Das Hambacher Fest gilt als Wiege der deutschen Demokratie. Am 27. Mai 1832 versammelten sich unweit des kleinen Städtchens Neustadt an der Weinstraße 20.000 bis 30.000 Bürger aus der Pfalz und den deutschen Ländern, um für Einigkeit, Recht und Freiheit einzutreten. Es war wohl der erste Flashmob in der deutschen Geschichte. Die Veranstalter rechneten mit 1.000 Teilnehmern, tatsächlich kam ein Vielfaches davon.

In der Geschichte Deutschlands sind solche Freiheitsmomente selten. Die Paulskirchenversammlung 1848/49 und die Deutsche Einheit 1989/90 gehören sicherlich dazu, aber darüber hinaus muss man lange suchen.

Wie gelang es in einer Zeit ohne Facebook und Internet, mit zahlreichen Grenzkontrollen und staatlicher Repressalien, wie Pressezensur und in Teilen sogar noch Leibeigenschaft, dennoch so viele Bürger zu bewegen, teils tagelange Anfahrtswege in Kauf zu nehmen, um mit Gleichgesinnten für die eigenen Ideale zu streiten? Was bewegte Menschen wie Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth dazu, die Lasten und Gefahren auf sich zu nehmen, sich mit den Mächtigen anzulegen und ihre eigene Existenz aufs Spiel zu setzen? Die offizielle Geschichtsschreibung nennt den Wunsch nach nationaler Einheit, bürgerlichen Freiheiten, staatsbürgerlicher Mitwirkung und die Verständigung der europäischen Völker als Hauptmotiv. Doch reichen diese abstrakten Ziele wirklich aus, um den Mythos Hambach zu erklären?

Wohl nicht! Für dieses historische Ereignis bedurfte es mehr. Es benötigte einen Moment in der Geschichte, der ein Zusammenkommen von Personen, die ihre Ideale konsequent vertreten, mit einem gesellschaftlichen Klima wie im Vormärz des 19. Jahrhunderts verbindet. In der Pfalz war dieses Klima des Aufbruchs und der Veränderung besonders vorhanden. Zum einen lernte die Pfalz mit der französischen Besatzung bis 1814 auch die bürgerlichen Rechte und Freiheiten eines „Code Civil“ kennen und zum anderen war die als Fremdherrschaft empfundene Zugehörigkeit der Pfalz zum Königreich Bayern mit weitgehenden Diskriminierungen verbunden. Eine hohe Steuerbelastung und verschärfte Zollbestimmungen für die Pfalz führten zu Armut und Frust in der Bevölkerung. Allein der so genannte „Holzfrevel“, also der Holzdiebstahl aus den Wäldern der Pfalz, brachte ein Fünftel der Bevölkerung vor Gericht.

Dennoch reichte die Not der Bevölkerung alleine nicht aus, damit diese Großdemonstration sich tatsächlich Bahn brechen konnte. Es bedurfte auch Personen, die ihre Ideale konsequent vertreten und umsetzen. Es gelang Wirth, Siebenpfeiffer und weiteren Mitstreitern schon Jahre vorher publizistisch über die Pfalz hinaus, ein Netzwerk von Gleichgesinnten aufzubauen. Mit der Gründung des „Preßvereins“ schufen sie einen organisatorischen Rahmen für eine Freiheitsbewegung, die in ihrer Spitze 5000 Mitglieder umfasste.

Für ungeduldige Freiheitsfreunde ist der Vormärz sehr lehrreich. Nicht alles geht von heute auf morgen. Vieles braucht seine Zeit und seinen Moment. Zwischen Hambacher Fest 1832 und der Paulskirchenversammlung mit der Verabschiedung der ersten deutschen Verfassung lagen immerhin 17 Jahre. Und vielleicht hätte es dieses Ereignis so nie gegeben, hätten Freiheitsfreunde wie Siebenpfeiffer und Wirth nicht die Courage besessen, mit Klugheit und Mut gegen die Macht der Herrschenden vorzugehen.

Siebenpfeiffer und Wirth schufen einen Freiheitsmoment in der deutschen Geschichte, der nicht durch seine Rationalität über Jahrhunderte zum Mythos wurde, sondern durch seine Emotionalität. Es war ein Fest der Freiheit, bei der zwar 25 politische Reden gehalten wurden, die von Wirth später auch publiziert und verbreitet wurden, aber im gesellschaftlichen Gedächtnis blieben die Bilder feiernder Menschen und das friedliche Zusammenkommen aus Nah und Fern auf dem Hambacher Schloss. Siebenpfeiffer hat den emotionalen Moment der Freiheit in einem Lied zum Hambacher Fest zusammengefasst. In der Schlussstrophe heißt es: „Frisch auf, Patrioten, den Berg hinauf! Wir pflanzen die Freiheit, das Vaterland auf!“

Photo: Wikimedia Commons

2 Kommentare
  1. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    Freiheit gibt es nur, wenn man sich gegen das bestehende System aufbäumt.

    Im Moment haben wir jedenfalls einen Staat, der für Bürger mit jedem Verwaltungsakt genau einmal da ist. Und wenn die Bearbeitung grob fehlerhaft war? Dann gibt es immerhin regelmäßig in welcher Form auch immer ein nicht immer besonders preiswertes Rechtsmittel.

    Und warum ist das Rechtsmittel nicht immer preiswert? Weil es in unserem Staat ein paar Hirnis gibt, die ihre Mitmenschen im Parlament gerne ebenfalls in ihrem Eigeninteresse mitvertreten. Diese Hirnis nennt man mitunter auch Lobbyisten.

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