Photo: Univaded Fox from Flicker (PDM 1.0 DEED)

Der demokratische Staat bevorteilt kleine Interessengruppen. Deshalb sollten gerade diejenigen, denen die Armen am Herzen liegen, eine größere Staatsskepsis an den Tag legen.

Es ist ein schmaler Grat zwischen gesunder Staatsskepsis und abgedrehtem Außenseitertum. „Steuern sind Diebstahl!“ zitieren radikale Libertäre gern den Vordenker der anarchokapitalistischen Bewegung Murray Rothbard. Doch wie weit bringt sie die häufig überheblich vorgetragene Abwertung aller Staatlichkeit? Im Wettbewerb der Ideen erzeugen „Ancaps“ im besten Fall nachsichtiges Achselzucken. Dabei wäre eine maßvolle Staatsskepsis gerade das Gebot der Stunde. Und sie sollte endlich einmal nicht von den üblichen Verdächtigen vorgetragen werden. Viel mehr als der Feind des Porschefahrers ist der Staat nämlich ein Verräter an den Armen einer Gesellschaft. Sie lässt der Staat links liegen und gibt sich dabei noch den Anschein der sozialen Gerechtigkeit. Gerade die Linke, die sich traditionell als Vertreterin der Benachteiligten sieht, sollte deshalb aufhören, mit dem Staat zu kuscheln, und zurückkehren zu ihren anarchischen Wurzeln. Getreu dem Arbeiterkampflied „Die Internationale“ von 1871: „Es rettet uns kein höh’res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun“.

Nicht Robin Hood, nicht Stationary Bandit …

Linke glauben gerne, der moderne Staat wäre eine Art Robin Hood. Eine gerechte Umverteilungsmaschinerie, die den Reichen nimmt, um den Armen zu geben. Ein von Gutmeinenden in die rechte Richtung gesteuerter sanfter Leviathan. Es ist vermutlich der klügste Schachzug von Konservativen seit Bismarck, sie in diesem Glauben zu bestärken. Um den wahren Charakter des Staates zu erkunden, lohnt ein Blick in das umfangreiche Werk des Amerikanischen Ökonomen und Sozialwissenschaftlers Mancur Olson.

Auf der Suche nach einer schematischen Begründung für die Entstehung von Staaten, beschreib Olson die Phänomene von „roving and stationary bandits“, also umherziehenden und sesshaften Räubern. In einer anarchischen Welt, in der das Recht des Stärkeren gilt, zögen roving bandits durchs Land , um aus der wehrlosen Bevölkerung so viel wie möglich an Gütern zu extrahieren. Dieser Naturzustand halte so lange an, bis ein roving bandit sesshaft und zu einem stationary bandit werde. Als solcher, hätte er nicht nur ein egoistisches Motiv, „seine“ Bevölkerung am Leben zu lassen und vor anderen roving bandits zu schützen. Er stelle gar elementare öffentliche Güter bereit, um die Produktivität und damit das Steueraufkommen seiner Bevölkerung zu steigern. Auf diese Weise werde der Weg in die Zivilisation geebnet.

Alles Räuber? Also sind Steuern doch Diebstahl?

In von Autokraten und Despoten, sprich stationary bandits, regierten Ländern ist Diebstahl an der Bevölkerung tatsächlich eine treffende Beschreibung der Staatsordnung. Man führe sich nur den aberwitzigen Reichtum der Putins und Kim Jong Uns dieser Welt vor Augen. Doch glücklicherweise leben wir in einer gefestigten und von den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung geleiteten Demokratie. Eine Staatsordnung, die, wenn sie nicht nur zum Schein besteht, Eigentumsrechte effektiv schützt und Bereicherung im Amt nahezu ausschließt. Olson sieht deshalb den demokratischen Staat nicht nur aufgrund seiner bürgerrechtlichen Vorteile jedem autokratischen System gegenüber überlegen, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht. Diese Fragen wurden auch nach seinem frühen Ableben im Jahr 1998 weiter akademisch diskutiert, zum Beispiel in den eindrucksvollen Forschungen des Ökonomen Daron Acemoglu.

… sondern Spielball kleiner Interessengruppen

Wie lässt sich dann also gesunde Staatsskepsis begründen – oder gar als Gebot der Stunde fordern? Werfen wir einen Blick in Olsons Hauptwerk: In „Die Logik des kollektiven Handelns“ zeigt er, warum kleine Interessengruppen größeren an Wirkungsmacht deutlich überlegen sind. Je größer die Interessengruppe, desto größer ist auch der Anreiz zum Trittbrettfahren, will heißen, dass das Individuum nichts beiträgt, aber gleichzeitig mit abkassiert. Zudem sind Trittbrettfahrer in großen Gruppen weitaus weniger sichtbar, größere Gruppen haben höhere Organisationskosten als kleine und erzeugen für den einzelnen weniger Mehrwert. Olson stellt deshalb fest, dass in einer Demokratie nicht die Tyrannei der Mehrheit die große Gefahr sei, sondern diejenige der gut organisierten Partikularinteressen.

Und das kann Anlass geben für eine gesunde Staatsskepsis in Deutschland. Nicht weil der Staat etwa von Natur aus böse sei oder seine Bürger ausraube. Nein: das Problem ist, dass das stetig größer werdende demokratische Staatswessen kleinsten Interessengruppen überbordende Macht gibt.

Der Staat ist nicht der Freund Armen, sondern der Wunderlichen

„Die Armen“ sind deshalb in einer besonders schlechten Position in einem ausufernden demokratischen Staatswesen. Wenn Deutschland auch ein reiches Land ist, gibt es trotzdem ein erhebliches Maß an Menschen in prekären Situationen. Ganz zu schweigen von den fehlenden Ressourcen ist das Trittbrettfahrer- und das Organisationsproblem gigantisch. Ganz anders bei den Kleinen und Wunderlichen. Da ist beispielsweise der Bauernverband, der bisher erfolgreich das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Lateinamerika ausbremst und damit den Import von günstigerem Fleisch verhindert. Oder der Apothekerverband, der mit Zähnen und Klauen die Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente verteidigt, und damit den Verbraucher vor „ruinösem Wettbewerb“ schützt. Der „Verband klassischer Homöopathen Deutschlands“ hat es sogar zuwege gebracht, dass komplett wirkunglsose kleine Zuckerkügelchen von den Krankenkassen als Arzneimittel bezahlt werden – auf Kosten der Sozialversicherungszahler. Diese Liste lässt sich beliebig weiterführen: Der Aufstand der Taxis gegen den günstigen Fahrdienstleister Uber, die als „Industriepolitik“ getarnte Milliardensubventionierung großer Konzerne, die schleichende Enteignung der Kleinsparer durch die Inflations- und Schuldenpolitik … Fast immer schützen effektive Kleingruppen ihre Interessen auf Kosten derer, die es sich am wenigsten leisten können.

Das einzige wirkungsvolle Mittel gegen die Tyrannei der Wunderlichen ist es, Staatshandeln substantiell einzuschränken. Es braucht das Bewusstsein, dass jede Regulierung auch einen Profiteur hat und dass dieser, anders als öffentlich dargestellt, in der Regel nicht „der Verbraucher“ oder „Otto Normalbürger“ ist. Der Staat und sein Handeln verdienen unsere Skepsis. Nicht weil wir ihn ablehnen, sondern weil er einigen wenigen zu viel Macht gibt.

Photo: Wikimedia Commons (CC 0)

Immobilienblasen, Kreditflut, Überhitzung und ein paar externe Schocks. Der „Gründerkrach“ 1873 führte zu einer längeren Phase der Stagnation. Viel dramatischer als die wirtschaftlichen waren aber die politischen Folgen. Die Parallelen zu heute sind fast gespenstisch.

Morgen ließ nicht mehr hoffen

Am „Schwarzen Freitag“, dem 9. Mai 1873 kam die gewaltige Wiener Börse ins Rutschen: 120 von 141 österreichischen Banken gingen an diesem Tag Pleite. Die Schockwellen überquerten den Atlantik, wo Ende September die New Yorker Börse für über eine Woche schließen musste. Und als im Oktober 1873, also ziemlich genau vor 150 Jahren, die Quistorp’sche Vereinsbank in Berlin Insolvenz anmelden musste, wurde es auch für deutsche Anleger und Unternehmen sehr ungemütlich. Das gigantische Wirtschaftswachstum wurde massiv ausgebremst, das durch die Gründung des Norddeutschen Bundes 1867 und des Deutschen Reiches 1871 in Gang gebracht worden war; durch eine liberale Zollpolitik und laissez-faire-Kapitalismus; durch eine globale Boomphase – und auch durch den Zustrom der gigantischen französischen „Reparationen“ von 1.450 Tonnen Feingold.

Auf den Gründerkrach folgten Jahre der Stagnation. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch mental. Wie der Historiker Lothar Gall in seinem Buch „Bismarck. Der weiße Revolutionär“ beschreibt, „begannen jene, die etwas zu verlieren hatten, am Bestehenden, an dem festzuhalten, was vielen gestern noch als eine bloße, rasch zu durchschreitende Durchgangsstation auf dem Weg in eine glänzende Zukunft gegolten hatte.“ Tatsächlich endete eine Epoche freudiger Erregung auf das Morgen. Es endete eine Epoche, in der über mehrere Jahrzehnte hinweg ganz Europa ein wachsendes Freihandelsregime gesehen hatte. Und es endete eine Epoche, in der das freie Spiel der Individuen das bestimmende Paradigma war.

Deutschtümelnde Lobbyisten

Sowohl die maßgeblichen Politiker als auch die Bevölkerung reagierten wie es oft in Krisenzeiten passiert: indem sie sich den sicheren, beherrsch- und überschaubaren Lösungen zuwandten anstatt mutige Reformen in den Blick zu nehmen. So kam es bald zu einer umfassenden Wende in der Handelspolitik. Die heimische Wirtschaft sollte gestärkt werden und unabhängig gemacht von den Einflüssen fremder Akteure wie global tätigen Spekulanten und Börsen. Das führte zwar zu höheren Preisen: so lag etwa der Preis für Getreideprodukte um 1900 bei 130 Prozent des Weltmarktpreises. Doch diese Entwicklung wurde durch die richtigen Narrative bei Weitem überdeckt. Gemeinsam mit der Entdeckung des Deutschtums hielten Bilder von Ähren sammelnden Germanen Einzug in die öffentliche Wahrnehmungsarena. In Dichtung und Lied wurde die Bilderwelt der Romantik aufgewärmt und poliert, und Natur, Heimaterde und gesunde Volkeskraft bestimmten das Selbstverständnis. „Aus Deiner Region“ trug damals nicht Birkenstock, sondern Pickelhaube, erzeugte aber ähnliches Wohlempfinden.

Wie so häufig waren diese Erzählungen die ideale Deckung für knallharten Lobbyismus. Es war ein perfektes Match. Industriemagnaten und ostelbische Junker schwangen sich auf die Antiglobalisierungswellen. Nicht nur die neu eingeführten Schutzzölle kamen ihnen zugute. Vereinigungen wie der Centralverband Deutscher Industrieller lobbyierten für einen bunten Strauß interventionistischer Gefälligkeiten. Ins Gewand der neuen deutschen Größe gehüllt präsentierte man die partikulare Interessenpolitik jetzt als Wohltat für Volk und Vaterland, als Booster nationaler Schlagkraft. Zusammenstehen war jetzt mehr angesagt als Wettbewerb; Kongruenz statt Konkurrenz. So begann die Hochphase von Kartellbildung und Korporatismus im Kaiserreich, die zu einer toxischen Mischung werden sollte, die entsetzlichen Entwicklungen den Boden bereitete.

Die Sündenböcke: Juden, Sozialisten und Liberale

Der schmerzhafte Crash konnte in der Situation selbst nur von wenigen als die erwartbare Konsequenz einer Überhitzung begriffen werden. Frust und oft auch Verzweiflung der unmittelbar Betroffenen suchte sich Sündenböcke. Am härtesten traf es „die Juden“. Antijudaistische Stereotypen vieler Jahrhunderte wurden zunehmend zu antisemitischer Hetze verschärft. „Die Juden sind unser Unglück“ schillerte in den verschiedensten Farben: Spekulanten, heimatlose Globalisten und finstere Gesellen mit undurchschaubaren Absichten. Aber auch die „Sozialisten“ bekamen ihr Fett ab mit der nach ihnen benannten Gesetzgebung. Auch wenn die wohl kaum an der Entstehung von Kreditblasen beteiligt waren, nutzten Bismarck und seine Verbündeten die Gunst der Stunde, dass viele im Land Angst und Wut zum Kanalisieren vorrätig hatten.

Schließlich kam auch der Liberalismus in Deutschland in jenen Jahren so vor die Hunde, dass er sich bis heute noch nicht wieder wirklich erholt hat. In der Zeit nach dem Scheitern der Revolution von 1848 hatte sich nämlich in Deutschland eine intellektuell höchst fruchtbare und lebendige liberale Szene gebildet. Publizisten wie Max Stirner und Julius Faucher trugen bei zur Entstehung des Individualanarchismus und erreichten mit ihren Zeitschriften ein breites Publikum. Unternehmer nutzten den freien Markt nicht nur, sie verstanden und begrüßten ihn. Visionäre Köpfe wie Hermann Schulze-Delitzsch und Franz Duncker machten durch Genossenschaften und freie Gewerkschaften Selbstorganisation zum Standard gesellschaftlicher Problemlösung. Und eine muntere Truppe von glühenden Anhängern des Freihandels mischte sowohl die volkswirtschaftliche als auch die parteipolitische Szene gehörig auf.

Die Leidenschaft für die Freiheit hatte keinen Platz mehr

Die nach dem Gründerkrach um sich greifende gesellschaftliche Panik ebenso wie die Verlockungen der Macht rissen diese liberale Bewegung in viele Stücke auseinander. Manchesterliberalismus wurde zum Kampfbegriff. Liberale Parteien zerstritten sich bitterlich und spalteten sich in regelmäßigen Abständen. Unter Führung von Bismarck wurden Organisationen der eigenständigen und kollaborativen Selbsthilfe, die von liberalen und sozialdemokratischen Aktivisten über lange Zeit aufgebaut worden waren, verstaatlicht. An die Stelle des unternehmerischen Ethos in jeder gesellschaftlichen Schicht trat eine nervöse Überideologisierung, die sich an antisemitischen und anderen Verschwörungstheorien weidete, und Etatismus, Nationalismus und Militarismus in die Köpfe und Herzen einziehen ließ. Das liberale Argument und die Leidenschaft für die Freiheit hatten keinen Platz mehr in diesem Deutschland.

Der Gründerkrach und seine politischen Folgen sind eine bleibende Mahnung an Liberale in Deutschland, ganz besonders in zweierlei Hinsicht: Erstens zeigt diese Episode, wie ungeheuer wichtig es ist, intellektuell vorbereitet zu sein für Krisenzeiten. Man muss in der Lage sein, eine Krise zu erklären und Auswege aufzuzeigen, sonst überlässt man den Verschwörungstheoretikern und den rechten oder linken Ideologen dieses Feld. Und man muss zweitens Kurs halten. Denn die Spaltung der Liberalen und damit ihre Marginalisierung im öffentlichen Raum hatte auch damit zu tun, dass viele dachten, durch Zugeständnisse an die Konservativen und Bismarck etwas von dem retten zu können, was ihnen so lieb war. Womöglich wäre ihnen das eher gelungen, wenn sie für ihre Ideale standfest eingestanden wären. Stattdessen machten sich viele zu Steigbügelhaltern einer zutiefst illiberalen Politik, die katastrophale Folgen zeitigte. Das muss uns eine eindringliche Warnung sein.

Zur vertieften Lektüre empfehlen sich von Fritz Stern „Das Scheitern illiberaler Politik. Studien zur politischen Kultur Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert“, von Lothar Gall „Bismarck. Der weiße Revolutionär“, von Sebastian Haffner „Von Bismarck zu Hitler“ sowie von Ralph Raico „Die Partei der Freiheit. Studien zur Geschichte des deutschen Liberalismus“.

Von Benjamin Scherp, Praktikant von August bis Oktober 2023, Student der Politikwissenschaft und freier Mitarbeiter beim Göttinger Tageblatt.

Zwei Tage voller Input von liberalen Überzeugungstätern aus Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Journalismus liegen nach der zweiten Auflage des Open Summit am 29. und 30. September hinter uns. Rund 170 begeisterte junge Menschen ließen sich von dem vielfältigen Geist der Freiheit durch die Berliner Humboldt-Universität treiben.

Der Open Summit hat gezeigt, dass auch freiheitliche Ideen und der Liberalismus anstecken können, und sich viele Menschen für diese Geisteswelt begeistern. Für die Referenten, Panel-Teilnehmern und auch unser Team lag der Fokus ganz auf Lösungsansätzen und dem Do It Yourself-Ethos statt auf Schwarzmalen und Weltuntergangsstimmung.

Unterschiedlichste Personen, langjährige Freunde der Heimat der Freiheit aber auch viele interessierte neue liberale Sympathisanten, hatten beim Open Summit jedoch nicht nur die Möglichkeit, vielfältigen freiheitlichen Input von Experten zu bekommen. Für die Teilnehmer war es auch die Möglichkeit, sich mit anderen freiheitlichen Geistern zu vernetzen. Die zweite Auflage des Open Summit war damit ein wichtiges Zeichen für die vielen jungen liberalen Köpfe und Herzen, dass sie nicht allein sind.

Der Freitagabend stand ganz im Zeichen des „Entrepreneuership“. Als Keynote-Speaker und Moderator des Abends konnten wir mit Sam Bowman den Mitgründer des Online-Magazins Works in Progress gewinnen. Sam führte nach seiner Rede durch die Podiumsdiskussion zum Thema des Abends. Die Panel-Teilnehmer stellten ihre Unternehmen vor, die kaum unterschiedlicher hätten sein könnten, aber eines gemeinsam haben: Sie wollen die Welt mit ihren Ideen ein Stück besser machen. Mariana de la Roche präsentierte die IOTA Foundation, welche sich auf Blockchain spezialisiert. Oscar Zollmann Thomas stellte Formo vor, ein Unternehmen, das Käse aus Mikroorganismen entwickelt. Mit Opinary arbeitet Cornelius Frey an Abstimmungstools für Websites. Nach den Vorstellungen gab es noch genug Zeit für die Gäste, sich untereinander zu vernetzen und sich bei einem kalten Getränk näher kennenzulernen.

Früh am Samstagmorgen wurde der Tag des prall gefüllten Hauptprogramms bei Kaffee und Frühstückshäppchen eingeläutet. Nachdem Florian A. Hartjen und Clemens Schneider den Tag eröffneten, begann das erste Panel des Tages. Moderiert von Harrison Griffiths sprachen Salpi Özgür, Leiterin der Freedom and Citizenship Association aus der Türkei, und Zoltan Kesz, ehemaliger ungarischer Parlamentarier, über Probleme der offenen Gesellschaft in ihren Heimatländern.

Im Anschluss folgten Workshops, welche die Möglichkeit boten, sich mit einer Vielfalt an Themen tiefergehend zu beschäftigen. Claudia Langer stellten das Projekt der „Imagine Foundation“ vor und erklärte, wie Einwanderung vernünftig und jenseits staatlicher Planung funktionieren kann. Philipp Neudert sprach in seinem Workshop über „The Dawn of Everything“ von David Graeber und David Wengrow, ihre Auffassung von Freiheit und die Auswirkungen auf liberales Denken und Politik. Cvetelina Todorova diskutierte mit den Teilnehmern über die Zukunft der Altersvorsorge und deren Kapitaldeckung.

Danach konnten die Teilnehmer wieder zwischen drei Workshops entscheiden. Jasmin Arbabian-Vogel adressierte gesundheitsökonomische Fragestellungen vor dem Hintergrund ihres eigenen Pflegeunternehmens. Handelsblatt-Journalistin Judith Henke diskutierte mit Interessierten über die Zukunft des Journalismus, und gemeinsam stellte man sich die Frage, warum dem Journalismus die liberalen Vorbilder fehlen. Zudem skizzierte Sam Bowman im Workshop „Rethinking Liberalism“ einige Themenbereiche, die freiheitlich gesinnte Menschen angehen müssen, um in Zukunft eine tragende Rolle zu spielen wie die Weiterentwicklung des städtischen Raums. Ein Kunst-Workshop, geleitet von Helena Bach, bot die Möglichkeit, die eigene Kreativität auszuloten.

In der Mittagspause ließen sich die Teilnehmer nicht nur syrische Spezialitäten vom Catering Aleppo Al Shahba schmecken, sie hatten zudem die Möglichkeit, an Infoständern mit den verschiedenen Partnern des Open Summit ins Gespräch zu kommen: mit unserem Gastgeber-Partner EPICENTER und dem Institute of Economic Affairs, mit der Liberale Hochschulgruppe (LHG), mit dem Ludwig Erhard Forum und mit den Jungen Transatlantikern.

Frisch gestärkt wurde der Nachmittag durch ein Gespräch unseres Kollegen Justus Enninga mit dem FAZ-Wirtschaftsredakteur Philipp Krohn eingeläutet. Im Fokus stand vor allem dessen Buch „Ökoliberal: Warum Nachhaltigkeit die Freiheit braucht“, welches in diesem Jahr erschienen ist. Unter dem Titel „Wachstum und Grenzen“ wurde jedoch auch über andere aktuelle Werke gesprochen, so zum Beispiel über „Das Ende des Kapitalismus“ der taz-Autorin Ulrike Herrmann.

In einem der letzten Workshops erklärte IT-Freelancer Martin Milbradt, der sich ehrenamtlich im Bereich des effektiven Altruismus engagiert, warum man beim Einsatz für andere Menschen immer im Blick behalten muss, dass man auch wirklich etwas erreicht und nicht nur das eigene Gefühl bedient. Philipp Hartmannsgruber nutzte seinen Workshop, um über den digitalen Euro und dessen Chancen und Risiken zu referieren. Und im Workshop „urbanism“ zeigte der Stadtforscher Stefano Cozzolino vom ILS–Forschungsinstitut für Landes- und Stadtentwicklung Dortmund, warum eine spontane Stadtplanung bei weitem die bessere Variante im Gegensatz zu einer staatlich orientierten Top Down-Strategie ist.

Nach einer Kaffeepause, in der erneut die Möglichkeit zu persönlichen Gesprächen mit Speakern und Teilnehmern bestand, bog der Summit auf die Zielgerade ein. John Tomasi ist für den Open Summit aus den USA zu uns gereist, um sein jüngstes Buch „The Individualists“ vorzustellen. Tomasi ist der Gründer der Heterodox Academy, die sich für Meinungsfreiheit in der Wissenschaft einsetzt. Der promovierte Philosoph lehrte zuvor an den Universitäten Princeton, Stanford, Harvard und Brown. In einem kurzweiligen Vortrag stellte Tomasi die verschiedenen Generationen liberaler Denker ab dem 17. Jahrhundert bis heute dar und involvierte das Publikum in einen lebhaften Austausch darüber, wie der Liberalismus weitergedacht werden kann.

Wie im vergangenen Jahr nahm der Konferenzteil des Open Summit mit dem Toast auf die Freiheit sein Ende. Die Ukrainerin Eva Yakubovska vom Pilecki-Institut appellierte in einem emotionalen Aufruf an alle Teilnehmer, für eine weitere Unterstützung der Ukraine im Freiheitskampf gegen den russischen Angriffskrieg einzutreten. Mit einem leidenschaftlichen „Slava Ukraini!“ der Rednerin erhoben die Zuhörer die Getränke auf den ukrainischen Kampf für die Freiheit.

Zufrieden und beseelt von einem prall gefüllten, inspirierenden Tag bewegten die Teilnehmer sich danach in den Club „Cosmic Kaspar“ in Berlin Mitte. Bevor die Tanzfläche geöffnet wurde, stellte der Gewinner unseres Kunstwettbewerbs, der Künstler Ivan Zubarev, ein echtes Schmuckstück vor: In seinem Kunstwerk bringt Zubarev die Geschichte von Prometheus in Verbindung mit der Moderne. Das dreiteilige Werk ziert ab jetzt unseren Besprechungsraum in der Heimat der Freiheit.

Bis ins Morgengrauen feierten viele der Teilnehmer, bei Laune gehalten durch „DJ Eugen Dichter“ die Freiheit und die Gemeinschaft, die um diesen einzigartigen Wert entsteht. Mit dem Open Summit gibt es für die Freiheitsbewegung einen Ort, an dem jeder Einzelne merkt, dass er mit seinen Ideen und Werten nicht alleine ist. Wir sind sehr dankbar für eine erfolgreiche zweite Auflage und freuen uns auf noch mehr Teilnehmer und weiteren begeisternden Input im nächsten Jahr!

Heute gehen wir mit „Hekaton Berlin“ an die Öffentlichkeit, Saatbeet und Kraftquelle einer Bewegung der Freiheit, die bunter, leidenschaftlicher und effektiver ist.

Die Gestalter sitzen nicht an den Hebeln der Macht

Politiker sind keine visionären Gestalter, auch wenn sie sich noch so oft so verkaufen. Politiker sind Übersetzer und Kompromissfinder. Es ist ihre Aufgabe, gesellschaftliche Überzeugungen und manchmal auch Stimmungen aufzunehmen und in vertretbares Staatshandeln umzuwandeln. Die Visionäre und Gestalter in einer parlamentarischen Demokratie sitzen selbst aber gar nicht in den Parlamenten. Zumindest nicht auf den Plätzen, auf denen abgestimmt wird. Diejenigen, die unser Zusammenleben langfristig prägen, sind für die meisten Menschen unsichtbar. Sie sitzen in Redaktionen, Universitäten und NGOs, und manchmal auch einfach mit einem Plakat auf der Straße. Es ist unsere Gründungs- und Arbeitshypothese bei Prometheus, dass politisches Handeln seinen Ursprung immer in der Zivilgesellschaft hat. Das war bei der liberalen Agenda-Politik der SPD so und auch bei der grünen Kernkraftpolitik der CDU.

Und deshalb richtet sich unser bisher größtes Projekt an die Zivilgesellschaft. Mit Hekaton Berlin wollen wir Keimzellen erschaffen für eine neue Bewegung der Freiheit, die bunter, leidenschaftlicher und effektiver ist. Denn in Deutschland wird die Stimme der Freiheit immer mehr zum Außenseiter.

Wir fördern Change Entrepreneure

Bei Prometheus arbeiten wir mit einem langen Zeithorizont und wollen die Bedeutung freiheitlicher Ideen und Werte tiefer in unserer Gesellschaft verwurzeln. Dafür arbeiten wir in den Bereichen Bildung und Netzwerken. Wie in jeder spezialisierten Gesellschaft können wir damit unseren komparativen Vorteil ausspielen. Zugleich wissen wir um unsere Grenzen: es gibt so vieles, das wir nicht können oder auch nicht wollen.

Aber es gibt auch so viele begabte und begeisterte Menschen, die vielleicht genau diese Talente besitzen. Diese Menschen und deren Ideen wollen wir fördern, und sie dabei unterstützen, „Change Entrepreneure“ zu werden. Menschen, die voller Idealismus und Kreativität für ihre Sache streiten. Die das aber auch effektiv, mit strategischer Weitsicht und ausgestattet mit den nötigen Fertigkeiten tun. Hekaton Berlin ist der Ort, an dem das geschehen wird.

Jedes halbe Jahr fördern wir zwei Projekte mit 20.000 Euro und 100 Tagen Training, Mentoring und Zugang zu unserem Co-Working Space. Daher stammt auch der Name des Projekts, denn „Hekaton“ ist altgriechisch für die Zahl Hundert. In diesen 100 Tagen sind wir für unsere Hekaton-Fellows da, um mit ihnen zusammen daran zu arbeiten, wie sie mit ihren Ideen die Welt verbessern können.

Was und wer hinter Hekaton steht

Seit über zwei Jahren arbeiten wir inzwischen daran, Hekaton möglich zu machen. Wir haben unsere Idee pilotiert, diskutiert, verändert, und nochmal verändert. Denn wir wollen unseren Fellows die bestmöglichen Startbedingungen verschaffen. Währenddessen haben wir mit zwei wunderbaren Pilotprojekten getestet, was Change Entrepreneure wirklich brauchen. Ohne viel Geld haben die jungen Menschen hinter den Projekten „Community Hero“ und „Freedom Man“ Erstaunliches erreicht. Und ihr Einsatz hat es uns ermöglicht, zu lernen und besser zu werden.

Wir sind so weit gekommen, dass wir in diesem Jahr als erste deutsche Organisation aus der freiheitlichen Szene eine Zuwendung der renommierten John Templeton Foundation über knapp 260.000 Dollar gewinnen konnten. Dies ermöglicht uns den Aufbau von Hekaton in den nächsten drei Jahren.

Vier herausragende Mentoren konnten wir für die Begleitung der Hekaton-Fellows gewinnen: den Gründer und BCG-Partner Johann Harnoss; die Unternehmerin Catharina Bruns; Julius von Freytag-Loringhoven, Pressesprecher und Referatsleiter Presse und Digitale Kommunikation der Friedrich-Naumann-Stiftung; und den Fintech-Investor Moritz Gillmair.

Mit dem Autor und Public Intellectual Johan Norberg und Elena Leontjeva, der Gründerin und Präsidentin des Lithuanian Free Market Institute, haben wir auch zwei Lichtgestalten der globalen freiheitlichen Bewegung als Berater mit an Bord haben.

Alle sollen besser werden, die für den Wert der Freiheit einstehen

Wir vergeben mit Hekaton Berlin zweimal im Jahr Projektfellowships an junge Menschen, die uns überzeugen mit ihrem Idealismus, die Welt zu verbessern. Aber dabei soll es nicht bleiben: Wir bieten, die Fertigkeiten und Expertisen, die unter dem Dach von Hekaton vereint sind, auch etablierten Organisationen und Projekten in Form von Strategieberatungen an. Und wir werden kleinere „Small Grant“ bis zu 1.000 Euro an Projekte vergeben, die noch nicht ganz reif sind für das große Hekaton Fellowship.

Indem Neues entsteht und Bestehendes verbessert wird, können wir auch einen Kernwert von Prometheus verwirklichen: Großzügigkeit. Wenn die Freiheit nachhaltig wachsen soll, dann geht das nur, wenn wir an einem Strang ziehen und Neid und Eitelkeit kein Raum gegeben wird. In diesem Sinne wollen wir der neuen Generation von Freunden der Freiheit helfen, diesen Geist der Freundschaft und Großzügigkeit in ihr Leben und ihren Einsatz mitzunehmen.

Weitere Infos und Bewerbung auf unserer Website.

Photo: Kari Nesler from Flickr (CC BY-ND 2.0 DEED)

Vom Energie- über den Arbeits- bis hin zum Wohnungsmarkt sind staatliche Eingriffe en vogue. Der Berliner Mietendeckel ist dafür ein Paradebeispiel. Aber der Preiseingriff verschlimmerte die Situation nur.

Tausch ist etwas Wunderbares. Wenn das Pausenbrot diesmal eine Käsestulle war, der Freund aber ein Wurstbrot hatte und man selbst lieber Wurst als Käse aß, während der Freund genau andersrum fühlte, dann konnte man durch einen schnellen Tausch das beidseitige Glück erhöhen. Solcher Tausch durchzieht unser gesellschaftliches Zusammenleben. Im Supermarkt tauschen wir unser Geld gegen Nudeln, Obst, Gemüse und was immer sonst Herz und Magen begehren. Auf der Arbeit überlassen wir unserem Chef unsere Arbeitskraft, wofür er uns mit einem Gehalt entschädigt. Und oft wohnen wir zur Miete. Auch das ist ein Tausch: wir zahlen unserem Vermieter einen gewissen Betrag, und dafür überlässt er uns seine Wohnung. Natürlich tauschen wir oft nur zähneknirschend: die hohen Mietpreise würden wir lieber nicht zahlen, und die Wohnung ist ja sowieso viel zu klein.

Aber letztlich sind wir dann doch bereit, den hohen Preis zu zahlen – sei es, weil uns die Pendelei aus dem Vorort zu viel ist oder weil die Altbauwohnung dann doch ganz schick daherkommt. Das Gleiche mag sich die Vermieterin natürlich auch denken: sie hätte die Miete lieber ohne einen Bewohner, der das Parkett abnutzt, und bei dem man ausschließen kann, dass er ein Mietnomade ist. Wenn beide Parteien aber trotz aller Bedenken zusammenkommen, dann deswegen, weil der Tausch es ihnen beiden wert ist.

Verbietet der Staat den Tausch von Geld gegen Wohnung oberhalb einer gewissen Preisschwelle, können Mieter und Vermieter nicht mehr unter allen Umständen, die ihnen günstig erscheinen, zusammenkommen. Während es also möglich ist, dass Mieter und Vermieter weiterhin am Tausch interessiert sind, kann es dennoch dazu kommen, dass der Vermieter angesichts der diktierten Preisobergrenze davon absieht, seine Wohnung zu vermieten. In diesem Falle kommt es also mit Sicherheit zu einem Wohlstandsverlust. Dem Vermieter war die angebotene Miete mehr wert als die Wohnung, und dem Mieter war die Wohnung mehr wert als die Miete, die er hätte zahlen müssen. Aber beide werden daran gehindert, entsprechend miteinander zu tauschen.

Die Idee hinter Eingriffen wie dem Berliner Mietendeckel, der 2020 eingeführt, jedoch rasch einkassiert wurde, ist natürlich, dass der Mietvertrag weiterhin zustande kommt – nur mit größeren Vorteilen für die Mieter. Kurz gesagt: die Mieten sollen sinken. Das taten sie auch, etwa um zehn Prozent, wobei unterschiedliche Studien zu unterschiedlichen Resultaten kamen. Der Erfolg bezog sich jedoch nur aufs regulierte Segment.

Das Problem ist jedoch, dass der Mietendeckel als isolierter Eingriff den Vermietern ja nicht vorschreibt, ihre Wohnung weiter zu vermieten. Stattdessen können sie sie auch selbst nutzen, als Eigentumswohnung verkaufen oder gar leer stehen lassen, was auch durch Verbote nicht einfach durchzusetzen ist. Und potentielle Vermieter können natürlich den Neubau zurückschrauben. Und so sank das Angebot, zumindest das online inserierte, in der Folge um etwa 50 Prozent (hier schwanken die Zahlen je nach Studie). Darüber hinaus stiegen die Mietpreise im nicht regulierten Segment sowie im Berliner Umland stärker als erwartet.

Das alles sind negative Auswirkungen des Mietendeckels.  Die Kosten des Mietendeckels in seiner Gänze werden aber erst dann sichtbar, wenn ein dynamischer Blick auf Unternehmertum und Marktprozess vorgenommen wird. Ein solcher Blick zeigt, dass viele der negativen Effekte des Mietendeckels gar nicht spezifizierbar sind – wir wissen nicht, und können nicht wissen, was durch die Intervention alles verhindert wurde. Das liegt an der radikalen Ungewissheit, mit der wir im alltäglichen Leben konfrontiert sind. Niemand hat vor 20 Jahren gewusst, dass den Menschen ein Smartphone gefallen wird. Es waren der Mut und die Chuzpe von Steve Jobs, ein derartiges Produkt zu entwerfen und auf den Markt zu bringen. Aber Steve Jobs hat nicht irgendwo sein Unternehmen gegründet, sondern in den USA. Einem Land, in dem es Freiheit gibt und Unternehmer die Früchte ihrer Arbeit ernten können.

Unternehmer müssen überhaupt erst entdecken, was die Menschen wollen und wie sie diese Bedürfnisse bestmöglich befriedigen – natürlich unter geringstmöglichen Kosten. Aber Unternehmertum floriert nicht immer und überall. Und da spielen Eingriffe wie der Mietendeckel eine große Rolle, denn sie werfen dem freien Unternehmertum Steine in den Weg: nicht nur können Entrepreneure nicht mehr vollständig, wenn überhaupt noch, von ihren Projekten profitieren, sie leiden auch unter Unsicherheit hinsichtlich zukünftiger Eingriffe des Staates.

Diese verringerten Anreize für Unternehmertum sorgen also für eine verringerte Aktivität, was sich in weniger Neubauprojekten und weniger kreativen Unternehmungen, die Menschen günstiges Wohnen ermöglichen sollen, manifestiert. Was genau verloren geht, kann aber niemand wissen. Man muss den Marktprozess wirken lassen, damit wir herausfinden, wie Wohnen am besten geht.

Während der Mietendeckel also zu erwartbar weniger Wohnraum führen wird, entstehen andere Profitmöglichkeiten. Eine davon ist der Eingriff in den regulatorischen Prozess: hier geht es um Versuche der regulierten Unternehmen, für sich günstige staatliche Maßnahmen zu erstreiten. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Industriestrompreis. Derartige Lobby-Aktivitäten, die an sich schon verschwenderisch sind, haben die großen Player wie Deutsche Wohnen und Vonovia auch unternommen. Aber auch Unternehmen wie mbly sind ein Auswuchs des Mietendeckels: hier war cleveres Unternehmertum auf bizarren Wegen unterwegs. Die Idee: den Mietendeckel weitestgehend umgehen, indem Möbel zuzüglich zur Wohnung zu deutlich erhöhten Preisen vermietet wurden. Unternehmertum findet fast immer Wege, Profite zu machen – nur wird es durch Interventionen in unproduktive Bahnen gelenkt.

Diese Interventionen sind oft die Reaktion auf unbefriedigende Situationen, die durch vorherige Interventionen verursacht wurden. Das ist auch beim Mietendeckel naheliegend: der heftig regulierte Wohnungsmarkt – hierbei dürfen Bauvorschriften nicht außer Acht gelassen werden – war womöglich gerade wegen dieser vorherigen Eingriffe in so schlechter Verfassung. Das naive Herumdoktern der Politik an den selbstverursachten Problemen verschlimmbessert die Situation dann nur noch.

Interventionen begünstigen immer jemanden. Im Falle des Berliner Mietendeckels waren das vor allem die Bestandsmieter – eine starke Wählergruppe. Die immensen Kosten trugen andere: Jene, die neu in die Stadt kommen oder in ihr umziehen wollten und gar keine Wohnung mehr fanden oder ins nun teurere unregulierte Segment wechseln mussten. Aber auch jene Eigentümer, die durch verringerte Mieteinnahmen in die Bredouille gerieten: 4% von ihnen konnten ihre Kredite nicht mehr bedienen. Sie erhielten übrigens keine staatliche Unterstützung – anders als jene Mieter, die nach Rücknahme des Mietendeckels die höhere Miete nicht mehr stemmen konnten. Neben der moralischen Frage, inwieweit das gerecht ist, und der politischen, inwieweit der Staat legitimiert ist, derart in das Leben der Menschen einzugreifen, ist eine große Gefahr solcher Interventionen ihr langfristiger Einfluss auf die grundlegenden Überzeugungen der Bürger. Möglicherweise ist gerade die Erosion von Gerechtigkeitsüberzeugungen und die Unterminierung des Ideals, den Staat nicht für seine Zwecke und auf Kosten anderer zu missbrauchen, die weitreichendste Folge von Mietendeckel und Co.

Dies ist eine freie Zusammenfassung des Artikels „The perils of regulation and the theory of interventionism – an application to the Berlin rent freeze“, der kürzlich in der wissenschaftlichen Zeitschrift The Review of Austrian Economics erschien. Dort finden sich auch Verweise auf die erwähnten Studien.