Photo: Armin Kübelbeck from Wikimedia Commons (CC-BY-SA-3.0)

Der Sparer wird derzeit an mehreren Fronten angegriffen: Zum einen trägt Draghis Zinsvernichtung zur Enteignung der Mittelschicht in diesem Land bei. Denn diese spart im Wesentlichen in Schuldpapieren, die eigentlich Zinsen abwerfen sollten. Drückt die Notenbank durch ihre Aufkäufe die Rendite und den Zins dieser Anleihen, dann können diejenigen, die in diese Zinspapiere investieren, natürlich auch keine Erträge erwarten. Das betrifft nicht die ganz Armen, aber auch nicht die ganz Reichen in diesem Land. Es betrifft in erster Linie die Normalsparer, also die Mitte der Gesellschaft. Wer konservativ spart, in Lebensversicherungen, Festgeldern und Bausparverträgen sein Geld anlegt, der verliert.

Gleichzeitig steigen die Preise der Vermögensgüter stark an, denn dort fließt das billige Geld der Notenbanken hin. Die konsumfernen Wirtschaftszweige profitieren zuerst davon. Deren Vermögenswerte steigen durch die erhöhte Nachfrage. Sie führen so lange zu Investitionen bis Überkapazitäten geschaffen werden, die, sobald sie als solche erkannt werden, sich wieder korrigieren. Das ist dann ein Börsencrash. Er ist das äußere Zeichen dieser Übertreibung und gleichzeitig der Beginn einer Normalisierung der Verhältnisse.

So ist es auch jetzt wieder. Auch jetzt werden wieder Überkapazitäten aufgebaut. Jedoch erkennen die Investoren sie noch nicht als solche. Der Deutsche Aktienindex steigt deshalb weiter. Seit seinem Tiefpunkt 2009, als die EZB den Leitzins in mehreren Schritten auf unter 1 Prozent senkte, ist er um mehr als das Dreifache gestiegen. Das weckt jetzt Begehrlichkeiten des Finanzministers. Schäuble nutzt die Gunst der Stunde. Denn es wird vielfach als ungerecht empfunden, dass der Normalsparer mit seinen konservativen Sparformen real Geld verliert und der „gutverdienende“ Aktiensparer sich in der Aktienhausse eine goldene Nase verdient, während der Finanzminister lediglich mit 25 Prozent Kapitalertragssteuer daran partizipiert. Historisch wurde die geringe Besteuerung mit der Flüchtigkeit des Geldes begründet. Doch mit dem gerade beschlossenen Informationsaustausch der Steuerdaten aller OECD-Staaten sieht Schäuble jetzt wohl die Gelegenheit, diese „Gerechtigkeitslücke“ zu schließen. „Big brother ist wachting you“ gilt faktisch weltweit. Also kann nun auch die niedrigere Kapitalertragsbesteuerung dem Einkommensteuertarif mit seiner Besteuerung von 45 Prozent in der Spitze angepasst werden. Das ist wäre doch sozial gerecht! Oder?

Nein, gerecht ist dieses Steuersystem überhaupt nicht. Gerecht wäre es, wenn es Einkünfte jeglicher Art zu jedem Zeitpunkt gleich besteuern würde. Es wäre auch gerecht, wenn die Regierung nicht die Bürger in bestimmte Anlageformen lenken oder zwingen würde. Letzteres schlägt gerade Arbeitsministerin Nahles vor. Sie will nicht nur den Paternoster-Führerschein einführen, um das unfallfreie Benutzen eines Fahrstuhles zu üben, sondern auch eine verpflichtende Altersvorsorge für Selbständige verordnen. Das wäre fatal. Es würde die Zahl der Existenzgründer in Deutschland weiter reduzieren. Wer schon von Beginn seiner Selbständigkeit 300, 400 oder 500 Euro pro Monat in einer Lebensversicherung sparen muss, fängt erst gar nicht an, seine unternehmerische Idee hier umzusetzen, sondern wandert gleich aus.

Ein gerechtes Steuersystem, das Sparen nicht diskriminiert, sähe anders aus: Es würde Einkünfte jeglicher Art nur dann besteuern, wenn sie für den Konsum verwandt werden. Denn in unserem aktuellen Steuersystem führt die jährliche Zins- oder Dividendenbesteuerung von 25 Prozent bei langen Sparprozessen zu einer Kumulation der Besteuerung. Ein Beispiel: Wer heute ein zu versteuerndes Einkommen von 40.000 Euro im Jahr hat und einmalig 1000 Euro zur Seite legt, hat diesen Betrag bereits mit seiner Lohnsteuer versteuert. Angenommen, dieser Sparer hat ein durchschnittlichen Einkommensteuersatz von insgesamt 25 Prozent. Hätte er es nicht versteuern müssen, weil er nicht heute, sondern erst zu Beginn seines Ruhestandes in 40 Jahren konsumieren will, hätte er 1333 Euro anlegen können. Wir unterstellen, er legt diese 1333 Euro in Zinspapiere an und erzielt eine optimistische Verzinsung von 3 Prozent pro Jahr.

In einer Welt ohne Steuern könnt er zu Beginn seines Lebensabends 4349 Euro erwarten. Investiert er aus versteuertem Einkommen 1000 Euro (1333 – 25 Prozent) und seine jährlichen Zinserträge von 3 Prozent werden mit der Kapitalertragsteuer von 25 Prozent pro Jahr (3 – 25 Prozent = 2,25 Prozent) besteuert, dann hat er in 40 Jahren lediglich 2435 Euro angespart. Die Differenz von 1914 Euro sind seine gezahlten Steuern. Das entspricht, obwohl es eine Kapitalertragsteuer von 25 Prozent gibt, einer steuerlichen Belastung von 44 Prozent. Hätte er heute konsumiert und nicht in 40 Jahren, wäre er steuerlich besser gefahren.

Die Antwort auf diese Diskriminierung muss sein, Sparvorgänge nachgelagert und nicht fortlaufend zu besteuern. Das gibt es zwar in Ansätzen bei der betrieblichen Altersvorsorge und beim Riester- und Rürup-Sparen schon, nur dort drängt die Regierung die Sparer in die Kapitalvernichtung, da diese Anlageformen überwiegend in Anleihen investieren müssen, deren Verzinsung durch die EZB vernichtet wird.

Der Liberale John Stuart Mill hat bereits im 19. Jahrhundert kritisiert: „Denn was gespart und fest angelegt wird, zahlt künftig Einkommensteuer von den Zinsen oder Gewinnen, die es bringt, trotzdem dass es bereits als Kapital besteuert worden ist. Wenn daher Ersparnisse von der Einkommensteuer nicht ausgenommen werden, werden die Steuerzahler von dem, was sie sparen doppelt, und dagegen nur einmal von dem was sie ausgeben, besteuert. Der so zum Nachteile der Vorsorglichkeit und der Wirtschaftlichkeit geschaffene Unterschied ist nicht nur unpolitisch, sondern auch ungerecht.“

Kein Land und keine Gesellschaft sind jemals dauerhaft zu Wohlstand gekommen, indem sie möglichst hohen Steuern, möglichst billigem Geld und möglichst vielem Konsum frönten. Nein, das Gegenteil ist richtig. Fangen wir endlich damit an. Echte Steuergerechtigkeit ist die Voraussetzung für eine Sparkultur in Deutschland. Sparen ist die Grundlage für Investitionen, Arbeitsplätze und Wohlstand einer Gesellschaft. Und gutes Geld ist die Basis dafür.

7 Kommentare
  1. Gunter Grigo
    Gunter Grigo sagte:

    Bzgl. der Altersversorgung sind Freiberufler fein raus. Sie beteiligen sich nicht an Renten, welche den Ex-DDR-Bürgern/Russlanddeutschen etc. gezahlt werden.

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    • Hans Peter Kunz
      Hans Peter Kunz sagte:

      Aber Selbständige zahlen Steuern. Und die Rentenzahlungen erfolgen zu rund einem Drittel aus Steuermitteln. Dagegen erhalten Selbständige nichts aus der Rentenversicherung. Wenn nur die Arbeitnehmer die Beiträge zur Rentenversicherung stemmen müssten, dann läge der Beitragssatz nicht bei rund 19% wie zur Zeit sondern bei rund 30%.

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      • Gunter Grigo
        Gunter Grigo sagte:

        „..die Rentenzahlungen erfolgen zu rund einem Drittel aus Steuermitteln.“
        Das halte ich für ein Gerücht, wo haben Sie denn das her?
        Sie könnten vielleicht noch einwerfen, dass der Arbeitgeber die Hälfte der Rentenversicherungsbeiträge trägt – der ist aber fester Bestandteil der Entlohnung, also wäre das auch kein Argument, denn er persönlich hat sich ja privat abgesichert und ist – wie gesagt – fein raus.

        Antworten
        • Hans Peter Kunz
          Hans Peter Kunz sagte:

          Schauen Sie mal auf http://www.bundeshaushalt-info.de. Klicken Sie auf Ausgaben > Bundesministerium für Arbeit und Soziales > Rentenversicherung. Dort werden >80 Milliarden € Zuschüsse an die Rentenversicherung gezahlt, bei einem Gesamthaushalt von 300 Milliarden €!
          Der Selbständige zahlt also nur und bekommt nichts. Unter „Fein raus“ stelle ich mir persönlich etwas ganz anderes vor.

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          • Gunter Grigo
            Gunter Grigo sagte:

            Danke Herr Kunz, hätte ich nicht vermutet, da man sich ja über die Steuerfinanzierung der Renten streitet, vielen Dank, wieder etwas gelernt. Ist aber auch gerechter so.
            Offen bleibt, ob diese steuerliche „Gegenfinanzierung“ ausreicht um die zusätzlichen Rentenaufwendungen derer die nichts, oder fast nichts eingezahlt haben zu kompensieren. Angesichts Ihrer Hinweise muss ich meinen Einwand ersteinmal revidieren.

  2. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    Das gesamte Wirtschaftssystem funktioniert nicht.
    Im Sozialen Netzwerk bin ich auf folgenden Artikel aufmerksam geworden:
    Immer mehr Mini-Jobs im Kreis (Herford)

    Die NW schreibt
    Löhne: Altersarmut durch Mini-Jobs

    450 EUR reichen nicht zum Leben

    Mini-Jobs sind für „Arbeitgeber“ günstiger.
    Aber wer zahlt dann eigentlich noch die Sozialbeiträge?

    Das allergrößte Problem ist es, dass unsere Politiker von wirtschaftlichen Zusammenhängen nahezu gar keine Ahnung haben.

    Auf alle möglichen Fehltrends reagiert die Regierung absolut gar nicht.

    Die Vermögensungleichverteilung ist in der Tat die tiefere Ursache des Problems.

    Thomas Piketty sagt: Rendite schlägt Wachstum

    Wenn die Geldmenge immer mehr ausgeweitet wird und das Geldvermögen immer einseitiger verteilt ist, kann man irgendwann mit normaler Arbeit seinen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten.

    Hier stellt sich die Frage, ob sich Mindestlöhne eignen, um das Problem mit der Ungleichverteilung zu lösen.
    Hier befürchte ich, dass dies eher nicht der Fall ist.
    Wenn immer mehr Flüchtlinge ins Land kommen, wird ein Mindestlohn nicht so richtig weiterhelfen.

    Wir haben zurzeit ohnehin nur ständigen Wohlstand auf Pump und irgendwann knallt es dann.

    Die Wirtschaftspolitik von Vizekanzler Gabriel gibt jedenfalls Anlass zu allergrößter Sorge.

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