Photo: Mika Tapani from Unsplash (CC 0)

Von Marc Jacob, Betriebswirt, tätig im Bereich der Unternehmensfinanzierung.

Die angestrebte Liberalisierung und Reformierung des Taxi- und Fahrdienstmarkts durch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer erntet nun einen stärkeren Gegenwind – doch sie muss kommen, damit Deutschland in der Verkehrspolitik nicht im letzten Jahrhundert stecken bleibt. Die Weigerungen der SPD der Reform zuzustimmen zeigen dabei wie die Politik in der Vergangenheit lebt.

Deutschland bleibt im Jahr 2019 auf der Stelle stehen und entwickelt sich nicht weiter. Anstatt Innovation und Digitalisierung zu fördern, betreibt die Bundesregierung eine reaktionäre Politik; das zeigt sich nirgends mehr als im Bereich der Verkehrspolitik. Der Innovationsgeist der deutschen Politik in der Verkehrspolitik lässt sich anhand eines Zitats von Henry Ford gut beschreiben: „Wenn ich die Menschen vor der Erfindung des Automobils gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie „schnellere Pferde“ gesagt.“ Während andere Länder Innovation fördern, versucht die Bundesregierung den Status-Quo zu erhalten.

Verkehrsminister Andreas Scheuer versucht mit einer neuen Initiative eines der Probleme in der Verkehrspolitik nun anzugehen – das Taxi-Monopol. Während Deutschland in dem Bereich noch im Jahr 1970 festzustecken scheint, haben andere Länder, insbesondere die USA, den Bereich radikal liberalisiert und dabei den Aufstieg von privaten Fahrdienstvermittlern wie Uber ermöglicht. Das Resultat ist: mehr Transparenz und mehr Service für den Kunden.

So sorgte der Aufstieg von Uber, Lyft und Co. in den USA dafür, dass Taxis vollkommen aus dem Verkehrsbild verschwunden sind. Für die Kunden hatte dies zur Folge, dass sie in den Genuss von günstigeren Fahrten, freundlicherem Service und einer erhöhten Sicherheit kommen konnten. Durch die Mischung aus ÖPNV, Car-Sharing und Uber können Amerikaner in Städten wie Washington oder San Francisco vollkommen auf das private Auto verzichten. Die Deutschen müssen auf diesen Genuss jedoch noch weiter warten, was insbesondere an einer sich mit allen Händen wehrenden Taxi-Lobby liegt.

Die Taxi-Lobby kämpft mit einer Desinformationskampagne gegen die Interessen des Bürgers

Diese Taxi-Lobby zeigt bei dieser Debatte ihr wahres Gesicht. Nachdem Taxi-Unternehmen in den letzten Jahrzehnten Kunden mit überhöhten Preisen, intransparenten Routen und schlechtem Service ausnehmen konnten, sehen sie sich nun mit erheblichem Gegenwind konfrontiert. Dies liegt zum einen daran, dass der Sektor sich jeglicher Reform versperrte, aber zum anderen daran, dass die Digitalisierung verschlafen wurde. Die Lobby versucht jedoch Politik und Kunden mit einer Desinformationskampagne gegen die Reform aufzubringen.

Dabei liegt die verbitterte Weigerung der Taxi-Unternehmen, einer Liberalisierung ihres Sektors zuzustimmen, an der fehlenden Bereitschaft der Unternehmen zur Konkurrenz. Durch ein Jahrzehnte existierendes Monopol ergab sich ein Reformstau, der nun endlich gelöst werden muss. Taxi-Unternehmen konnten sich in der Vergangenheit jeglichen Verbesserungen für den Kunden verweigern, da keine Alternative verfügbar war. Doch mit dem Aufstieg von digitalen Fahrdienstleistern hatte die Alternativlosigkeit ein jähes Ende gefunden.

Viele Politiker sitzen jedoch der Mär der Taxi-Lobby auf, dass Uber für eine Zunahme des Autoverkehrs sorgen könnte und damit die schon angespannte Lage in Deutschlands Innenstädten nochmals verschlechtern könnte. Dabei wird jedoch nicht erwähnt, dass Uber, anders als die deutsche Taxi-Industrie, an innovativen Mobilitätskonzepten arbeitet, insbesondere am sog. Pooling, bei welchem mehrere Verkehrsteilnehmer sich ein Fahrzeug teilen. Damit wird u.a. vermieden, dass Fahrzeuge sinnlos auf Fahrgäste warten und damit den Verkehr blockieren, wie es Taxis in deutschen Innenstädten tagtäglich tun. Zum anderen sorgt dies auch dafür, dass weniger Parkplätze in den Innenstädten blockiert werden, da mehr Bürger auf das eigene Auto verzichten könnten.

Es ist heuchlerisch von der deutschen Politik, dass auf der einen Seite neue Mobilitätskonzepte gefordert werden und auf der anderen Seite Taxi-Unternehmen künstlich geschützt werden. Dabei hat schon die Liberalisierung des Fernbusmarkts gezeigt, welches Potenzial die Wirtschaft entfalten kann, wenn sie eine gewisse, gesetzlich definierte Freiheit bekommt.

Die Zeiten des Taxis sind vorbei – auch wenn die Reform nicht kommt

Sollte die Reform nicht kommen, so werden Taxis trotzdem für die längste Zeit unser Stadtbild geprägt haben. Durch die aufkommende Digitalisierung des Sektors in Kombination mit dem Fortschritt im Bereich des Autonomen Fahrens wird der Beruf des Taxifahrers langfristig wegfallen. Das liegt auch daran, dass Vorgaben wie die Rückkehrpflicht schlicht veraltet sind.

Taxis sind ein Anachronismus aus einer anderen Epoche. Zu fordern, dass diese Jobs in heutiger Form erhalten bleiben, gleicht der Forderung das Auto zu verbieten, da es den Beruf des Hufschmieds verdrängt. Ein Beruf, welcher nur erhalten bleibt, weil die Politik Innovationen verhindert, hat jedoch nur eine Galgenfrist. Besonders für den Standort Deutschland ist ein solches Anreizsystem tödlich und sendet die falschen Signale.

Ziel muss es nun sein, den Taxi-Sektor so schnell wie möglich zu reformieren. Das Taxi Monopol muss fallen und neue Fahrdienstleister in allen Bereichen Deutschlands erlaubt werden. Wir brauchen einen Wirtschaftsstandort, der effizient und stark ist. Diese Reform ist keine, die nur an Wirtschaftsinteressen ausgerichtet ist, sondern ist eine Reform, die einzig und allein darauf ausgelegt ist, dass die Bürgerinnen und Bürger ein günstiges und effizientes System der Personenbeförderung bekommen.

Fahrdienstleister wie Uber und Lyft sind am Ende nicht befreit von Kritik, doch sie müssen Teil einer effizienteren und ökologischen Verkehrswende sein, die die deutsche Verkehrspolitik fit für das 21 Jahrhundert macht. Das Taxi-Monopol ist ein Anachronismus aus dem letzten Jahrhundert, welches nicht in eine Zukunft passt, in der die Energiewende erfolgreich gemeistert wird. Der Verkehrsminister muss nun zeigen, dass die Zukunft von Deutschland wichtiger ist als die Interessen von Lobbyisten und Taxi-Unternehmen.

Photo: Asim Bijarani from flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Doktorand der Volkswirtschaftslehre.

Die Grenzwerte für neuzugelassene Fahrzeuge garantieren nicht, dass die Reduktionsziele der EU für den Verkehrsbereich eingehalten werden. Der Individualverkehr sollte in den bestehenden CO2-Zertifikate Handel miteinbezogen werden.

Grenzwerte sind derzeit in aller Munde. Auch zum Ziel der Reduktion von CO2-Emissionen kommen Grenzwerte zum Einsatz. So wird die Europäische Union die CO2-Grenzwerte für neu zugelassene Fahrzeuge schrittweise verschärfen, um die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor bis 2050 um 60 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu reduzieren. Ressourcenschonender könnten die Emissionsziele durch eine Ausweitung des erfolgreichen europäischen Emissionshandels auf den Verkehr – und andere Sektoren – erreicht werden.

In der EU gingen die Treibhausgasemissionen durch die Verbrennung von Kraftstoff im Straßenverkehr seit 1990 nicht zurück, sondern stiegen um 22 Prozent. In anderen Sektoren sind im gleichen Zeitraum die Emissionen gefallen. In der Industrie ist das Emissionsvolumen seit 1990 um knapp 28 Prozent zurückgegangen. Hier hat sich seit 2005 eine alternative Maßnahme zu Grenzwerten bewährt. Große Teile der energieintensiven Industrie sind seitdem in den europaweiten Emissionszertifikatehandel eingebunden.

Wie funktionieren fahrzeugbezogene Grenzwerte?

In Europa müssen Hersteller von Fahrzeugen sicherstellen, dass neu produzierte Fahrzeuge im Durchschnitt die herstellerspezifischen CO2-Zielvorgaben nicht überschreiten. Diese Zielvorgabe ist herstellerspezifisch und setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Zum einen gibt es einen Sockelbetrag, das sogenannte EU-Flottenziel. Dies entspricht der europaweiten Zielvorgabe für die durchschnittlichen CO2-Emissionen neu zugelassener Fahrzeuge pro 100 Kilometer. Zum anderen werden von dem Sockelbetrag Abschläge abgezogen oder Aufschläge hinzuaddiert. Diese Auf- und Abschläge sind abhängig vom durchschnittlichen Gewicht der Fahrzeuge eines Herstellers im Verhältnis zum durchschnittlichen Gewicht aller Neufahrzeuge der vergangenen Jahre. Sind die Autos eines Herstellers schwerer als der Durchschnitt, dürfen die Autos mehr CO2 ausstoßen. Hersteller schwerer Fahrzeuge unterliegen daher weniger strengen Vorgaben als Hersteller leichter Fahrzeuge.

Grenzwerte garantieren keinen Emissionsabbau

Die Grenzwerte für neuzugelassene Fahrzeuge garantieren nicht, dass die Reduktionsziele der EU für den Verkehrsbereich eingehalten werden. Zum einen emittieren auch ältere Fahrzeuge CO2. Diese sind von jüngeren strengeren Grenzwerten nicht betroffen. Zum anderen senken die Grenzwerte nur den CO2 Ausstoß pro 100 Kilometer. Für den Gesamtausstoß sind jedoch nicht allein die Emissionen pro 100 Kilometer ausschlaggebend, sondern auch die gefahrenen Kilometer.

Die Grenzwerte begünstigen den Bau von Neufahrzeugen, die weniger CO2 emittieren. Dies kann vor allem durch effizientere Motoren erreicht werden. Effizientere Motoren können allerdings die Kunden dazu bewegen, mehr Kilometer mit ihrem Fahrzeug zu fahren oder gleich zu einem PS-stärkeren Fahrzeug zu greifen. Der Gesamteffekt einer durch Grenzwerte begünstigten Steigerung der Effizienz kann gar zu einem insgesamt höherem Energieverbrauch und zusätzlichen Emissionen führen – ein als Jevons’ Paradoxon bekanntes Phänomen.

Steuern zu ungenau

Sollen die CO2-Minderungsziele erreicht werden, ist es nicht zielführend, nur den CO2-Ausstoß pro 100 Kilometer für Neufahrzeuge zu verringern. Vielmehr sollten die tatsächlichen Emissionen aller Fahrzeuge in den Fokus rücken.

Dafür bieten sich zwei Instrumente an. Erstens kann eine Steuer auf Kraftstoffe, wie die Energiesteuer, dafür sorgen, dass Alt- wie Neufahrzeuge weniger Emissionen verursachen. Die Steuer verteuert die Betriebskosten pro gefahrenem Kilometer und regt so an, weniger Kilometer zurückzulegen und Fahrzeuge nachzufragen, die weniger Kraftstoff verbrauchen.

Zwar kann die Steuer die Gesamtemissionen zuverlässiger senken als Grenzwerte für Neufahrzeuge, aber die Erreichung gesetzter Ziele kann sie nicht garantieren. Die Höhe der Steuer, die dafür sorgen würde, dass ein zuvor festgelegter Zielwert erreicht wird, ist nicht bekannt.

Mit dem Zertifikatehandel sicher zum Ziel

Die zweite Alternative, ein Zertifikatehandel, garantiert dagegen ein festgelegtes Emissionsniveau. Denn anders als bei Grenzwerten und Steuern, bei denen die jeweils richtige Höhe entscheidend ist, ist für einen Zertifikatehandel die einzig notwendige Größe die Menge an CO2, die insgesamt ausgestoßen werden darf.

Ist ein Sektor in den Zertifikatehandel einbezogenen, müssen für jeden Ausstoß von CO2 entsprechend Zertifikate erworben werden. Konkret könnte kein Liter Benzin oder Diesel mehr verbrannt werden, ohne dass die Verbrennungserlaubnis in Form eines erworbenen Zertifikats vorliegt, wenn der Verkehr mit in den Zertifikatehandel einbezogen wäre. Da die Gesamtzahl der CO2-Zertifikate fix ist, lässt eine höhere Nachfrage nach Zertifikaten nicht die Menge an Zertifikaten steigen, sondern den Preis der Zertifikate.

Weniger Aufwand, weniger CO2

Die Zertifikatslösung würde nicht nur die Emissionsmenge garantieren, sondern zudem zu CO2 Einsparungen dort führen, wo es am kostengünstigsten ist. Müssen die Betroffenen für die Freisetzung von Abgasen Zertifikate kaufen, stehen sie vor der Frage, ob sie ein Zertifikat kaufen und Treibhausgase emittieren oder ob es günstiger ist, die Emissionen zu vermeiden und kein Zertifikat zu kaufen. Dies führt dazu, dass diejenigen sich für den Kauf eines Zertifikats entscheiden, für die die Vermeidung der Emissionen mit relativ hohen Kosten verbunden ist. Dagegen werden an anderer Stelle mit geringeren Kosten Emissionen vermieden und entsprechend keine Zertifikate erworben.

ETS-Handel nutzen

Die Menge der jährlich zur Verfügung stehenden Zertifikate kann schrittweise gesenkt werden. So sinkt die Zertifikatsmenge im EU-weiten Emissionshandelssystem ETS bis 2020 jährlich um durchschnittlich 1,74 Prozent. Ab dem Jahr 2021 steigt die durchschnittliche jährliche Reduktion auf 2 Prozent.

Der Verkehrssektor könnte in den existierenden Emissionshandel integriert werden, indem Raffinerien und Kraftstoffimporteure für die von ihnen verkauften Kraftstoffe Zertifikate erwerben müssten. Autofahrer müssten sich nicht um den Kauf der Zertifikate bemühen. Die Preise der Zertifikate würden die Kraftstoffpreise an Tankstellen beeinflussen und so auf das Verhalten der Autofahrer einwirken. Die KFZ- und Energiesteuer könnten im Gegenzug abgeschafft werden.

Emissionshandel ausweiten

Grenzwerte für Neufahrzeuge haben bisher die von der EU anvisierten Ziele nicht erreicht. Eine Verschärfung der Grenzwerte erhöht gewiss die Kosten für Neufahrzeuge, doch ob diese dazu in der Lage sind, die selbstgesteckten CO2-Minderungsziele zu erreichen, ist fraglich. Eine vielversprechendere Alternative steht zur Verfügung.

Durch eine Ausweitung des Zertifikatehandels könnten Emissionsziele günstiger und damit ressourcenschonend erreicht werden. Neben dem Verkehr könnten weitere Sektoren in den Zertifikatehandel integriert werden, in denen Menschen bisher ebenfalls vor allem durch Grenzwerte und Regeln zur CO2-Minderung angehalten werden. Eine Ausweitung des Zertifikatehandels auf die Gebäudewärme würde es erlauben, günstiger als bisher durch beispielsweise Dämmvorschriften CO2-Minderungsziele einzuhalten. Wie im Verkehrssektor könnten die Produzenten sowie Importeure von Heizöl und Gas dazu verpflichtet werden, CO2-Zertifikate zu erwerben.

Erstmals erschienen bei IREF

Photo: Wikimedia Commons (CC 0)

Daniel Stelter ist ein ungewöhnlicher Ökonom. Nach einer erfolgreichen Beraterkarriere zog es ihn nicht in die Wissenschaft oder Politik, sondern er gründete seinen eigenen kleinen Think Tank „beyond the obvious“ und betätigte sich als fleißiger, kundiger und innovativer Vielschreiber in Zeitungen, Zeitschriften und Blogs. Im Hayekschen Sinne geht es ihm um den Kampf der Ideen. Er will mit seinen Argumenten überzeugen. Sein jüngstes Buch „Das Märchen vom reichen Land“ ist ein überzeugendes Beispiel dafür. Der Spiegel-Bestseller ist inzwischen bereits in der 6. Auflage erschienen und räumt mit dem Mythos auf, dass die Deutschen die großen Profiteure in Europa seien.

In 10 Kapiteln unterstreicht er seine These, um dann im 11. Kapitel seine Vorschläge für einen grundlegenden Neustart zu machen. Zwar verdienen die Deutschen im internationalen Vergleich gut, beim Nettovermögen liegen wir jedoch zurück. Nicht nur hinter Spanien und Frankreich, sondern selbst hinter Griechenland. In Deutschland wir zu wenig investiert und zu viel konsumiert. Der Mythos der reichen Deutschen wird vor allem vom Exporterfolg der deutschen Industrie genährt. Doch diese, so weist Stelter schlüssig nach, hat viel mit der Illusion des Euro zu tun. Das billige Geld der EZB und die vergleichsweise niedrige Bewertung des Euro sind ein Subventionsprogramm für die Industrie, insbesondere für die Autokonzerne. Sie werden im außereuropäischen Export billiger, was ihnen, verbunden mit der hohen Qualität deutscher Automobilfertigung, einen enormen Wettbewerbsvorteil beschert. Doch diese Entwicklung basiert wesentlich auf der ökonomischen Entwicklung Chinas, die auf Pump finanziert ist. Bricht das chinesische Wirtschaftsmodell zusammen, dann gehen bei vielen Autokonzernen die Lichter aus.

Die Analyse liegt nicht so weit weg von der meinigen, die ich 2014 in meinem Buch „Nicht mit unserem Geld“ formuliert habe. Die Niedrigzinspolitik der EZB hat erhebliche Kollateralschäden. Auch damit beschäftigt er sich. Werden die Zinsen abgeschafft, dann kann mit Staatsanleihen auch kein Geld mehr verdient werden. Alle diejenigen, die Lebensversicherungen, Bausparverträge und Festgelder bevorzugen, sind die Verlierer. Sie werden kalt enteignet. Der Staat, Immobilien- und Aktienbesitzer profitieren vom billigen Geld.

Der Handelsbilanzüberschuss Deutschland ist für Stelter eher ein Grund zur Sorge. In einer überschuldeten Welt führt dies leicht zum Totalverlust. Besser wäre es, wenn in Deutschland investiert und angelegt würde. Daher ist er, und da unterscheiden wir uns, kein Freund der „schwarzen Null“, in der Haushaltspolitik. Doch die GroKo in Berlin tut eh alles dafür, dass dieser historische Augenblick nur eine kurze Periode war. Anders sieht es aus, wenn er über die Target-Problematik schreibt. Hier erkennt er, dass die wachsenden Salden zu einem Erpressungspotential der Nehmerländer gegenüber den Geberländern führen.

Seine These, dass die „schwarze Null“ in den öffentlichen Haushalten den Kapitalexport fördert, ist zu eindimensional gedacht. Wenn eine Bundesregierung die Bedingungen für Investitionen im Inland verbessern würde, dann müsste nicht geschehen, was er mit seinen Ausführungen zum Kapitalexport richtig beschreibt. Sowohl bei den Unternehmensteuern als auch bei der Abgabenbelastung der Bürger ist Deutschland wieder international auf einem vorderen Negativplatz. Daher sind die Standortbedingungen entscheidend. Kapital ist bekanntlich scheu wie ein Reh, daher darf man sich nicht wundern, wenn anderswo bessere Investitionsbedingungen herrschen. Die letzten großen Reformen liegen mit den Hartz IV-Reformen bereits 15 Jahre zurück. Seitdem ist nicht viel passiert, und die Merkel-Regierung ruht sich auf diesen Erfolgen nach wie vor aus. Deutschland ist reformmüde und daher nicht für die Zukunft gerüstet.

Etliche seiner Vorschläge zur Reform der Eurozone sind unterstützenswert. Vor einem Zerfall der Eurozone warnt er mit Recht. Sie würde zu einer schweren Rezession auch bei uns führen. Er verweist auf den Abwertungsdruck gegenüber dem Dollar von rund 40 Prozent für Spanien, Griechenland, Italien und Portugal und von 10 Prozent für Deutschland. Der Aufwertungsdruck Deutschlands gegenüber den Südländern wäre wahrscheinlich ähnlich hoch. Dies würde insgesamt zwangsläufig zu einer massiven Kapitalflucht aus Europa führen. Was sich über viele Jahre im Euroraum an wirtschaftlichen Ungleichgewichten aufgebaut hat, kann nicht mehr so einfach ohne schwerwiegende ökonomische Verwerfungen bereinigt werden. Da hilft es auch wenig, wenn man sagt, man könne nicht so weitermachen wie bisher. Das stimmt zwar, aber eine 180-Grad-Wende ist dennoch nicht sinnvoll.

Es ist ein wenig wohlfeil, dann auf die Politik einzudreschen. „Unsere Politiker können offensichtlich nicht rechnen“, schreibt er in Kapitel 10. Das gehört so in die Kategorie „alle Volkswirte haben sich geirrt“ oder „alle Journalisten schreiben von einander ab“. Pauschalisierungen werden der Sachlage nicht gerecht. So ist es auch, wenn er vom Versagen der „politischen Eliten“ spricht. Das klingt etwas nach Marx und Engels, die diese Eliten wegfegen wollten. Dennoch sind viele seiner dann folgenden Vorschläge sinnvoll: Bildungsinvestitionen, private Investitionen, Steuerung der Zuwanderung und vieles mehr. Warum er jedoch eine höhere Erbschaftsteuer fordert, wird mir nicht so ganz klar. Es ist doch eine der Erfolgsgeschichten dieses Landes, dass wir viele Hidden Champions im Bereich der Familienunternehmen haben, die in der Fläche über Generationen erfolgreich tätig sind. Auch sein „Szenario drei“ zur Lösung der Eurokrise ist zu statisch. Die Schaffung eines Schuldentilgungsfonds mit Eurobonds unterstellt, dass sich danach die Regelgebundenheit der Schuldenstaaten verbessern würde. Das ist eine Illusion. Es würde zu einer Vergemeinschaftung der Schulden und einer geringeren Verantwortung für die jeweilige Regierungsleistung führen. Ein geordneter Ausstieg derjenigen, die es innerhalb der Eurozone nicht schaffen oder nicht schaffen wollen, wäre da ein weniger invasiver Eingriff.

Daniel Stelter, Das Märchen vom reichen Land. Wie die Politik uns ruiniert. 
FinanzBuch Verlag, 256 Seiten, 22,99 €

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Lupus in Saxonia from Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Kevin Kühnert wird derzeit hart angegangen. Auch aus seiner eigenen Partei. Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hat seine Sozialismus-Thesen zurückgewiesen. „Man kann richtige Fragen stellen und trotzdem falsche Antworten geben“, sagte Nahles. Doch wer ist hier näher an den Grundsätzen der SPD – Kühnert oder Nahles? Gefühlsmäßig würde man eher zu Nahles neigen, doch ein Blick ins Programm der SPD lässt da Zweifel aufkommen.

Im bis heute gültigen Grundsatzprogramm der SPD aus dem Jahr 2007, dessen Hauptautoren die heutige Parteivorsitzende Andrea Nahles und der heutige Arbeitsminister Hubertus Heil waren, heißt es: „Unsere Geschichte ist geprägt von der Idee des demokratischen Sozialismus, einer Gesellschaft der Freien und Gleichen, in der unsere Grundwerte verwirklicht sind … . Das Ende des Staatssozialismus sowjetischer Prägung hat die Idee des demokratischen Sozialismus nicht widerlegt, sondern die Orientierung der Sozialdemokratie an Grundwerten eindrucksvoll bestätigt. Der demokratische Sozialismus bleibt für uns die Vision einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft, deren Verwirklichung für uns eine dauernde Aufgabe ist.“

An „deren Verwirklichung als eine dauernde Aufgabe“ scheint sich Kühnert eher zu halten als seine Parteivorsitzende. Seine Forderung nach Enteignung und Vergesellschaftung von Vermögen passt in das Grundsatzprogramm der SPD. Denn der Sozialismus setzt darauf, Privatunternehmen und Privateigentum an Produktionsmitteln abzuschaffen und über ein Planwirtschaftssystem die Planung der Wirtschaft einer staatlichen Behörde zu überlassen. Wenn Bürger nur noch ihre eigene Wohnung besitzen dürfen und BMW vergesellschaftet werden soll, dann ist es das, was die SPD in ihrem Grundsatzprogramm eigentlich anstrebt. Vielleicht ist das nicht allen Mitgliedern der Sozialdemokratie bekannt, da hat ihnen Kevin Kühnert etwas voraus. Und dennoch liegt er falsch: nicht im Blick auf die Grundsätze seiner Partei, sondern im Blick auf die Funktionsweise unserer Welt.

Es fängt schon mit der Begrifflichkeit an: „demokratischer Sozialismus“. Guido Westerwelle hat einmal über den demokratischen Sozialismus gesagt, dass dieser so eine Art vegetarischer Schlachthof sei. Oder etwas prosaischer: Sozialismus und Demokratie schließen sich aller Evidenz nach aus. Zwar könnte man die Enteignung von Privatvermögen per Mehrheit beschließen. Man könnte auch theoretisch über eine Planwirtschaft demokratisch entscheiden: wie viele Autos, wie viele Wohnungen oder wie viele Brote sollen pro Tag, Monat oder Jahr geplant und produziert werden? Doch ein historisches Beispiel oder eines aus der Gegenwart, bei dem dies jemals nur einigermaßen funktioniert hätte, gibt es nicht. Aus gutem Grund kennt unser demokratischer Rechtsstaat auch Grenzen des Mehrheitsprinzips. Die Mehrheit darf demnach nicht alles. Das Individuum hat unveräußerliche Rechte.  Denn ohne diese unveräußerlichen Grundrechte hätten es die Kevins dieser Welt viel leichter, ihre sozialistischen Utopien zu verwirklichen. Freiheitliche Demokratie funktioniert nur mit klaren Eigentumsrechten.

Man kann sich und vor allem andere nicht oft genug daran erinnern, dass der Sozialismus in allen Facetten gescheitert ist. Das liegt unter anderem daran, dass der Sozialismus planen will, was nicht planbar ist.  Die Komplexität des Wirtschaftens kann nicht zentral gelenkt werden. Keiner hat das umfassende Wissen, wie viele Produkte und Dienstleistungen, wann und wo und zu welchem Preis zur Verfügung gestellt werden müssen. Dieses fehlende Wissen kompensieren der sozialistische Staat und seine Regierung durch immer stärkere Eingriffe in individuelle Lebensentscheidungen. Am fehlenden Preissignal sind freilich noch alle Formen des Sozialismus gescheitert.

Auch in einer auf Privateigentum basierenden Marktwirtschaft hat niemand dieses umfassende Wissen. Doch es gibt hier nicht den allumfassenden Plan, sondern ein System des Versuchs und Irrtums. Scheitern Marktteilnehmer mit ihrem Produkt oder ihrer Dienstleistung an der mangelnden Nachfrage der Konsumenten, dann scheiden sie aus dem Markt aus. Aus diesem Versagen lernen andere und passen ihre Produkte, Preise oder Strategie an. Die Anpassung an die Wünsche der Konsumenten führt zur Anpassung im Kleinen und verhindert die Fehlschläge planwirtschaftlicher Experimente im Großen.

In dieser Woche feierte der Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek seinen 120. Geburtstag. Sein wohl einflussreichstes Werk „Der Weg zur Knechtschaft“ veröffentlichte er 1944 kurz vor dem Zerfall des Dritten Reiches. Darin warnte er davor, dass sich  der Sozialismus zumindest langfristig nie nur auf die zentrale Lenkung der Wirtschaft beschränke. Wirtschaftliche Fragen lassen sich von persönlichen Fragen nicht trennen: Wie und wo wir wohnen. Was wir essen, wie wir leben, sind immer sowohl persönliche als auch ökonomische Fragen, die mit Knappheiten und begrenzten Ressourcen zu tun haben. Früher oder später verspürt der Sozialismus das Bedürfnis oder die Notwendigkeit, da auch einzugreifen. Darum kann Hayek auch lapidar schreiben: „Das Kommando über die Güterproduktion ist das Kommando über das menschliche Leben schlechthin.“ Das, lieber Kevin Kühnert, wollen wir doch alle nicht, oder?

Photo: Yann Caradec from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Doktorand der Volkswirtschaftslehre.

Die Einschränkungen des Apothekenbesitzes sind ineffizient und ziehen höhere Preise für Patienten nach sich. Zu einer besseren Beratung trägt das Fremdbesitz- und Mehrbesitzverbot ebenso wenig bei, wie zu einer besseren Versorgung.

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände meldet für das Jahr 2018 erneut einen Rückgang der Apothekenanzahl. Es waren 325 Apotheken weniger als im Vorjahr. In Deutschland dürfen gemäß dem Apothekengesetz nur Apotheker Apotheken besitzen und betreiben. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot wurde im Jahr 2004 zwar etwas gelockert. Seitdem dürfen Apotheker bis zu drei weitere Filialapotheken betreiben. Diese müssen sich im selben oder in einem direkt benachbarten Landkreis wie die Hauptapotheke befinden. Die anhaltenden Einschränkungen hinsichlich der Eigentümerstruktur und der Anzahl der Apotheken innerhalb einer Unternehmung beschränken jedoch weiterhin den Wettbewerb um die Gunst der Verbraucher und verhindern die Realisierung kostensenkender Größenvorteile. Im Interesse der Kunden sollte eine Öffnung des Apothekenmarkts erfolgen, die Nicht-Apothekern den Besitz von Apotheken ermöglicht und die Anzahl der Apotheken pro Betreiber unbegrenzt lässt.

Weniger Hauptapotheken, mehr Filialapotheken

Die Anzahl der Apotheken ist von 21.476 im Jahr 2005 auf 19.432 im Jahr 2018 zurückgegangen. Der Anteil von Filialapotheken hat sich in diesem Zeitraum von 6 Prozent auf 23 Prozent erhöht. Die deutschen Apotheker haben von dem seit 2004 möglichen Filialbetrieb also rege Gebrauch gemacht. Dass es sich für Apotheker finanziell lohnt, mehrere Apotheken zu betreiben, ist auch ein Hinweis darauf, dass sich mehrere Filialen zu niedrigeren durchschnittlichen Kosten betreiben lassen als eine einzelne Filiale.

Ressourcen gemeinsam nutzen

Eine Aufhebung sowohl des Fremdbesitzverbotes als auch der Limitierung der Anzahl von Filialen ginge mit weiteren Vorteilen einher. Apotheken könnten umfänglicher als bisher Größenvorteile ausschöpfen. Infrastruktur etwa für Buchhaltung, Personalmanagement, Einkauf und Lagerung könnten verstärkt von mehreren Apotheken gemeinsam genutzt werden. Der Wettbewerb der Apotheker untereinander würde dafür sorgen, dass von den resultierenden Kosteneinsparungen auch die Kunden profitieren.

Preissenkungen wären vor allem bei Medikamenten zu erwarten, die apothekenpflichtig aber nicht verschreibungspflichtig sind. Dabei handelt es sich vor allem um Medikamente, die zur kurzfristigen Behandlung von leichteren Beschwerden und Krankheiten eingesetzt werden, wie Kopf- und Zahnschmerzen oder Erkältungen. Bei diesen Medikamenten haben Apotheken – im Gegensatz zu verschreibungspflichtigen Medikamenten – einen Preisgestaltungsspielraum.

Fremd- und Mehrbesitzverbot: Bessere Versorgung?

Die Befürworter des Fremd- und Mehrbesitzverbots, wie die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, argumentieren, das Verbot trage dazu bei, die Versorgung der Bürger sicherzustellen. Doch die Versorgung der Patienten ist nicht in Gefahr. Eine Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots würde es Apotheken erlauben, Infrastruktur gemeinsam zu nutzen. Die resultierenden Kostensenkungen könnten sogar Apothekenstandorte attraktiv machen, die bisher nicht rentabel sind – gerade in ländlichen Gebieten. Ein Blick in europäische Nachbarländer verdeutlicht dies. In Norwegen wurde das Verbot im Jahr 2001 abgeschafft. Daraufhin konnte eine deutliche Verbesserung der Versorgungsdichte festgestellt werden – auch auf dem Land. In Großbritannien gibt es kein Fremd- und Mehrbesitzverbot und die Versorgung ist auf einem ähnlich hohen Niveau wie in Deutschland.

Auch die Qualität der Beratung steht nicht auf dem Spiel, denn entscheidend ist nicht, dass der Besitzer einer Apotheke Pharmazeut und immer vor Ort ist. Es wäre ausreichend, die Anwesenheit (tatsächlich oder digital) eines Pharmazeuten sicherzustellen. Schon heute betreuen angestellte Apotheker Kunden in Haupt- und Filialapotheken.

Apotheken: Eine heuschreckenfreie Zone?

Weiter wird von den Befürwortern des Verbots argumentiert, das Fremd- und Mehrbesitzverbot entkoppele „(…) die Arzneimittelversorgung von ausschließlich an Gewinnmaximierung orientierten Vorgaben Dritter, wie z.B. Kapitalgesellschaften (…)“. Der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände spitzt gar zu: „Kranke sind aber keine Konsumenten und deshalb muss die Apotheke eine heuschreckenfreie Zone bleiben.“

Es ist abwegig anzunehmen, dass Apotheker, die Kapital für den Betrieb ihrer eigenen Apotheke bereitstellen, kein Interesse an dem wirtschaftlichen Erfolg ihres Unternehmens haben. Das ist auch nicht verwerflich. Denn das Streben nach Gewinnen steht, ebenso wie in anderen Bereichen des Gesundheitssystems, nicht in einem grundsätzlichen Gegensatz zu den Interessen der Patienten.

Apothekenmarkt öffnen

Die Einschränkungen des Apothekenbesitzes sind ineffizient und ziehen höhere Preise für Patienten nach sich. Zu einer besseren Beratung trägt das Fremdbesitz- und Mehrbesitzverbot ebenso wenig bei, wie zu einer besseren Versorgung. Die bisher erfolgte schrittweise Deregulierung des Apothekenmarkts hat sich nicht zum Nachteil der Kunden ausgewirkt. Patienten werden seit über 10 Jahren in Filialapotheken beraten – ohne Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Im Gegenteil: Vielmehr hat der Zuwachs an Filialapotheken vermutlich dazu beigetragen, dass die Gesamtzahl der Apotheken weniger stark zurückging. Wie anderen Unternehmen auch, sollte es Apotheken möglich sein, Ressourcen zu bündeln und gemeinsam zu nutzen. Eine Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots ist deshalb dringend geboten.

Erstmals erschienen bei IREF.