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Von Frederik C. Roeder, Gesundheitsökonom und Geschäftsführer des Consumer Choice Centers.

Die Frage, ob Gentechnik eine wunderbare Verheißung moderner Molekularbiologie oder Teufelszeug ist, macht einen grundlegenden Riss durch die grüne Bewegung deutlich. Verbände wie Greenpeace, der Bund des Umwelt- und Naturschutzes, die sogenannten “Friends of the Earth” sowie mehrheitlich die Partei Bündnis 90/die Grünen sind gegen den Einsatz von genmanipuliertem Saatgut. Teile der Grünen Jugend jedoch stellen sich neuerdings auf die Seite des europäischen Bauernverbands sowie der Mehrheit der Gentechnik-Forscher, die sich für den Einsatz stark machen. Die Spaltung der Öko-Bewegung in Gegner und Befürworter der Gentechnik ist aber mehr als eine Detailfrage über das beste Vorgehen in der modernen Landwirtschaft: Hier offenbaren sich zwei Weltbilder innerhalb des ökologischen Denkens, die miteinander kollidieren und nicht vereinbar sind. Entweder nämlich, man glaubt an den technischen Fortschritt, an die Vernunftfähigkeit des Menschen und an die Findigkeit kreativen Unternehmertums oder man sieht das Leben in der Moderne als grundsätzlich negativ an, mit seiner bedrohlichen allmächtigen Technik und seiner ausgedehnten Massenproduktion. Technik oder Verzicht, wird damit zur Zukunftsfrage der jungen Generation, nicht nur in der Klimafrage. Es gibt Hoffnung, dass sich die technikfreundliche, positive Sicht auf die Moderne innerhalb der Grünen durchsetzen könnte.

Hauke Köhn von der Grünen Jugend Hannover brachte im Herbst letzten Jahres einen Antrag bei der Grünen Jugend Niedersachsen zum Erfolg, der sich für die Verwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft ausspricht. Der Antrag fordert nichts weniger, als auf wissenschaftlicher Basis anzuerkennen, dass Gentechnik viele Vorteile für die Gesellschaft biete. Die Risiken seien hingegen überschaubar und politisch beherrschbar. Mit dieser Position ist Köhn seither nicht nur beliebt bei seinen Parteigenossen. Wie er gegenüber der “ZEIT” äußerte, habe “bei manchen Grünen-Treffen Eiseskälte geherrscht, wenn das Thema aufkam, bei anderen wurde es hitzig.” Zu tief sitzen die Vorurteile gegenüber der Gentechnik, die NGOs wie Greenpeace seit Jahren systematisch schüren.

Gentechnik habe seine Versprechen „seit jeher gebrochen“, heißt es beispielsweise auf der Internetseite der grünen Friedenswächter. Durch die „Verwendung von genmanipuliertem Saatgut konnten keine Ertragssteigerungen erzielt werden und der Pestizideinsatz steigt mittelfristig sogar an“, heißt es dort. Mit der Redlichkeit dieser Aussagen nehmen es die Aktivisten wohl nicht ganz so genau. Auf den ersten Blick stimmt es zwar: In den meisten Fällen steigert der Einsatz von Gen-Mais nicht die Ernte des Maises. Aber – und das verschweigt Greenpeace seinen Anhängern lieber – es senkt die Kosten für die Maisproduktion erheblich, weil die Pflanzen resistent gegen Schädlinge sind und daher weniger Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt werden müssen. Der Einsatz von genmanipuliertem Saatgut konnte bisher den Ertrag um bis zu 28% erhöhen und weitere Erfolge sind wahrscheinlich. Genau das passt Greenpeace aber nicht. In einem eigenen Dossier zu dem Thema heißt es, dass „genmanipulierte Pflanzen das Modell der industriellen Landwirtschaft zementieren, das globalen Märkten zwar Güter in großen Mengen liefert, die Weltbevölkerung aber nicht ernähren kann.“

Und genau das ist für Greenpeace des Pudels eigentlicher Kern. Die Landwirtschaft an sich ist böse, weil sie industriell und global agiert. Es stimmt: Unterernährung und Hunger wird es auch mit der Gentechnik noch geben, aber das liegt nicht an der bösen Landwirtschaft, sondern daran, dass Bürgerkriege, korrupte Regime und Unterentwicklung nicht durch Gentechnik allein behoben werden können. Nicht nur in der Frage der Agrarwirtschaft offenbart sich ein unwissenschaftliches Weltbild. Auch in der Frage der Gesundheit und der Risiken der Gentechnik bleiben viele Aktivisten faktenresistent. Greenpeace behauptet etwa in einem düsteren Untertitel zum Thema Gentechnik, dass “[d]er Einsatz der Gentechnik unkalkulierbare Risiken [birgt]. Mensch und Natur dürfen nicht zu Versuchskaninchen der Agrarkonzerne werden.” Die Wissenschaft aber konnte bisher keine dieser angeblich unkalkulierbaren Risiken ausfindig machen.

2010 gab die EU-Kommission ein Kompendium aus über 10 Jahren Forschung heraus, welches zu dem Ergebnis kommt, dass Gentechnik keine nachweisbaren Risiken für die Umwelt in sich trage. Auch in einer Bilanz des deutschen Bildungsministeriums aus dem Jahre 2014, nach 25 Jahren Forschungsarbeit und über 130 Projekten und 300 Millionen Euro geflossenem Steuergeld, heißt es dazu, “dass Gentechnik an sich keine größeren Risiken als konventionelle Methoden der Pflanzenzüchtung birgt.” Doch den Gegnern der Gentechnik können noch so viele Studien vorgelegt werden, belehren lassen sie sich trotzdem nicht.

Wie der Philosoph Stefan Blancke, von der Universität Gent, in einem Interview mit ZDF-Heute treffend feststellte, fällt die Panikmache vor der Gentechnik bei den meisten Menschen deshalb auf fruchtbaren Boden, weil sie Vorurteile und Naturbilder bedient, die uns intuitiv einleuchten, die aber, wissenschaftlich gesehen, weit vor das darwinistische Zeitalter zurückreichen. Die meisten Bürger würden zum Beispiel glauben, “dass alle Organismen eine Art universellen ‚Kern‘ besitzen. Einen ‚Kern‘, der diesen Organismus ausmacht, quasi definiert.“ Und daher würden in einer US-Studie Befragte nicht wissen, ob in eine Tomate implantierte Fisch-DNA die Tomate nach Fisch schmecken lässt. Das ist natürlich Unsinn, wussten aber weniger als 40 Prozent.

Solche Vorurteile führen dann dazu, dass sich knapp 80 Prozent der Deutschen in einer Umfrage des Umweltministeriums aus dem Jahr 2017 ohne erfindliche Gründe gegen die Gentechnik aussprechen. Wenige politische Fragen erreichen solch eindeutige Urteile der Öffentlichkeit. Was gerade bei diesem Thema besorgniserregend ist, da die meisten Befragten offensichtlich wenig bis keine Kenntnisse der Gentechnik besaßen. Zu der Angst, nicht mehr kontrollieren zu können, was wir über Geneingriffe erschaffen, komme, laut Blancke, die Angst hinzu, sich mit Mutter Natur anzulegen. Wir würden immer noch zu einem sogenannten zweckgetriebenen Denken neigen, das allen Naturereignissen eine bestimmte Absicht unterstelle. In dieser Sicht seien Pflanzen dazu da, uns zu ernähren, Regen, um die Erde zu bewässern und Gewitter, um uns zu erschrecken. Blancke dazu: „Gentechnik ist da plötzlich das Böse, das die Pläne von ‚Mutter Natur‘ durchkreuzt. Nicht umsonst gibt es den Begriff ‚Frankenfood‘. Die Botschaft ist klar: Legen wir uns mit ‚Mutter Natur‘ an, rufen wir gewaltige Katastrophen hervor.“

Es ist nur zu hoffen, dass sich die Sicht des 21-Jährigen Junggrünen Hauke Köhn in Zukunft durchsetzt, der in seinem Antrag mutig schreibt: “In jedem Fall können die pauschalen Vorwürfe, die gegenüber der grünen Gentechnik bestehen, nicht aufrechterhalten werden. Es sind durchaus ökologisch nachhaltige GVO vorstellbar, die gegenüber konventionellen Agrarpflanzen große Vorteile hegen.” Ergänzen müsste man noch, dass solche GVO (Gentechnisch veränderte Organismen) nicht nur vorstellbar sind, sondern schon täglich genutzt und weltweit gebraucht werden.

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Strukturelle Probleme in der EU sollen wieder mit Geld zugeschüttet werden bis sie verschwinden. Diese Taktik aus der mittelalterlichen Alchemie bringt aber nichts. Wer den Menschen vor Ort wirklich helfen will, muss auf andere Mittel zurückgreifen. Dafür gibt es gute Beispiele.

Die Schwäbische Hausfrau und ihre Tochter

1,1 Billion Euro. Das ist die ungefähre Höhe des EU-Budgets für 2021 bis 2027, über die gerade verhandelt wird. Die Zahl klingt vollkommen unvorstellbar. Auch wenn sie etwas an Dramatik verliert, wenn man herunterbricht, was das für jeden EU-Bürger pro Tag bedeutet: nämlich einen Euro. Die Antagonisten im Kampf haben sich freilich tief eingebuddelt in ihre Verteidigungslinien. Dänemark, Niederlande, Österreich und Schweden stemmen sich mit aller Macht gegen eine Ausweitung. Die Gruppe der Netto-Empfänger, die sich den blumigen Namen „Freunde des Zusammenhalts“ gegeben haben und etwa ein Drittel der EU-Bevölkerung repräsentieren, ziehen auf der anderen Seite: Flankiert von Frankreich und Italien wollen sie „kein Konzept der Sparsamkeit für die Zukunft Europas“, wie es Giuseppe Conte formulierte. Man fühlt sich zurückversetzt in die Debatten, die vor zehn Jahren in der Europäischen Union geführt wurden, als es um die Bewältigung der Schuldenkrise ging.

Die Vorstellung, dass das Zurückhalten von Geld, also Sparen, gleichbedeutend sei mit geringerem Wohlstand dürfte zumindest die Schwäbische Hausfrau schon einmal nicht überzeugen. – „Man wird nicht reich vom Geldausgeben!“ – Freilich, man muss auch Geld in die Hand nehmen, wenn man mehr Wohlstand generieren will. Im Sparstrumpf besagter Hausfrau findet sich nämlich sehr viel weniger als auf dem Konto ihrer Tochter, die seit 17 Jahren in ETFs anlegt. Konsumverzicht und kluge, aber auch mutige Investitionsentscheidungen sind zwei wesentliche Säulen, um finanzielle Sicherheit und künftigen Konsum zu ermöglichen.

Geld ist nicht die Lösung

Nun funktionieren diese Weisheiten des Privathaushalts auf die staatliche Ebene übertragen aber auch nur sehr eingeschränkt. Schließlich handelt es sich nicht um das eigene Geld, mit dem da hantiert wird, sondern um einen riesigen Pool von Geld aus verschiedensten Quellen. Verzichtet man auf eine Reise oder einen Restaurantbesuch, dann fällt einem das mitunter leicht im Blick auf die Wohnung, die man in ein paar Jahren kauft oder das neue Mountainbike. Der Verzicht, den ein ganzer Staat leistet, ist sehr viel abstrakter, unpersönlicher. Ganz abgesehen davon, dass man davon ausgehen darf: Wenn wir im Bereich A sparen, werden die Lobbyisten von Bereich B das Geld ganz schnell für ihre Zwecke einfordern. Darum sind Projekte wie die Schwarze Null oder die Schuldenbremse so schlaue Instrumente: sie erfordern keine explizite Verzichtsentscheidung, sondern funktionieren wie ein Notbremsassistent.

Noch etwas komplizierter stellt sich die Sache im Fall des Investierens dar. Und da sind wir am entscheidenden Punkt der EU-Haushalts-Streitigkeiten. Denn leider haben die „Freunde des Zusammenhalts“ nicht vor, die zusätzlichen Einnahmen in ETFs zu investieren – oder in andere nachhaltige Formen der Geldanlage. Ihr Motto ist eher: „Man wird nur reich vom Geldausgeben.“ Es ist eine der klassischen Vorstellungen aus der Alchemie, dass sich eine Materie verwandeln lasse, wenn man nur das richtige Rezept kenne. Strukturpolitik übernimmt die Rolle des Steins der Weisen, mit dem man Gold und Silber hervorbringen kann. Doch wie in den Studierstuben mittelalterlicher Zauberer wird dieses Geld zu Verpuffungen und gescheiterten Experimenten führen.

Staatsausgaben und Wirtschaftswachstum haben nichts miteinander zu tun

Warum sind Länder wie Dänemark, die Niederlande oder Irland denn so gut dran im Vergleich zu den Ländern, die von der EU gerne den Stein der Weisen hätten? Ist es wirklich das Geld? Ja!, sagen die einen, denn Dänemark, Schweden und Österreich nehmen in der europäischen Liste der Staatsquoten Spitzenplätze ein. Der Abstand zu Griechenland oder Ungarn ist freilich nicht weit. Die Niederlande sind solides Mittelfeld. Und Irland? Irlands Staatsquote liegt bei 25 Prozent – das ist halb so viel wie Dänemark. Stellen wir doch einmal die Daten einiger EU-Staaten (alle Zahlen von 2018) einander gegenüber, um festzustellen, was für ein wildes Durcheinander da herrscht:

Land Staatsquote pro-Kopf-Einkommen* Wirtschaftswachstum
Frankreich 56,4% 32.100 € 1,5%
Finnland 53,7% 42.490 € 2,4%
Belgien 52,1% 35.700 € 1,4%
Italien 48,4% 29.500 € 0,8%
Griechenland 47,3% 21.000 € 2,0%
Niederlande 42,1% 39.900 € 2,5%
Tschechien 40,7% 28.000 € 2,9%
Lettland 38,5% 21.700 € 4,7%
Irland 25,4% 57.800 € 6,8%
*kaufkraftbereinigt

Quellen: OECD (Staatsquote), Eurostat/Wikipedia (Pro-Kopf-Einkommen), IMF (Wirtschaftswachstum)

Wir brauchen „Freunde des Vertrauens“

Nochmal: Ist es wirklich das Geld? Nein! Die Idee, dass mehr Geld zu mehr Wohlstand führt, ist Unsinn. Die Tochter der Schwäbischen Hausfrau weiß: man muss sich genau überlegen, wo man das Geld anlegt. Wohlstand entsteht in Ländern wie den Niederlanden, Tschechien oder Irland nicht dadurch, dass da Strukturpolitik betrieben würde. Wohlstand entsteht durch Unternehmergeist, rechtstaatliche Institutionen, Flexibilität, finanzielle Ressourcen in privater Hand, regulatorische Zurückhaltung, politische Stabilität, gesellschaftliches Vertrauen, Bildung …

Der ökonomischen Dynamik in der Europäischen Union wäre sehr gedient, wenn sich die „Freunde des Zusammenhalts“ auflösen würden. Stattdessen könnte man die „Freunde des Vertrauens“ ins Leben rufen. Denn all die oben genannten Faktoren haben mit Vertrauen zu tun – vor allem mit Vertrauen in die Fähigkeiten der Bürger. Gerade Länder wie Irland, das Baltikum oder Portugal, die sich durch schwere Krisen hindurch gekämpft haben, können davon ein Lied singen: Geld ist nicht die Lösung. Die unternehmerischen Kräfte der Individuen freizusetzen ist die Lösung!

Photo: Sol Octobris from Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, Fabian Kurz, Doktorand der Volkswirtschaftslehre, und Felix Gillmair.

Der Traum von einem funktionierenden Sozialismus spukt noch heute in so manchen Köpfen herum. Das gilt auch für einige Personen in Deutschland, obwohl das ungewollte „deutsche Teilungsexperiment“ eindrücklich gezeigt hat, dass bei ähnlichen wirtschaftlichen Startbedingungen, ähnlicher Kultur, gleicher Sprache etc. ein System zu Wohlstand und Freiheit geführt hat und das andere zu politischer Verfolgung und geringem Wohlstand.

Die DDR-Führung präsentierte stets gute Wirtschaftszahlen und wähnte sich unter den TOP 10 der weltweiten Wirtschaftsmächte. Die tatsächliche Leistungsfähigkeit der DDR-Wirtschaft wurde spätestens mit der Wende offenbar: Sie lag deutlich unter der propagierten. Auch im Westen wurde die DDR-Wirtschaft lange überschätzt. Inzwischen gibt es zahlreiche Untersuchungen, die das Bruttoinlandsprodukt der DDR schätzen. Selbst die optimistischsten unter ihnen sehen die DDR weit hinter der BRD. Die gute Nachricht: Nach der Wiedervereinigung hat sich die Situation auf dem ehemaligen Gebiet der DDR deutlich verbessert.

DDR vs. BRD

Gemäß einer Studie aus dem Jahr 2009 lag das BIP pro Kopf in der DDR im Jahr 1989 gut 56 Prozent unter dem westdeutschen. Gemäß dieser Schätzung konnte die DDR im Vergleich zu 1950 den relativen Abstand verringern. Diese Studie gehört allerdings zu den optimistischsten Berechnungen des BIPs der DDR.

Sehr unterschiedliche Schätzungen für die DDR

Die Schätzung des Bruttoinlandsprodukts der DDR, also dem Marktwert aller innerhalb eines Jahres hergestellten Produkte und Dienstleistungen, ist schwierig. In der DDR gab es keine Marktpreise, nur politisch festgelegte Preise. Daher nutzen viele Studien Preise aus Westdeutschland, um den Marktwert der Güter in der DDR zu ermitteln. Dies ist natürlich nicht unproblematisch. Zum einen spiegeln westdeutsche Preise nicht unbedingt die Knappheitsverhältnisse der Güter in der DDR wider. Zum anderen ist es schwierig Qualitätsunterschiede zu berücksichtigen. So hatte ein durchschnittliches Auto in der DDR gewiss eine andere Qualität als ein Auto aus Westdeutschland.

Die Bandbreite der Schätzungen ist hoch. Die oben erwähnte optimistische Studie aus dem Jahr 2009 geht davon aus, dass sich das BIP der DDR seit 1950 real um über 450 Prozent erhöht hat. Die pessimistischste Studie geht von einem realen Wachstum von nur gut 78 Prozent aus. Weitere Ergebnisse anderer Studien liegen zwischen diesen beiden Werten. Trotz der großen Variation ist die Wohlstandslücke zum Westen zur Wende unbestritten.

Ostblock macht auf „dicke Hose“ und der Westen glaubt(e) es

Die DDR zeigt bei den offiziellen Wirtschaftszahlen ein typisches Bild von Diktaturen. Staaten mit nicht-demokratisch gewählten Regierungen neigen dazu, bei der wirtschaftlichen Leistung des eigenen Landes zu übertreiben. Durchschnittlich geben autokratisch regierte Länder ihr wirtschaftliches Wachstum mit 15 bis 30 Prozent zu hoch an. Auch die DDR fälschte im Zuge der staatlichen Propaganda ihre Statistik massiv. So wuchs gemäß den amtlichen Zahlen des Regimes das BIP pro Kopf in den Jahren 1979 bis 1989 durchschnittlich mit beeindruckenden 4,1 Prozent pro Jahr. Tatsächlich sind allerdings jährliche Wachstumsraten von 2,7 Prozent für diesen Zeitraum realistisch. Wird die versteckte Inflation durch Qualitätsminderung mit in Betracht gezogen, belief sich das Wachstum auf gerade einmal 0,5 statt der propagierten 4,1 Prozent.

Die Propaganda hat zumindest in Teilen auch im Westen gewirkt, wo das Wirtschaftswachstum der sozialistischen Länder tendenziell überschätzt und die Ineffizienz planwirtschaftlicher Strukturen somit unterschätzt wurde.

Unterschiedliche Startbedingungen?

Einige Autoren wie Heske (2009) führen den wirtschaftlichen Abstand zur Wende vor allem auf unterschiedliche Startbedingungen nach dem Krieg zurück und weniger auf die Ineffizienz der Planwirtschaft. Unterschiedliche Startbedingungen nach dem Krieg gab es unbestritten in Ost und West. Wie entscheidend diese Unterschiede waren und in welchem Umfang sie den Rückstand der DDR-Wirtschaft erklären können, ist allerdings umstritten. So argumentiert Ritschl (1995), dass die DDR gute Bedingungen für ihre Planwirtschaft vorgefunden hat, da sie auf die auf Autarkie ausgerichtete NS-Kriegswirtschaft aufbauen konnte.

Regelmäßig wird darauf hingewiesen, dass die DDR in einem größeren Umfang als die BRD Reparationsleistungen insbesondere in Form von Demontage leisten musste. Diese geringere Kapitalausstattung habe dazu geführt, dass die DDR-Wirtschaft nicht so leistungsfähig werden konnte wie die Westwirtschaft. Für sich genommen ist die Argumentation schlüssig. Doch entscheidend ist nicht die absolute Ausstattung mit Produktionsmitteln, sondern wie viel Kapital pro Kopf zur Verfügung steht. Die massive Bevölkerungsabwanderung in den Westen hat hinsichtlich der Pro-Kopf-Ausstattung mit Produktionskapital der Demontage entgegengewirkt. Pro Kopf stand deshalb der DDR-Wirtschaft anfangs nicht weniger Kapital zur Verfügung als Westdeutschland.

Schwächen der real existierenden Planwirtschaft

Der große Wohlstandsunterschied zwischen der sozialistischen DDR und der marktwirtschaftlich ausgerichteten BRD kann durch den Verweis auf die unterschiedliche Ausgangssituation nicht überzeugend erklärt werden. Vielmehr war der Systemunterschied entscheidend.

In der DDR wurde die Produktion von Gütern und die Bereitstellung von Dienstleistungen in Plänen von staatlichen Organen wie dem Ministerrat, der staatlichen Plankommission oder den Ministerien festgelegt. Die Erfüllung der Pläne lag im Zuständigkeitsbereich staatlicher Betriebe. Nach der 1972 durchgeführten Verstaatlichungskampagne blieben nur noch vereinzelt Betriebe in privater Hand. Staatliche Betriebe waren für 99,9 Prozent der industriellen Produktion verantwortlich und mussten die ihnen vorgelegten Produktionsziele erreichen, ohne Einfluss auf diese nehmen zu können.

In Abwesenheit privaten Eigentums an Produktionsmitteln konnten keine Marktpreise entstehen, welche die relative Knappheit der Produktionsmittel hätten verlässlich anzeigen können. Die staatlichen Betriebe waren bezüglich der relativen Knappheit ihrer Inputfaktoren gewissermaßen „blind“. Zudem gab es keine individuellen Eigentümer, die unter den durch einen ineffizienten Einsatz von Ressourcen entstehenden Verlusten litten. Es überrascht deshalb nicht, dass Ressourcen in der DDR deutlich weniger effizient eingesetzt wurden als in der BRD.

In einer Marktwirtschaft signalisieren Gewinne und Verluste fortlaufend, wie erfolgreich die individuellen Pläne eines Unternehmens sind. Marktpreise, die durch den Tausch von privaten Eigentumsrechten zustande kommen, spiegeln Informationen über die Knappheit von Produktionsmitteln und Gütern wider. In Reaktion auf Veränderungen der relativen Preise von Verbrauchsgütern und Produktionsmitteln werden Ressourcen tendenziell stets einer wertvolleren Verwendung zugeführt. So kann mit dem gleichen Ressourceneinsatz fortschreitend mehr produziert werden. Anders ausgedrückt: Ressourcen werden weniger stark verschwendet.

Die (wirtschaftliche) Wende

Die neuen marktwirtschaftlichen Regeln, die mit der Wende in den östlichen Bundesländern Einzug hielten, entfalteten zügig ihre Wirkung. Das BIP ist Osten holte auf. Für das Jahr 1991 lag das BIP pro Kopf im Osten bei 42,7 Prozent des Westniveaus. In den darauffolgenden Jahren kam es zu einem deutlichen Anstieg. So erreichte Ostdeutschland im Jahr 1996 bereits 67,5 Prozent des Westniveaus. Heute liegt das BIP pro Kopf in Ostdeutschland bei 74,7 Prozent des Westwerts. Seit der Wende ist das westdeutsche BIP pro Kopf real um über 30 Prozent gestiegen. Das BIP pro Kopf ist in Ostdeutschland im gleichen Zeitraum um über 100 Prozent gestiegen.

Das Ende der Geschichte?

Die DDR-Wirtschaft war, wie die der anderen Länder des Ostblocks, in einer deutlich schlechteren Verfassung als viele Fachleute aus dem Westen glaubten. Das Rennen „Marktwirtschaft gegen Planwirtschaft“ war mit dem Zusammenbruch des Ostblocks jedoch entschieden – so dachte man. Der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama sprach im Jahr 1992 vom „Ende der Geschichte“. Doch der Traum von einem funktionierenden Sozialismus spukt noch heute in so manchen Köpfen herum. Das gilt auch für einige Personen in Deutschland, obwohl das ungewollte „deutsche Teilungsexperiment“ eindrücklich gezeigt hat, dass bei ähnlichen wirtschaftlichen Startbedingungen, ähnlicher Kultur, gleicher Sprache etc. ein System zu Wohlstand und Freiheit geführt hat und das andere zu politischer Verfolgung und geringem Wohlstand.

Erstmals erschienen bei IREF.

Photo: Charl Durand from Unsplash (CC 0)

Was die Vermögensbildung betrifft, haben die Deutschen ein Trauma: Das Telekom-Trauma. 1996 privatisierte der Bund das Staatsunternehmen in mehreren Schritten. Begleitet wurde dies von einer breiten Werbekampagne, deren Gesicht der Schauspieler Manfred Krug war. Krug war populär und spielte in der ARD-Serie „Liebling Kreuzberg“ über viele Jahre einen schnoddrigen Berliner Anwalt.

Die T-Aktie sollte zu einer Volksaktie werden, die die Deutschen endlich vom unrentierlichen Sparbuch abbringen sollte. „Die Telekom geht jetzt an die Börse. Da geh‘ ich mit!“, war der griffige Slogan. Mit umgerechnet 14,57 Euro startete der Kurs am 18. November 1996. Im März 2000 lag er bei 102,80 Euro, um dann nach dem Platzen der Dotcom-Blase und der Finanzkrise auf unter 8 Euro abzustürzen. Seitdem spielt die Aktie bei vielen Kleinanlegern und Altersvorsorgesparern keine Rolle mehr. Trotz der Tatsache, dass sich der Kurs der Telekom-Aktie seitdem wieder mehr als verdoppelt hat. Er liegt aktuell bei 16,55 Euro (19.02.2020).

Sicher gibt und gab es in Deutschland bessere Aktien als die Deutsche Telekom. Aber auch die Telekom hat sich für die Anleger gerechnet, die nicht einmalig auf ein Pferd gesetzt, sondern dies regelmäßig getan haben. Wer seit dem Börsengang der Telekom jedes Jahr 1.000 Euro investiert hat, konnte Ende letzten Jahres ein Vermögen von 38.480 Euro in seinem Depot verwahren. Dies entspricht einer jährlichen Kurs-Rendite von 3,9 Prozent. Hinzu kommt eine Dividendenrendite, die im Durchschnitt bei 4 Prozent lag. Zusammen haben Anleger, die regelmäßig und langfristig in die T-Aktien investiert haben, im Durchschnitt also 7,9 Prozent pro Jahr erzielt. Das ist nicht schlecht für eine Volksaktie, die im Langzeitgedächtnis der Deutschen ein so schlechtes Image hat.

Heute halten nicht einmal 20 Prozent der Bürger in Deutschland Aktien oder Fonds. Dabei ist die Aktie langfristig die mit Abstand erfolgreichste Anlageklasse. Wer in den letzten 20 Jahren regelmäßig in den Deutschen Aktienindex investiert hat, konnte eine durchschnittliche Rendite von 8,8 Prozent pro Jahr erzielen. Ein Sparer, der seit 1977 jeden Monat 25 Euro in einen Investmentfonds einzahlt, der den Deutschen Aktien Index abbildet, hätte bei einer für diesen Zeitraum durchschnittlichen Rendite von 8,3 Prozent ein angespartes Vermögen von 103.000 erzielt. Wer es im langfristigen Durchschnitt zu einem Prozent aufs Sparbuch legt, hätte 15.650 Euro (also 87.350 Euro weniger) erzielt. Und auch eine Lebensversicherung, die vielleicht im Durchschnitt die Beiträge mit 3 Prozent verzinst, käme lediglich auf 25.200 Euro (77.800 Euro weniger).

Wer sich heute auf die gesetzliche Rente verlässt, akzeptiert die Armut im Alter – Grundrente hin oder her. Wer aber die Möglichkeit hat, regelmäßig zu sparen, dem droht ebenfalls die Altersarmut, wenn er falsch spart. Wer nämlich in die Schulden des Staates investiert, der spart falsch. Denn diese Schulden werden auch künftig keine oder nur eine geringe Verzinsung abwerfen.

Wichtig ist, sich von dem Irrglauben zu lösen, dass sich der Vermögensaufbau statisch entwickelt und man sich dabei auf den Staat verlassen kann. Menschliches Handeln ist der Ursprung von Veränderung. Es ist jenseits der menschlichen Macht, sie zu stoppen und ein Zeitalter der Stabilität herbeizuführen, in dem die ganze Geschichte zum Stillstand kommt. Es liegt in der Natur der Menschen, nach Verbesserungen zu streben, neue Ideen zu erdenken und die Bedingungen seines Lebens nach diesen Vorstellungen zu ordnen. Dieses System nennen wir Marktwirtschaft. Wer dagegen sein Geld in Schuldverschreibungen des Staates anlegt, der vergöttert den Staat, der einem väterlich Hilfe verspricht, aber langfristig versagt. Denn der Staat kann keine höhere Verzinsung oder Rendite bieten als es der Markt kann. Seine Minderleistung rechtfertigt der Staat mit seiner fast unbegrenzten Kreditwürdigkeit als Schuldner. Doch diese Illusion gilt es zu überwinden: Denn der Markt mag volatil sein und seine Launen haben – er hat aber auch seine Dynamiken, die langfristig nach oben zielen. Die Statik des Staates dagegen wirkt zwar bodenständig und stabil, ist aber vor allem zäh und bisweilen näher am Treibsand als am Granit.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: K. Mitch Hodge from Unsplash (CC 0)

Das britische Fernsehprogramm ist von Nachrichten über Dokumentationen bis hin zu Spielfilmen und Serien sehr viel besser als die hiesigen Öffentlich-rechtlichen. Mit einer geplanten Reform könnte die BBC wieder einmal zeigen, dass sie es besser können. Ausgerechnet jetzt, wo uns die nächste Gebührenerhöhung in Aussicht gestellt wird …

Vor ziemlich genau drei Wochen führte der britische Premierminister Boris Johnson das Vereinigte Königreich aus der EU. Wer erwartete, dass sich der konservative Premier mit seiner Regierung nach Vollzug nun mit Breakfast-Tea und Sandwiches hinter die Tür von 10 Downing Street zurückziehen würde, sieht sich getäuscht. Denn eine ganze Reihe an Projekten stehen schon vor besagter schwarzer Tür: unter anderem die Reform der zwangsfinanzierten öffentlichen Rundfunkanstalt BBC hin zu einem Abo-System.

BBC – vom „Tantchen“ zum Inbegriff politischer Spaltung  

Die 1922 gegründete British Broadcasting Corporation (BBC) wurde über Jahrzehnte hinweg von den Briten nur liebevoll „Tantchen“ („Auntie“) genannt. Diese Zeiten der Beliebtheit sind vorbei. Denn in den vergangenen Jahren der polarisierenden Debatte zwischen Befürwortern und Gegnern des Brexits geriet die traditionsreiche Rundfunkanstalt immer stärker zwischen die Fronten. Obwohl die BBC zur Ausgewogenheit verpflichtet ist, machte es sie keiner Strömung recht und verärgerte Fans und Gegner der Trennung von der EU gleichermaßen. Egal, wie zufrieden man mit der BBC ist, die Rundfunkgebühr von momentan 154,50 Pfund (183 €) im Jahr wird trotzdem von jedem verlangt, der einen Fernseher besitzt – unter Androhung von hohen Geld- oder gar Haftstrafen. Im Laufe dieser Woche wurde nun bekannt, dass die Regierung um Premierminister Johnson diese Regelung für überkommen hält. Die Regierung schlägt vor, in einem ersten Schritt die Nicht-Zahlung der Rundfunkgebühr zu entkriminalisieren und bis zum nächsten Vertrag mit der BBC im Jahr 2027 die Zwangsabgabe komplett entfallen zu lassen. Stattdessen soll sie durch ein Abonnement-System ersetzt werden, das von interessierten Bürgern freiwillig abgeschlossen werden kann.

Nach Jahren der polarisierenden Debatten, die auch über das BBC ausgetragen wurden, wäre die Umwandlung in ein Abo-Modell eine zeitgemäße Reform und vielmehr noch ein Mittel gegen die Spaltung der Gesellschaft – nicht nur im Vereinigten Königreich sondern auch in Deutschland.

Ein Zwangsbeitrag spaltet durch soziale Ungerechtigkeit

Viel wird über die politische Spaltkraft in den Inhalten des „Öffentlichen“ gestritten, aber die sozial-ökonomische Dimension der Rundfunkgebühren wird vernachlässigt. Denn diese spaltet durch soziale Ungerechtigkeit. Anders als das progressive Steuersystem im Vereinigten Königreich und Deutschland, das die Vermögenden mehr zur Kasse bittet als die Ärmeren, wirkt die Gebührenordnung in beiden Ländern relativ regressiv. Zwar müssen alle Bürger gleich viel für ihren Rundfunk zahlen – in Großbritannien umgerechnet 183 € und in Deutschland 210 € -, doch wird der Geringverdiener dadurch natürlich massiv höher belastet als der Gutverdiener. So können sich die Wohlhabenden die Rundfunkgebühren aus der Portokasse leisten, während 20 Euro am Ende des Monats für den Geringverdiener den Unterschied zwischen roten und schwarzen Zahlen auf dem Kontoauszug bedeuten können. Wenn nun beide Gruppen auch noch die Möglichkeit haben, sich News aus dem Internet, Spielfilme bei Netflix und Sportübertragungen bei Dazn für einen Bruchteil des Preises zu sichern, wächst insbesondere bei den Geringverdienern zu Recht der Unmut.

Kritischer Journalismus statt politischer Positionierung

Doch natürlich spielt nicht nur das Geld, sondern auch die Inhalte eine Rolle: immer wieder geht es darum, ob der Rundfunk zu links, auf dem rechten Auge blind oder zu neoliberal ist. Deshalb solle der Rundfunk nun endlich mal korrigiert werden: Wir bräuchten mehr konservative Kommentatoren und Inhalte, sagen die einen. Mehr linke, sagen die anderen. Doch genau diese Debatte um linke oder rechte Inhalte in einem journalistischen Medium wie dem öffentlichen Rundfunk treibt die Spaltung voran. Denn das hehre Ziel des Journalismus sollte nicht sein, links oder rechts zu sein oder gar zu versuchen, die andere Seite des politischen Diskurses auszustechen. Journalismus sollte der kritischen Perspektive verpflichtet sein. Dazu gehört es, Fragen zu stellen, die Mächtigen unserer Gesellschaft kritisch zu begleiten und sich nicht mit politischen Interessen gemein zu machen. All das mag den Journalisten bei BBC und ARD auch ein Anliegen sein. Doch werden sie sich den Vorwürfen der Parteilichkeit nie erwehren können solange sie durch Zwang finanziert werden und politische Rundfunkräte im Hintergrund Entscheidungen treffen.

Der Vorwurf der „Systempresse“ verliert seine Kraft

Wird der öffentliche Rundfunk auf ein Abo-Modell umgestellt, können sich die Journalisten aus der Schlinge dieser Vorwürfe endlich befreien. Sie würden im Diensten derjenigen Bürger stehen, die sich auf die Qualität des öffentlichen Rundfunks verlassen und freiwillig dafür zahlen. Wem die Berichte dann doch zu links oder rechts sind, kann sich immer noch dagegen entscheiden und sich ein anderes Programm suchen. Der Vorwurf der „Systempresse“ verliert seine Kraft.

Die geplante Umstellung des BBC auf ein Abo-Modell, das auch für Deutschland wünschenswert wäre, wird die polarisierte Stimmung in unseren Ländern nicht auf einen Schlag ändern. Doch hätten wir die Chance, Gründe für Unzufriedenheit auf der linken und rechten Seite zu beseitigen, wenn wir die soziale und inhaltliche Spaltkraft eines zwangsfinanzierten Modells identifizieren und durch ein Abo-Modell beseitigen.