten „zu helfen“. Wohlverhalten sollte mit Geld belohnt und die Zahlungsunfähigkeit verhindert werden. Eigentlich das gleiche Rezept aus „Zuckerbrot und Peitsche“, das nunmehr seit 5 Jahren auch in Griechenland versucht wird.

Der IWF gewinnt an Griechenland

Doch erst mit der Euro-Krise kommt der IWF wieder zu alter Stärke und Macht zurück. Inzwischen ist das Griechenland-Programm das größte jemals aufgelegt Programm des IWF. Um dies möglich zu machen, biegt der Fonds seine eigenen Statuten bis zur Unkenntlichkeit. Ebenso macht es der Euro-Club. Es sind kollektive Rechtsbrüche, um die Insolvenz Griechenlands durch deren Verschleppung zu verhindern. Doch es ist kein gutes Zeichen, wenn Staaten, internationale Organisationen oder Notenbanken das Recht brechen. Es ist moralisch verwerflich und verachtenswert. Es zersetzt das Rechtsempfinden der Bürger. Denn diese werden sich fragen: mit welchem Recht fordert der Staat die Einhaltung des Rechts bei mir selbst ein? Warum soll man sich noch an Regeln im Straßenverkehr halten oder Steuern bezahlen? In einem Willkürstaat gerät eine Gesellschaft insgesamt auf die schiefe Bahn.

Die Alternative dazu ist das Ideal des „Rule of Law“: Die Abwesenheit von willkürlicher Regierungsmacht sowie abstrakte und allgemeine Regeln, die für alle gleich sind. Der englische Verfassungsgelehrte Albert Venn Dicey sah die „Souveränität des Rechts“ als Hauptmerkmal dieses Ideals. Er zitierte zu Beginn des letzten Jahrhunderts das alte Recht der englischen Gerichte: „Das Recht ist das höchste Gut, das der König erbt, denn er und seine Untertanen werden von ihm regiert, und ohne das Recht gäbe es weder König noch Königreich.“

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

4 Kommentare
  1. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    Bei wikipedia finde ich zum IWF folgendes:

    Eine seiner Hauptaufgaben ist die Vergabe von Krediten an Länder ohne ausreichende Währungsreserven, die in Zahlungsbilanzschwierigkeiten geraten sind.

    Unter der dort auch zu findenden Überschrift „Bewertung“ wird der IWF zudem kritisiert.

    Beispielsweise betreibe er eine blinde Verfolgung des „Washington Consensus“. Es bestehen also durchaus berechtigte Zweifel, dass der IWF hinreichend durchdachte Ziele verfolgt.

    Zwar bin ich eigentlich kein Kirchgänger, aber ich erinnere mich noch sehr gut an den Satz „wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“. Dabei geht es nicht so sehr um die Steinigung als solche, sondern um die Denkweise.

    Ich frage mich jedenfalls, woher sich beispielsweise unsere Justiz das Recht nimmt Urteile zu fällen, wenn sie sich – genauso wie unsere Regierung auch – ohnehin an praktisch gar nichts hält.

    Ein Beispiel für einen kollektiven Rechtsbruch ist:
    Ein Richter fällt ein rechtskräftiges Urteil, das offensichtlich widersinnig ist, weil es eine gedanklich verdrehte Urteilsbegründung enthält. Der Anwalt kassiert trotzdem mit dem Hinweis, dass das Urteil rechtskräftig ist und es doch schließlich auch die Anwaltsgebührenordung gibt. Er könne da schließlich nichts dafür, wenn er jetzt sein Honorar kassieren müsse.

    Dem Anwaltsberuf steht jetzt sehr viel auf fragwürdige Weise verdientes Geld zur Verfügung und er spendet einen kleinen Teil davon an die CDU, die wiederum sehr viele Plakate mit dem Gesicht der Bundeskanzlerin aufhängt und auch Kugelschreiber oder Bleistifte verteilt. Auf diese Weise sorgt der von Fernsehdummen gewählte Berufsstand der Rechtsanwälte im Bundestag dafür, dass sich an dieser Praxis nichts ändert. Dadurch haben wir zurzeit einen Stillstand.

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  2. Roland Vaubel
    Roland Vaubel sagte:

    Der Internationale Währungsfonds ist genauso rechtsbrüchig geworden wie der deutsche Bundestag. Der IWF darf seine Kredite nicht zum Zweck der Haushaltsfinanzierung vergeben. Nach Artikel V Absatz 3 b ii der Articles of Agreement on the IMF darf er nur Kredite vergeben „on the condition (that the member state) has a need to make the purchase because of its balance of payments or its reserve position or development of its reserves“. Da die nationalen Zentralbanken des Eurosystems nicht im Devisenmarkt intervenieren dürfen, haben sie keine Währungsreserven verloren. Und der Grund für die IWF-Kredite zum Beispiel an Griechenland war auch nicht die griechische Zahlungsbilanz, sondern der griechische Staatshaushalt. Wie die Deutsche Bundesbank dazu in ihrem Monatsbericht vom März 2010 (S. 63) unmissverständlich klar gestellt hat, „ist ein finanzieller Beitrag des IWF bei der Lösung von strukturellen Problemen, die keinen Fremdwährungsbedarf implizieren – etwa der direkten Finanzierung von Budgetdefiziten oder der Finanzierung einer Bankenkapitalisierung – mit seinem monetären Mandat nicht zu vereinbaren.“. Strauss-Kahn, Lagarde und Blanchard haben sich – unter dem Eindruck der Wünsche aus Paris – einfach über die IWF-Statuten hinweggesetzt, und es gibt kein Gericht, bei dem man sie verklagen könnte.

    Antworten
  3. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    Bei wikipedia finde ich zum IWF folgendes:
    Eine seiner Hauptaufgaben ist die Vergabe von Krediten an Länder ohne ausreichende Währungsreserven, die in Zahlungsbilanzschwierigkeiten geraten sind.

    Unter der dort auch zu findenden Überschrift „Bewertung“ wird der IWF zudem kritisiert.
    Beispielsweise betreibe er eine blinde Verfolgung des „Washington Consensus“. Es bestehen also durchaus berechtigte Zweifel, dass der IWF hinreichend durchdachte Ziele verfolgt.
    In der EU gibt es jedenfalls ein Demokratiedefizit.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Demokratiedefizit_der_Europ%C3%A4ischen_Union

    Die EU-Bürger können die Arbeit der EU-Institutionen nicht hinreichend kontrollieren.
    Die Troika und die Finanzminister sind sich einig, dass Griechenland die eigenen Schulden nicht dauerhaft schultern kann. Aber wie eine Einigung aussehen könnte und welcher Gläubiger wieviel schultern soll, steht noch nicht fest.

    Im Juni war vielenorts zu lesen, dass Schäuble eine Insolvenzordnung für Staaten in der Eurozone erarbeiten lassen will.
    Wenige Wochen später las ich auf der Webseite „epoch times“, dass die USA Schäuble und Gabriel wegen der Grexit-Idee den Rücktritt nahelegen.

    Schuldenuhr Griechenland
    http://www.haushaltssteuerung.de/schuldenuhr-griechenland.html

    Hier die griechischen Staatsschulden in Relation zum BIP
    http://de.statista.com/statistik/daten/studie/167463/umfrage/staatsverschuldung-von-griechenland-in-relation-zum-bruttoinlandsprodukt-bip/

    Aber wird die Krise bereits dadurch gelöst, wenn Griechenland mehr exportiert?
    Griechenland: Export von Gütern
    http://de.statista.com/statistik/daten/studie/15699/umfrage/export-von-guetern-aus-griechenland/

    Hier die Vorschläge von Ex-Finanzminister Varoufakis bezüglich einer möglichen Lösung der Euro-Krise:
    https://varoufakis.files.wordpress.com/2013/07/a-modest-proposal-for-resolving-the-eurozone-crisis-version-4-0-final1.pdf

    Aber auch unser Wohlstand ist trügerisch.
    Die Wirtschaftswoche glaubt, dass Deutschland bei der Gerechtigkeit gut abschneidet.
    http://www.wiwo.de/politik/ausland/gerechtigkeit-deutschland-schneidet-gut-ab/8210632.html

    Der Spiegel glaubt hingegen, dass die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland am größten ist.
    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/vermoegen-in-deutschland-ungleicher-verteilt-als-im-rest-der-eurozone-a-955701.html

    Tatsächlich fehlen über den Wohlstand hinreichende Zahlen. Darüber hinaus könnte sich der Wohlstand plötzlich völlig anders gestalten, wenn der Crash erstmal da ist.

    Es gibt jedenfalls bei uns ein erhebliches Wohlstandsrisiko, weil ca. 1/4 der Kommunen überschuldet sind. Und die klammen Kommunen sind noch klammer geworden.

    Schuldensituation in Deutschland:
    Am höchsten ist der Bund verschuldet. Auf ihn entfallen 63 Prozent der Staatsschulden. Danach folgen die Länder mit 31 Prozent. Die Schulden der Gemeinden schlagen mit 6 Prozent zu Buche.

    Die Bundesbank schätzt, dass Deutschland nur rund 25 Prozent seiner Schulden bei inländischen Kreditinstituten hat und etwa 60 Prozent der Schulden im Ausland liegen. Die übrigen Gläubiger sind Privatleute, Sozialversicherungen, Bausparkassen und Versicherungen.
    Quelle: Bund der Steuerzahler e.V.

    Es erscheint wenig glaubhaft, dass Deutschland seine Schulden jemals zurückzahlen kann.
    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/kommunale-kassen-notlage-armer-staedte-verschaerft-sich-a-1048113.html

    Aber auch bei den deutschen Privatinsolvenzen gab es in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg:
    http://de.statista.com/statistik/daten/studie/150565/umfrage/privatinsolvenzen-in-deutschland-seit-2000/

    Woher kommt das ganze Geld für das Auffangnetz?
    http://www.welt.de/wirtschaft/article7563528/Woher-kommt-das-ganze-Geld-fuer-das-Auffangnetz.html

    Mitunter wird im Internet die Frage gestellt, woher die Zentralbank das Geld für das Öffnen der Geldschleusen hernimmt.
    Man kann es aber erahnen. Der Kleinsparer zahlt.

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