Photo: Bundesarchiv, B 145 Bild-F020160-0001 / Wegmann, Ludwig  (CC-BY-SA 3.0)

Von Gottfried Heller, Finanz- und Börsenexperte und Mitgründer der FIDUKA, Autor des Buches „Die Revolution der Geldanlage“, das soeben in dritter Auflage erschienen ist.

In den vergangenen Wochen äußerte sich Gottfried Heller bereits zu den schwachen Ergebnissen der Rentenkommission und beschrieb die Rentensystem der Niederlande, Schwedens, sowie der USA und der Schweiz.

Die Tabelle zeigt ganz klar, dass Deutschland am schlechtesten dasteht, sowohl in Bezug auf das Brutto-Geldvermögen als auch in Bezug auf den Anteil am Umlageverfahren. In anderen Worten: Unsere Rente hängt zu 75 Prozent vom Staat ab.

Anteil Umlageverfahren Brutto-Geldvermögen
Deutschland 75% 74.616 €
Niederlande 30% 146.155 €
Schweden 66% 137.796 €
Schweiz 57% 266.318 €
USA 54% 227.364 €

Quellen: OECD, Allianz Global Wealth Report 2019, DAI

Deutschland könnte viel besser dastehen, wenn es den Weg gegangen wäre, den Wirtschaftsminister Ludwig Erhard, der „Vater des Wirtschaftswunders“ vorgezeichnet hatte. Bereits 1957 auf dem CDU-Parteitag in Hamburg, sagte er: „Die CDU hat sich zum politischen Ziel gesetzt, mit jedem weiteren wirtschaftlichen Fortschritt zu einer immer breiteren Streuung des Eigentums an den Produktionsmitteln (sprich: Aktien) zu kommen.“ Als ersten Schritt kündigte Erhard damals an, „das Volkswagenwerk über das Mittel der Volksaktie in den Besitz weitester Volkskreise zu überführen“. Den Worten folgten Taten. Als erste Volksaktie kam 1959 die Preussag (heute TUI), im Jahr 1961 folgte VW und 1965 die VEBA (heute E.ON). Und was geschah danach? Nichts! Weitere Aktionen gab es nach dem Abgang Erhards aus dem Bundeskanzleramt im Jahr 1966 nicht mehr.

Schon vor 60 Jahren hatte Erhard vor dem Irrweg eines übermächtigen Sozialstaats gewarnt, der zu einer Entmündigung des Einzelnen und zu dessen zunehmender Abhängigkeit führe, an dessen Ende nicht der eigenständige Bürger, sondern der staatlich bevormundete soziale Untertan stehe.

Auf diesem Irrweg befindet sich Deutschland bis heute. Das zeigt der Bericht „Verlässlicher Generationenvertrag“, den die Rentenkommission nach zwei Jahren zustande gebracht hat. Darin heißt es: „Die demografische Entwicklung wird zu einer erheblichen finanziellen Mehrbelastung in der gesetzlichen Rentenversicherung führen … Ein dauerhaft verlässlicher Generationenvertrag verlangt also die ausgewogene finanzielle Beteiligung aller Beitragszahler, Steuerzahler und Rentner.“ Wieso wird hier eigentlich auch die Beteiligung der Steuerzahler erwähnt? Das Umlageverfahren sollte doch selbstfinanzierend funktionieren.

Das System hat ja drei Stellschrauben: Den Beitragssatz, die Rentenhöhe und das Renteneintrittsalter. Daneben werden Haltelinien bezüglich des prozentualen Rentenniveaus und des Beitragssatzes genannt. Aber wie können feste Haltelinien vorgegeben werden, wenn es absehbar in Zukunft immer weniger Rentenzahler und immer mehr Rentenempfänger gibt?

Des Rätsels Lösung ist, dass es den Zuschuss aus Bundesmitteln gibt. Dieser Begriff wird mehrfach im Bericht erwähnt. Das ist sozusagen die vierte Stellschraube! Diese Zuschüsse von Bundesmitteln zur Rentenversicherung betrugen:

2016   86,7 Mrd. Euro
2017   91,2 Mrd. Euro
2018   94,0 Mrd. Euro
2019   97,2 Mrd. Euro
2020 100,7 Mrd. Euro

Das ist eine Steigerung von 16,1%.

Es ist höchste Zeit, dass wir uns aus der totalen Schieflage der heutigen Vermögensbildung und Altersvorsorge befreien und zwar mit folgenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen:

Ein mit hohen Freibeträgen steuerlich gefördertes Wertpapiersparprogramm für die private Altersvorsorge. Dazu braucht es folgende Voraussetzungen:

Erstens müssen die Steuern gesenkt werden, um den Bürgern genug Geld für die Eigenvorsorge zu lassen.

Zweitens müssen die richtigen Produkte angeboten werden, an vorderster Stelle steuerlich begünstigte direkte und indirekte Aktieninvestments, so wie das die meisten aufgeklärten Staaten rings um uns in Europa und in Übersee ihren Bürgern bieten. Denn Aktien sind langfristig die mit weitem Abstand ertragreichsten Investments.

Drittens: Die Doppelbesteuerung der Dividenden muss aufgehoben werden. Es ist eine einseitige Benachteiligung der Aktie, gerade der Anlageform, die für die langfristige Altersvorsorge die höchsten Erträge liefert. Daher werden Aktieninvestments von klugen Staaten gefördert.

Viertens die verstärkte Bildung betrieblicher Pensionsfonds.

Darüber hinaus muss die Steuerfreiheit von realisierten Kursgewinnen wieder eingeführt werden. Die sogenannte Spekulationsfrist kann auf drei oder gar fünf Jahre (wie etwa in Frankreich) erweitert werden. Es muss ein Unterschied gemacht werden zwischen kurzfristigen Spielern und langfristigen Anlegern. Die heutige Regelung ist eine eklatante Ungerechtigkeit gerade gegenüber der jüngeren Generation, die angesichts der trüben Aussichten bezüglich der staatlichen Rente verstärkt privat für ihre Altersrente vorsorgen muss.

Ein kluger Staat müsste doch ein Interesse daran haben, dass seine Bürger so gut wie möglich auch privat vorsorgen und im Alter nicht den Gang zum Sozialamt antreten müssen.

Wie erwähnt, ist das „Rad“ einer leistungsfähigen Altersvorsorge schon längst erfunden. Wir brauchen keine Kommissionen, die sich jahrelang um einen „abgenagten Knochen balgen“. Statt dessen können wir kostenfrei die besten Elemente aus ausländischen Systemen heraussuchen und daraus unser eigenes Modell bauen.

Photo: Urip Dunker from Usnplash (CC 0)

Von Gottfried Heller, Finanz- und Börsenexperte und Mitgründer der FIDUKA.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch „Die Revolution der Geldanlage“, das soeben in dritter Auflage erschienen ist. In der vergangenen Woche äußerte sich Gottfried Heller bereits zu den schwachen Ergebnissen der Rentenkommission und beschrieb das Rentensystem der Niederlande und Schwedens.

Die USA: Gut gerüstet für ein rüstiges Alter

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind vermutlich weltweit das bekannteste Beispiel für eine seit langem bestehende betriebliche und private Vorsorge. Mir fällt allerdings bei Gesprächen mit Deutschen immer wieder auf, dass viele gar nicht wissen, dass die Amerikaner ihre Altersvorsorge beileibe nicht allein auf die beiden privaten Säulen beschränken, sondern auch ein funktionierendes System der staatlichen Rente haben.

Ich kann es beurteilen, weil ich selbst für meine sechs Jahre in den USA eine kleine Rente aus der Social Security erhalte. Meine Gesprächspartner wundern sich oft, dass der Betrag für die wenigen Jahre, die ich in die Versicherung eingezahlt habe, erstaunlich hoch ausfällt. Dabei liegt der Beitragssatz seit rund 30 Jahren unverändert bei 12,4 Prozent, je zur Hälfte zu tragen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Das ist also deutlich weniger als in Deutschland mit 18,6 Prozent (2020).

Da die Beschäftigten einen geringeren Anteil ihres Einkommens für die gesetzliche Rente ausgeben müssen als bei uns, haben sie netto mehr Geld für die betriebliche und private Vorsorge übrig. Dieses »eingesparte« Geld fließt seit 1978 vielfach in die betriebliche Vorsorge, die mit dem 401(k)-Plan (benannt nach dem entsprechenden Paragraphen im Steuergesetz) eine rentable und flexible Lösung bietet.

Viele Arbeitgeber, vor allem aus größeren Unternehmen, schießen 50 bis 100 Prozent der Beiträge zu. Arbeitnehmer können bis zu 15 Prozent ihres Jahreseinkommens, maximal 19.000 Dollar (2019, die Grenze steigt in etwa mit der Inflationsrate) einzahlen, über 60-Jährige zusätzlich 6.000 Dollar. Wenn man das mit den maximal 2.100 Euro jährlich für die Riester-Rente vergleicht, wird schnell klar: Mit so geringen Beträgen können die Deutschen kein Vermögen aufbauen, das den Rückgang des Rentenniveaus ausgleichen könnte – zumal hierzulande das Geld überwiegend in Riester-Versicherungen fließt, die wiederum überwiegend in Zinsanlagen investieren, die kaum Rendite abwerfen.

Ganz anders in den USA: Die Beiträge der 401(k)-Pläne werden überwiegend in Aktien- und gemischten Fonds investiert, bei denen die Anlagestrategie auf das erwartete Rentenalter abgestimmt wird. Im Durchschnitt betrug die Aktienquote 2018 stolze 67 Prozent. In den letzten Jahren wurde ein zunehmend größerer Teil in ETF-Sparpläne angelegt, weil sie flexibel, breit gestreut und vor allem außerordentlich preiswert sind. Da einige der Anbieter von klassischen 401(k)-Fondsplänen hohe Gebühren berechnet hatten, gab es immer wieder Konflikte und sogar Gerichtsverfahren. Das war natürlich ein gefundenes Fressen für die Anbieter von ETF-Plänen.

Die Beiträge sind für Arbeitnehmer steuerfrei, der Arbeitgeber kann seinen Anteil als Betriebsausgaben absetzen. Es gibt allerdings seit 2006 zusätzlich den Roth 401(k) (benannt nach dem Senator, der das Gesetz eingebracht hat), der mit versteuertem Einkommen aufgebaut wird. Bei ihm sind die Erträge dafür im Rentenalter steuerfrei, während sie beim klassischen 401(k) dann der Einkommensteuer unterliegen. Die Beschäftigten können also wählen, mit welcher Variante sie sich steuerlich besserstellen, und sie können auch die Beiträge auf die beiden Arten splitten, was zunehmend mehr Arbeitnehmer machen.

Unabhängig von der betrieblichen Vorsorge gibt es den Roth IRA, mit dem Privatpersonen aus versteuertem Einkommen 2019 Vorsorgevermögen bis zu jährlich 6.000 Dollar (über 50-Jährige bis zu 7.000 Dollar) ansparen konnten. Auch dieses Geld fließt überwiegend in Fonds und ETFs. 2019 waren 59 Prozent der Gelder in Aktien angelegt. Kapitalwachstum, Dividenden und Zinsen sind nach fünf Jahren Vertragsdauer steuerfrei.

Die transparente, flexible und renditestarke Art der Altersvorsorge hat bewirkt, dass US-Bürger 2014 kurz vor Renteneintritt (mit 60 bis 64 Jahren) im Durchschnitt 360.000 Dollar auf ihren Vorsorgekonten angespart hatten. Im Durchschnitt hatten die USA 2018 rund 145 Prozent des BIP im Ansparverfahren für die Rente angelegt. Das ist das 2,6fache des deutschen Betrags von 56 Prozent und sehr viel, wenn man bedenkt, dass zusätzlich noch rund 80 Prozent der Rentnerhaushalte über Immobilienvermögen verfügen – ein Riesenunterschied zu Deutschland. Und dieser Umstand ist mit ein Grund dafür, dass der amerikanische Durchschnittshaushalt im internationalen Vergleich finanziell relativ gut für den Ruhestand gerüstet ist. Im Durchschnitt verfügen US-Amerikaner über 227 364 Euro Brutto-Geldvermögen. Das ist über dreimal so viel wie das der Deutschen mit 74 616 Euro. Der Anteil des Umlageverfahrens an der Altersrente liegt mit 54 Prozent deutlich niedriger als in Deutschland, das mit 75 Prozent eine bedenkliche Spitzenposition in den Industriestaaten einnimmt.

Die Schweiz: Freiheit zahlt sich aus

Die Eidgenossen haben im Herbst 2017 Schlagzeilen gemacht, weil eine Volksabstimmung über eine Rentenreform gescheitert ist, der Vorschlag des Parlaments fiel bei der Bevölkerung knapp durch. Die Reform hatte eine Gleichstellung des Renteneintrittsalters für Frauen an das der Männer sowie eine leichte Anhebung der Beitragssätze zur gesetzlichen Rentenversicherung und eine Mehrwertsteuererhöhung vorgesehen. Die Schweiz leidet wie fast alle Industriestaaten unter den demografischen Veränderungen, weshalb die staatliche Sozialversicherung unter Druck steht.

Die gesetzliche Rente ist obligatorisch für die gesamte Bevölkerung, egal ob Angestellte, Beamte oder Selbständige. Sie dient der Existenzsicherung und der Vermeidung von Altersarmut, ist also eine typische Basisrente. Es gibt allerdings in der Schweiz keine Beitragsbemessungsgrenze, die Beiträge sind also nach oben offen.

Säule zwei betrifft die berufliche Vorsorge, die für alle Arbeitnehmer ab einem bestimmten Einkommen (2019 waren es 21.350 Franken) ebenfalls Pflicht ist. Das Geld wird überwiegend in Pensionskassen angelegt, bei denen der Arbeitgeber aus einer Vielzahl wählen kann.

Die Beitragssätze sind je nach Alter, Verdienst und Arbeitgeber unterschiedlich, jeweils die Hälfte zahlen Arbeitgeber und Beschäftigte. Die Anlagestrategie der schweizerischen Pensionskassen ist wesentlich aktienfreundlicher als die ihrer deutschen Pendants, sie legen im Durchschnitt rund 30 Prozent in Aktien an, hinzu kommen mit gut 15 Prozent Immobilien weitere Sachwerte. Gesetzliche Rente und Betriebsrente zusammen sollen nach dem Willen der Regierung 60 Prozent des vor dem Ruhestand erzielten Einkommens erreichen.

Die dritte Säule ist eine freiwillige private Vorsorge. Sobald mit ihr Steuererleichterungen in Anspruch genommen werden, ist ein Sparvertrag bindend. Deshalb nennt man sie gebundene Vorsorge. Sie kann mit Bankeinlagen, Wertpapieren oder Versicherungen geleistet werden. Die Einzahlungen können vom zu versteuernden Einkommen abgezogen werden, mindern also die Steuerlast. Erträge und Wertsteigerungen sind während der Sparphase steuerfrei. Die Auszahlung wird zu einem deutlich reduzierten Steuersatz belastet, die Erträge daraus sind im Ruhestand steuerpflichtig. Arbeitnehmer, die Mitglied einer Pensionskasse sind, können bis zu 6.826 Franken (2019) jährlich in die gebundene Vorsorge einzahlen, Selbständige und Arbeitnehmer ohne Pensionskasse bis zu 20 Prozent des Nettoeinkommens, höchstens 34.128 Franken. Auch hier also wie in den USA: Deutlich höhere Beiträge als in Deutschland werden steuerlich gefördert, und es gibt viel Freizügigkeit und Flexibilität in der Gestaltung der Vorsorge.

In der Schweiz bestreitet das Umlageverfahren 57 Prozent der Rente und das Durchschnittsvermögen pro Kopf liegt mit 266 318 Euro weltweit auf dem höchsten Niveau und ist mehr als dreimal so hoch wie in Deutschland.

In der kommenden Woche skizziert Gottfried Heller einen Reformvorschlag für Deutschland.

Photo: Erik from Flickr (CC BY 2.0)

Von Prof. Roland Vaubel, emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre und Politische Ökonomie an der Universität Mannheim.

Nach einem Vorschlag der Europäischen Kommission, der inzwischen die Zustimmung der Eurogruppe, d. h. der Finanzminister, gefunden hat, sollen Mitgliedstaaten, deren tatsächliche oder geplante öffentliche Ausgaben aufgrund von Kurzarbeitergeld oder ähnlichen Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise erheblich ansteigen, aus dem EU-Haushalt zinsgünstige Kredite erhalten. Diese sollen durch EU-Anleihen auf dem Weltkapitalmarkt finanziert weren. Für die Rückzahlung der Anleihen haften die Mitgliedstaaten entsprechend ihren Anteilen am BSP, letztlich jedoch als Gesamtschuldner. Die Gesamtsumme der Kredite ist auf 100 Mrd. Euro begrenzt. Die Kommission hat sich für ihr Projekt das Sicherheit suggerierende englische Kürzel SURE (Support mitigating Unemployment Risks in Emergency) ausgedacht.

Das SURE-Projekt ist bescheidener als der von Finanzminister Scholz eingebrachte (aber von den Niederländern abgelehnte) Vorschlag einer Euro-Arbeitslosenversicherung, denn es sollen nicht verlorene Zuschüsse, sondern nur Darlehn – und auch diese nur für Corona-bedingtes Kurzarbeitergeld – ausgezahlt werden. Aber SURE ist zweifellos nur als Einstieg in die europäische Arbeitslosenversicherung gedacht. Es geht auch nicht mehr um die Diversifikation von asymmetrischen Schocks und Risiken, denn der Corona-Schock ist symmetrisch. Er hat alle EU-Staaten getroffen; unterschiedlich sind die Erfolge bei der Bekämpfung.

Da nur verbilligte Kredite und keine verlorenen Zuschüsse vorgesehen sind, wird die Subventionszahlung nicht stark zu Buche schlagen. Problematisch ist vor allem, dass tragende und bewährte Grundsätze der Wirtschaftspolitik über Bord geworfen werden.

  1. Ein solcher tragender Grundsatz ist, dass der Haushalt der EU nicht durch Verschuldung, sondern über Beiträge der Mitgliedstaaten sowie über die Zölle und Abschöpfungen auf EU-Importe finanziert wird. Die anleihefinanzierte Kreditvergabe des sogenannten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ist nicht Teil des EU-Haushalts. Das SURE-Projekt bricht mit diesem Grundsatz, es ist ein gefährlicher Präzedenzfall.
  2. Im Fall des ESM galt der Grundsatz, dass ein Mitgliedstaat nur dann verbilligte Kredite erhält, wenn er große Schwierigkeiten hat, selbst am Weltkapitalmarkt Geld aufzunehmen. Auf diese Bedingung hat man bei SURE verzichtet. Weshalb? Gebührt der Verschuldung in eigener Verantwortung und zu Marktkonditionen nicht der Vorrang?
  3. Da die anderen Mitgliedstaaten für die Rückzahlung der Anleihen haften werden, wird der Grundsatz verletzt, dass Haftung und Kontrolle in einer Hand sein sollten. Das führt zu Fehlanreizen.
  4. Wenn trotzdem in der Pandemie eine Mithaftung vereinbart wird, müssen die Verpflichtungen begrenzt und kalkulierbar sein. Art. 11 Abs. 3 des Kommissionsvorschlags gibt diesen Grundsatz auf: “Kommt ein Mitgliedstaat einem Abruf [seiner Garantie] nicht nach, hat die Kommission das Recht, unter denselben Bedingungen zusätzliche Garantien anderer Mitgliedstaaten abzurufen, bis der Gesamtbetrag [der Rückzahlung] erreicht ist.
  5. Im Kreditgeschäft gilt der Grundsatz , dass notleidende Kredite abgeschrieben werden müssen und nicht stillschweigend weiter gewälzt werden dürfen. In Art. 9 Abs. 3 des Kommissionsvorschlagsvorschlags heißt es jedoch: “Bleibt eine Rückzahlung durch einen Mitgliedstaat aus, kann die Kommission für die Rückzahlung der im Namen der Union begebenen entsprechenden Anleihen erneut Kredite aufnehmen”. An die Stelle der Rückzahlung tritt die erneute Verschuldung.
  6. Bisher – zum Beispiel im Fall des ESM – wurden die verbilligten Kredite stets unter Auflagen vergeben. Mit dem SURE-Projekt gibt die Kommission diesen Grundsatz auf. Ziel des Grundsatzes ist es, die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung zu erhöhen. Gilt dieses Ziel für SURE nicht?
  7. Schließlich ist es ein bewährter Grundsatz der Wirtschaftspolitik, dass vorübergehende Probleme nur vorübergehende Interventionen erfordern und rechtfertigen. Die Corona-Pandemie ist ein vorübergehendes Problem. Der Vorschlag der Kommission sieht jedoch weder eine Ex-ante-Befristung des SURE-Projektes noch ein überprüfbares Kriterium für seine Beendigung vor. In Ziffer 15 der Vorbemerkungen heißt es lediglich, die Kommission solle alle sechs Monate prüfen, “ob die außergewöhnlichen Umstände, die Grund für die gravierenden wirtschaftlichen Störungen in den Mitgliedstaaten sind, nach wie vor bestehen”. Auch der Bail-out Griechenlands sollte ursprünglich nach kurzer Zeit beendet werden. Das war jedoch bald vergessen.

Im Hinblick auf diese sieben Grundsätze einer soliden Wirtschaftspolitik ist das SURE-Projekt ein ungünstiger Präzedenzfall.

Es gab eine Zeit, in der ein bekannter Ökonom (Walter Eucken) einem seiner Bücher den Titel “Grundsätze der Wirtschaftspolitik” (1952) verlieh. Wird die heutige Wirtschaftspolitik , insbesondere die der EU und der deutsche Beitrag dazu, noch von Grundsätzen geleitet? Wenn nicht, ist die Wirtschaftspolitik zur Stabilisierung ungeeignet und wird selbst zu einem unkalkulierbaren Stabilitätsrisiko.

Photo: Anglebattle bros from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Von Gottfried Heller, Finanz- und Börsenexperte und Mitgründer der FIDUKA.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch „Die Revolution der Geldanlage“, das soeben in dritter Auflage erschienen ist.

Ende März hat die Rentenkommission mit dem schönen Namen „verlässlicher Generationenvertrag“ der Bundesregierung fast zwei Jahre nach ihrer Einsetzung ihren Bericht vorgelegt.  Das Presseecho fiel – für viele überraschend – äußerst verhalten aus. Und das zu Recht. Denn konkrete Empfehlungen sind selbst mit der Lupe kaum zu finden. Das gilt insbesondere für die betriebliche und private Altersvorsorge. Immerhin wurde deren aktueller Zustand richtig, nämlich als „in vielfacher Weise nicht zufriedenstellend“ bewertet und ein paar kosmetische Maßnahmen bei Riester-Rente und Co. angemahnt. Eine konkrete Empfehlung sucht man aber vergebens – außer in einem Punkt: Bei der Jahreszahl 2025. Falls bis dahin „keine umfassende zusätzliche Altersvorsorge der Erwerbstätigen erreicht“ ist, solle „die Verbesserung bestehender Instrumente und die Prüfung weitergehender Maßnahmen erfolgen“. Mit anderen Worten: In den nächsten fünf Jahren tut sich wenig bis nichts, obwohl angesichts der enormen Probleme Entscheidungen überfällig sind. Dabei würden ein paar Blicke ins Ausland genügen, um bewährte und zukunftsfähige Lösungen zu finden und rasch an deutsche Verhältnisse anzupassen. Dazu braucht es keine Kommission. In der Neuauflage meines Buchs „Die Revolution der Geldanlage“ habe ich Blicke in verschiedene Länder geworfen, die als Vorbilder dienen könnten. Hier sind Auszüge aus dem Kapitel über den Vermögensaufbau fürs Alter.

In der Altersvorsorge ist uns das Ausland meilenweit voraus

Es ist eine Schande, dass ein Land wie Deutschland mit der Produktivität seiner Wirtschaft, der Leistungsfähigkeit und dem Erfindergeist seiner Unternehmer und der technischen Fähigkeiten seiner Ingenieure, mit seiner Kompetenz im internationalen Wettbewerb und mit dem Fleiß und der Sparsamkeit seiner Bürger es über die Jahrzehnte nicht geschafft hat, eine tragfähige und zukunftsfeste Altersvorsorge aufzubauen. Die Amerikaner, die Skandinavier, die Schweizer, die Österreicher und sogar die Franzosen sind uns da Welten voraus. In der Wirtschaft sind wir Weltklasse, in der Altersvorsorge sind wir Provinzklasse.

Es ist aber auch kein Wunder, dass die Denke der meisten Deutschen in Sachen Geldanlage schon von Seiten des Staates risikoscheu und aktienfeindlich beeinflusst wurde. Die staatlich geförderte Vermögensbildung beschränkte sich weitgehend auf Kontensparen, Bausparen und Versicherungen. Das Aktiensparen blieb mehr oder weniger außen vor. Was kann man anderes erwarten, wenn der ehemalige Bundeskanzler und studierte Volkswirt Helmut Schmidt in einem Interview mit dem Zeit-Magazin gesagt hat: »Die Aktie an sich ist ein meinem Gefühl und meinem Denken wenig entsprechendes Instrument. Als Altersvorsorge ist die Aktie unbrauchbar.«

In keinem modernen Industrieland, ja, nicht einmal in ehemals kommunistischen Ländern wie China, Tschechien, Ungarn oder Polen sind Aktien in der Politik so verpönt wie in Deutschland. Es ist ein eklatantes, fahrlässiges Politikversagen, mit welcher Wurstigkeit alle Regierungen – gleich welcher Couleur – in all den Jahrzehnten nach Ludwig Erhard die private Vorsorge und den nachhaltigen Vermögensaufbau mit Hilfe der langfristig mit Abstand ertragsstärksten Anlageform, der Aktie, ignoriert haben. Und die Bürger mit Sprüchen wie »Die Rente ist sicher« in vermeintlicher Sicherheit gewiegt haben.

Dabei gehört Deutschland zu den Ländern, in denen die Probleme besonders gravierend zu werden drohen, und das aus mehreren Gründen: Unsere gesetzliche Rentenversicherung hat kaum Rücklagen gebildet, die zur Finanzierung beitragen könnten. Ein Kapitalstock wurde in unverantwortlicher Weise nicht aufgebaut. Während die in der Rentenpolitik angeblich so rückständigen Amerikaner über einen Kapitalstock von 2,8 Billionen Dollar verfügen – etwa 22.000 Dollar je Haushalt. Die Deutsche Rentenversicherung hat hingegen lediglich 40,7 Milliarden Euro Nachhaltigkeitsrücklage (so der offizielle Begriff) gebildet, das reichte Ende 2019 für etwa 1,8 monatliche Rentenzahlungen. Damit kommt man in Notzeiten wahrlich nicht weit. Die Durchschnittsrente in Deutschland ist jetzt schon im internationalen Vergleich niedrig, gemessen am Einkommen eines Durchschnittsverdieners. Die OECD hat diese so genannte Nettoersatzrate berechnet und kommt für Deutschland zu dem Ergebnis, dass die gesetzliche Rente 2018 knapp 52 Prozent der Einkommen erreicht hat. Das liegt weit unter dem Durchschnitt aller 34 OECD-Staaten von 59 Prozent. Innerhalb der EU-14, also der Staaten, die vor der Osterweiterung (ohne Großbritannien) der Europäischen Union angehört haben, war nur Irland schlechter platziert. Dieses Ergebnis ist deprimierend, wenn man bedenkt, dass hierzulande die Mehrzahl der Menschen ihre Einkünfte im Alter vorwiegend aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Und dass die ohnehin niedrige Nettoersatzrate wegen des sinkenden Rentenniveaus weiter zurückgehen wird.

Ausgerechnet in Deutschland verweigert die Politik jedoch sinnvolle Lösungen für eine bessere private und betriebliche Vorsorge. Das Vermögen, das in betrieblichen Pensionsfonds angelegt ist, erreichte 2018 nach Berechnungen der OECD in Großbritannien 104,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung (BIP).

Und in Deutschland? Da waren es magere 6,7 Prozent, so wenig wie in kaum einem anderen Industrieland und auch weniger als in der Mehrzahl der Schwellenländer. Da nur rund fünf Prozent des relativ kleinen Vermögens der deutschen Pensionsfonds in Aktien angelegt ist, ist die Rendite weit unterdurchschnittlich. In Großbritannien waren 2015 dagegen 20,2 Prozent des Vermögens in Aktien investiert, in den USA sogar 44,2 Prozent. Es gibt also Länder, die frühzeitig auf die Altersproblematik reagiert und die private und betriebliche Vorsorge gestärkt haben. Einige von ihnen haben Systeme und Anreize entwickelt, die Deutschland als Vorbild dienen könnten, ja sollten. Es macht einfach keinen Sinn, weiterhin auf dem toten Gaul Riester-Rente in die Zukunft zu galoppieren. Unsere Politik muss endlich umsatteln und leistungsfähigere Angebote fördern.

Ich habe internationale Beispiele ausgewählt, die mit unterschiedlichen Methoden das Rentenproblem angegangen sind. Sie können Deutschland als Anschauungsunterricht dienen, und sie zeigen eindrucksvoll, dass das Rad einer leistungsfähigen Vorsorge längst erfunden ist. Berlin muss es nicht immer wieder neu versuchen, sondern kann es zollfrei importieren. Für alle betrachteten Ländern habe ich zwei Kennzahlen ausgesucht: den Anteil des Umlageverfahrens an der Bruttorente eines Durchschnittsverdieners und das durchschnittliche Brutto-Geldvermögen pro Kopf in Euro. Alle Zahlen sind für 2018, Quellen sind OECD, Allianz Global Wealth Report 2019 und Deutsches Aktieninstitut (DAI).

Die Niederlande: Grundrente, Betriebsrente und private Vorsorge

Die Holländer haben ein Vorsorgesystem entwickelt, das vielen anderen Ländern als Vorbild dient. Es wird gerne als »Cappuccino-Modell« bezeichnet: Grundrente als Kaffee, Betriebsrente als Sahne und private Vorsorge als Schokostreusel obendrauf.

Die Grundrente ist nach dem Umlageverfahren gestaltet mit der Besonderheit, dass alle Bürger dort versichert sind. Das gilt sogar für Beamte, weshalb die Niederlande zu den wenigen Staaten gehören, in denen Beamtenpensionen nicht mit Steuergeldern finanziert werden. Die Grundrente ist einheitlich, im Jahr 2019 betrug sie 1.181 Euro für Alleinstehende und 1.628 Euro für Paare, wenn sie mindestens 50 Jahre in Holland gewohnt haben, ansonsten gibt es für jedes Jahr weniger zwei Prozent Abschlag.

Die zweite Säule besteht aus der kollektiven betrieblichen Altersversorgung. Die meisten Rentengelder werden von Pensionsfonds verwaltet. Es gibt zwar keine gesetzliche betriebliche Rentenpflicht, wenn aber die Sozialpartner entscheiden, dass sie ihren Beschäftigten Regelungen anbieten wollen, kann der Staat dies als allgemeinverbindlich vorschreiben. Dann wird die betriebliche Vorsorge zur Pflicht.

Üblicherweise zahlen die Arbeitgeber zwei Drittel der Beiträge ein, Arbeitnehmer entsprechend nur ein Drittel. Deshalb verfügen über 90 Prozent aller Arbeitnehmer über eine betriebliche Rentenversicherung, in Deutschland sind es nur 30 Prozent. Sie ist attraktiv, weil auf Pensionsbeiträge keine Steuern erhoben werden und alle Kapitalerträge steuerfrei bleiben. Erst bei der Rentenauszahlung tritt die Steuerpflicht ein. Im Durchschnitt werden 31 Prozent der Gelder in Aktien investiert.

Da die ersten beiden Säulen zusammen ein hohes Altersruhegeld garantieren, wird die private Vorsorge vergleichsweise wenig genutzt, trotz steuerlicher Vorteile. Insbesondere Fondssparpläne und Versicherungen werden vom Staat gefördert. Die Niederländer zählen zu den Reichsten in Europa. Mit einem durchschnittlichen Bruttogeldvermögen von 146.155 Euro besaßen sie laut Allianz Global Wealth Report 2019 im Jahr 2018 fast doppelt so viel wie ihre deutschen Nachbarn mit 74.616 Euro. Der Anteil des Umlageverfahrens an der Altersrente eines Durchschnittsverdieners beträgt lediglich 30 Prozent gegenüber 75 Prozent in Deutschland. Hier wirkt sich aus, dass die betriebliche Altersvorsorge für ein beträchtliches Zusatzeinkommen sorgt.

Schweden: Ein Herz für Aktien

Einen ganz anderen Weg hat Schweden gewählt. Dort gibt es seit dem Jahr 2000 die so genannte obligatorische oder verpflichtende Prämienrente, in die jeder Arbeitnehmer 2,5 Prozent des Bruttoeinkommens (zusätzlich zur gesetzlichen Rentenversicherung) einzahlen muss. In der Regel wird sie zu 60 Prozent vom Arbeitgeber und zu 40 Prozent vom Arbeitnehmer finanziert. Die Schweden hatten zeitweise bis zu 850 Fonds zur Auswahl, aus denen sie bis zu fünf aussuchen konnten – und haben häufig die falschen gewählt, also solche mit zu hohen Gebühren und viel zu geringen Erträgen. Deshalb hat die Regierung im Jahr 2010 zusätzlich einen staatlich verwalteten Standardfonds eingerichtet, genannt AP7.

Dieser AP7 besteht aus zwei Einzelfonds, einem Aktienfonds und einem Rentenfonds. Das Geld wird bis zum Alter von 55 Jahren des Versicherten voll in den Aktienfonds angelegt, anschließend wird ein zunehmend größerer Teil (der Aktienanteil wird pro Jahr um 3 Prozentpunkte reduziert) sicherheitshalber in den Rentenfonds umgeschichtet. Also eine bewusst aktienfreundliche Vorsorge mit dem Sicherheitsanker Rentenfonds in den letzten Jahren vor dem Ruhestand. Der Aktienfonds legt das Geld breit international in rund 2.500 Aktiengesellschaften an. Maßstab ist dabei der MSCI All Country World-Index, der über 3000 Aktien aus fast 50 Industrie- und Schwellenländern umfasst. Ausgeschlossen werden nur Aktien von Unternehmen, die bestimmte ethische Kriterien verletzen, und zum Beispiel im Waffenbau tätig sind oder als Umweltverschmutzer gelten.

Und siehe da, immer mehr Schweden wechseln in den AP7, weil er bisher sehr hohe Renditen gebracht hat und mit einer extrem niedrigen Kostenquote von jährlich unter 0,1 Prozent auskommt. Kein Wunder, dass der weit überwiegende Teil der neuen Vertragsabschlüsse dem AP7 zugutekommt. Aufgrund seines großen Erfolgs soll seine Rolle ab 2023 sogar noch zunehmen. Bis dahin will die Regierung eine Rentenreform verabschieden und AP7 weiter stärken. In Schweden trägt das Umlageverfahren immerhin 66 Prozent zur Altersrente bei, ist also gar nicht so viel niedriger als in Deutschland mit 75 Prozent. Das Durchschnittsvermögen je Kopf liegt mit 137 796 Euro erheblich über dem in Deutschland.

In den kommenden beiden Wochen stellt Gottfried Heller Ihnen noch die Modelle der USA und der Schweiz vor, und skizziert dann einen Reformvorschlag für Deutschland.

Photo: Marco Verch Professional from Flickr (CC BY 2.0)

Von Frederik C. Roeder, Gesundheitsökonom und Geschäftsführer des Consumer Choice Centers.

Die letzten Wochen waren für die meisten von uns, gelinde gesagt, herausfordernd und ungewohnt. Der vorübergehende Zusammenbruch der globalen Mobilität, die Schließung lokaler Unternehmen und die Tatsache, dass Menschen zu Hause bleiben, während die Gesundheitssysteme in aller Welt mit Corona-Patienten an den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit operieren, ist eine der extremsten Situationen, die wohlhabende Länder in den letzten Jahrzehnten erlebt haben.

Vor diesem Hintergrund zeigen Unternehmen, die normalerweise ganz oben auf der Liste der Politiker stehen, wenn es darum geht, sie zu besteuern, zu regulieren, zu verstaatlichen oder zu schliessen, was für einen Wert sie für die Gesellschaft leisten.

Ich habe bereits vor einigen Wochen geschrieben, dass ich angesichts aller digitaler Innovationen der jüngsten Zeit (von Online-Apotheken über Videokonferenzen und Cloud-Dienste bis zu Online-Liefereservices) dankbar bin, dass diese Krise im Jahr 2020 und nicht 20 Jahre früher eintritt. Kristian Niemietz vom Institute of Economic Affairs versetzte uns im Blick auf die Krise kürzlich in das Jahr 1995.

Viele Unternehmen haben gezeigt, wie wichtig, ja lebenswichtig ihre jüngsten Innovationen in Zeiten sozialer Distanzierung und Abschottung sind. Einige Unternehmen sind noch weiter gegangen und haben es geschafft, sehr schnell zu innovieren, sich anzupassen und ihre Kraft zur Bewältigung dieser gesellschaftlichen Herausforderung, vor der wir alle stehen, einzusetzen. Einige von ihnen werden gewöhnlich von Politikern wie Senatorin Elizabeth Warren oder EU-Kommissarin Margrethe Vestager kritisiert, weil sie zu groß seien oder einen zu hohen Marktanteil hätten.

Die Reaktionen einiger dieser Unternehmen auf COVID-19 zeigen jedoch, dass ihre einzigartigen Strukturen tatsächlich der Grund dafür sein könnten, dass wir sie gerade jetzt besonders brauchen:

Zum Beispiel bei der schnellen Verbreitung von Testkits in Millionenhöhe: Der E-Commerce-Riese Amazon kündigte kürzlich an, dass er den größten Teil der Logistik für die Beschaffung von COVID-19-Testkits für Millionen von Einwohnern Großbritanniens übernehmen wird. Dank des vorhandenen Know-hows und der vorhandenen Kapazitäten kann Amazon diese Testkits viel schneller liefern, als die meisten staatlichen Stellen überhaupt in der Lage wären, sie bereitzustellen.

Während die Formel-1-Saison auf Eis liegt, hat sich das Mercedes-F1-Team mit Akademikern zusammengetan, um Beatmungshilfen für COVID-19-Patienten zu vereinfachen und neu zu entwickeln. Innerhalb von zehn Tagen waren sie in der Lage, die ersten Beatmungsgeräte zu produzieren, und werden bald Hunderte an diejenigen liefern können, die sie benötigen. Dies wird direkt dazu beitragen, Engpässe auf den Intensivstationen zu verringern. Die Automobilindustrie, die in den letzten Jahren wegen ihres CO2-Fußabdrucks stark unter Beschuss geraten ist, beginnt mit der Massenproduktion von Beatmungsgeräten für Krankenhäuser. Zum Glück verfügen sie über diese Produktionskapazität.

Der Baseballtrikot-Hersteller Fanatics stellte seine konventionelle Produktion ein und stellte auf die Herstellung von Masken und Kitteln für medizinisches Personal um. Der Unterhaltungselektronikhersteller Razer stellte (trotz der gestiegenen Nachfrage nach seinen Kernprodukten) einige seiner Produktionslinien von der Herstellung von Computermäusen auf chirurgische Masken um und spendete diese an Länder wie Singapur.

Und während der Bürgermeister von London alles versucht hat, um Uber in London aus dem Verkehr zu nehmen, hat dasselbe Unternehmen den Mitarbeitern des britischen National Health Service NHS Hunderttausende kostenlose Fahrten und Mahlzeiten angeboten.

Viele Reise- und Gastgewerbeunternehmen haben schnell gehandelt und im Nachhinein die Stornierungs- und Umbuchungsbedingungen für Kunden verbessert, die bereits vor der Corona-Krise Buchungen vorgenommen haben. Dies könnte ihnen helfen, Kunden langfristig für ihre Marke zu gewinnen und die Menschen dazu zu bewegen, wieder zu reisen.

Viele europäische Brauereien und Destillateure begannen, Teile ihrer Produktion von Spirituosen auf Hand-Desinfektionsmittel umzustellen und spendeten diese oft an Behörden oder Kunden. Eine Tochtergesellschaft von British American Tobacco arbeitet sogar an einem möglichen Impfstoff gegen das Virus. Daran sollten Politiker denken, wenn sie das nächste Mal gegen die Alkohol- oder Tabakindustrie vorgehen wollen.

Ein großes und vernehmliches Lob gebührt auch an allen Pharma- und Biotech-Firmen, die an Testkits , Behandlungen und Impfstoffen für COVID-19 arbeiten. Dasselbe gilt für Landwirte, agrochemische Unternehmen und Einzelhandelsgeschäfte, die heutzutage für Nahrungsmittelsicherheit und (meist) volle Regale sorgen.

Dies sind nur einige Beispiele für außerordentlich innovative und agile Reaktionen auf diese Krise. In der Regel geht es diesen Unternehmen darum, den Verbrauchern zu helfen. Jetzt helfen sie auch der Gesellschaft als Ganzer.

Viele Regierungen haben es versäumt, sich auf diese Situation vorzubereiten. Die Weltgesundheitsorganisation teilte der Öffentlichkeit noch im Januar mit, dass eine Übertragung des Coronavirus von Mensch zu Mensch unwahrscheinlich ist. Glücklicherweise haben wir Unternehmer und kluge Geschäftsleute, die uns dabeio helfen, mit den Problemen fertig zu werden, die sich aus diesem massiven Versagen der öffentlichen Gesundheitswesen in so vielen Ländern ergeben (wobei Korea und Taiwan einige der wenigen positiven Beispiele dafür sind, dass man vorbereitet sein kann).

Wenn also Senator Warren das nächste Mal hart gegen große Technologieunternehmen vorgehen will oder EU-Kommissarin Vestager europäische Champions schaffen will, während ausländische Unternehmen außen vor bleiben, sollten wir sie daran erinnern, wie wertvoll die Amazons, Ubers und Johnson&Johnsons in Zeiten von COVID-19 waren.

Erstmals veröffentlicht auf dem Blog des Consumer Choice Center.