Photo: Susanne Nilsson from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Dr. Gérard Bökenkamp, Leiter von Open Europe Berlin

Großbritannien strebt eine Neuverhandlung des Verhältnisses des Vereinigten Königreichs zur Europäischen Union an. Open Europe Berlin sieht darin eine Chance für eine Reform der Europäischen Union als Ganzes, die allen Mitgliedstaaten zu Gute kommt. Stünde am Ende nur eine Art „Britenrabatt“ oder Sonderrechte für Großbritannien, um die Britischen Wähler vor dem Referendum zu besänftigen, wäre eine historische Chance vertan worden.

Deshalb hat unser Partner in Großbritannien Open Europe London eine Blaupause für eine Reform der EU vorgelegt, die mit der klaren Forderung an die Regierung Cameron verbunden ist, die europäische Integration insgesamt auf eine solidere Grundlage zu stellen. Die Reformagenda von Open Europe London identifiziert drei große Reformfelder.

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Erstens: Die EU als flexible Gemeinschaft mit verschiedenen Währungen

Die Europäische Union soll dem Prinzip der Flexibilität folgen und die Rechte der Nicht-Eurostaaten achten. Flexibilität heißt in diesem Zusammenhang den Fakt zu akzeptieren, dass die EU die ganze Vielfalt Europas repräsentieren muss. Europa ist ein vielgestaltiger Kontinent, und darin liegt seine Stärke. Dazu gehört auch, dass sich innerhalb der Union Länder mit unterschiedlichen politischen Systemen und Traditionen wiederfinden müssen, die mit dem Integrationsprozess unterschiedliche Ziele verbinden.

Dazu gehört es auch zu akzeptieren, dass Mitglieder der EU der Eurozone nicht angehören wollen oder wegen mangelnder Leistungsfähigkeit auch nicht können. Die EU bleibt ein politischer Raum mit verschiedenen Währungen, in dem der Euro zwar die größte, aber nicht die einzige Währung ist. Das hat auch den Vorteil, dass bei einem möglichen Ausscheiden eines Euromitgliedstaates aus der Währungsunion dieses nicht gezwungen wäre, die EU zu verlassen.

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Zweitens: Binnenmarkt, Freihandel und Abbau von Subventionen

Der zweite große Bereich der Reform besteht in der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der EU und damit der langfristigen Sicherung des Wohlstandes der EU-Bürger. Der europäische Binnenmarkt soll weiter entwickelt werden.

Dazu gehört die Verbesserung der Freizügigkeit für Dienstleistungen in der EU, der Abbau von Barrieren in den Bereichen Energie und Digitales, und die Rückführung überflüssiger Regulierungen.Nach außen soll der Abbau von Handelsbarrieren vorangetrieben und weitere Freihandelsabkommen abgeschlossen werden.

Ebenso sollen die Ausgaben der EU und ihre Subventionspolitik einer Prüfung unterworfen werden. Subventionen sind oft teuer, ineffektiv und schaden oft mehr als dass sie nutzen. Das Gießkannenprinzip sollte deshalb abgeschafft und Hilfen auf die ärmsten Staaten in der EU begrenzt werden.

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Drittens: Die Stärkung der nationalen Parlamente

Open Europe hat verschiedene Bereiche identifiziert, in denen die Kompetenz der nationalen Parlamente gestärkt werden kann. In der Vergangenheit haben die Regierungen den Umweg über die EU oft genutzt, um die demokratische Auseinandersetzung zu umgehen und das Parlament vor vollendete Tatsachen zu stellen. Dieser Weg soll in Zukunft erschwert werden, in dem die Vetoposition der nationalen Parlamente gestärkt wird. Das wird schon im Vorfeld dazu führen, dass die nationalen Parlamente von ihren Regierungen besser einbezogen werden als das bisher der Fall ist.

Ein weiterer Punkt, in dem die Kompetenz der nationalen Parlamente gestärkt werden kann, ist die Regelungsbefugnis über den Zugang zum Sozialstaat. Die Freizügigkeit von EU-Bürgern würde nicht angetastet, aber der Zugang zu sozialen Leistungen würde durch nationale Gesetzgebung geregelt. In Fragen von Justiz und innerer Sicherheit sollte es den Staaten selber überlassen bleiben, wie weit ihre Kooperation in diesen Bereichen reicht.

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Ambitioniert, aber realisierbar

Die Reformagenda, die Open Europe London vorgeschlagen hat, hat den großen Vorzug, dass sie einerseits so weit geht, dass sie zu deutlichen Verbesserungen führt. Gleichzeitig ist sie immer noch so moderat, dass sie nicht auf unüberwindliche Hürden trifft. Anzuerkennen, dass die EU aus Staaten mit unterschiedlichen Zielen, Geschwindigkeiten und Währungen besteht, bedeutet schlicht und einfach politisch zu akzeptieren, was ohnehin Realität in Europa ist.

Es wird oft darauf hingewiesen, dass Vertragsänderungen in der EU der Zustimmung aller nationalen Parlamente bedürfen. Die vorgeschlagene Stärkung der Rolle der Parlamente bei der Annahme der EU-Gesetzgebung und in Fragen des Zugangs zum Sozialstaat dürfte schwerlich einen großen Widerstand in eben diesen Parlamenten rechtfertigen.

Mit den Vorschlägen für den Ausbau des Binnenmarktes, für die Deregulierung und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit liegt außerdem eine positive Agenda für Europa vor. Diese zeigt, dass die Zentralisierung nicht der einzige und keinesfalls der beste Weg ist, um die europäische Integration zu befördern.

Erstmals erschienen auf Open Europe Blog am 11. Juni 2015.

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